János Székely erzählt in diesem Roman die Geschichte von Béla im Ungarn zwischen den Weltkriegen. Selbst in bitterer Armut lebend, wird Béla in dem Luxushotel mit der Welt der Reichen konfrontiert. Er erfährt, dass auch diese Welt mit Tücken behaftet und nicht ungefährlich ist. Trotzdem verliebt er sich in eine reiche Dame, die im Hotel als Dauergast logiert. Der Autor lässt den Leser in beide Welten schauen. Er beschreibt die Dekadenz der Reichen genauso eindringlich wie den Hunger und die Nöte der Armen. Kommunistische Ideen werden ebenso thematisiert wie Bespitzelungen; Menschen, die die Notlage anderer schamlos ausnutzen stehen denen gegenüber, die in ihrer Abhängigkeit machtlos sind. Sehr realistisch und prägnant sind die Bilder, die der Autor im Kopf des Lesers entstehen lässt. Das liegt aber sicher auch daran, dass dieser Roman autobiografische Züge trägt. Beeindruckend fand ich die Entwicklung Bélas, der von Kindheit an nur größte Armut kennen gelernt hat, aber seine Würde nie verlor.
„Verlockung“ ist in einer einfachen, sehr gut lesbaren Sprache geschrieben und bis auf einige Längen im Mittelteil hat mich das Buch gefesselt. Wortwitz wechselt mit sachlicher Erzählung, facettenreiche, bildhafte Beschreibungen runden die Geschichte ab, in der ein eindrucksvolles Bild über das Leben von Arm und Reich im Ungarn der 20er und 30er Jahre gezeichnet wird. Besonders hervorheben möchte ich noch, das trotz der Armut, die ständig präsent ist, keine trübselige, graue Stimmung aufkommt. Es wird weder das Mitleid des Lesers eingefordert noch auf die Tränendrüse gedrückt. Das empfand ich als sehr angenehm. Auch das Ende, das Platz für eigene Spekulationen lässt, fand ich sehr gelungen.
Mein Fazit: „Verlockung“ ist ein bemerkenswerter Roman über Armut, Liebe, Würde und Hoffnung. Mich hat er sehr beeindruckt. Ich habe das Buch sehr gern gelesen und empfehle es ebenso gern weiter.