480 Seiten
Inhalt:
1951, kurz nach Ausbruch des Koreakriegs, wird Yu Yuan, ein junger
chinesischer Offizier, wie Tausende Freiwillige von Mao Zedong nach
Nordkorea geschickt, um den kommunistischen Brüdern im Norden
des Landes zur Seite zu stehen. Er gerät amerikanische
Gefangenschaft und einzig der Gedanke an die Heimat birgt für
ihn die Hoffnung, wieder zu dem Menschen zu werden, der er vor dem
Krieg einmal war. Doch als Yu schließlich nach Hause
zurückkehrt, muss er feststellen, dass es diese Heimat so nicht
mehr gibt. Vierzig Jahre nach seiner Freilassung schreibt der
inzwischen siebzigjährige Yu gegen das Vergessen an.
[Verlagstext]
„Ein mutiges, ein komplexes, ein politisch hoch aktuelles Buch - diese
kraftvolle Geschichte, voller Sehnsucht und Melancholie gezeichnet,
zieht den Leser sofort in ihren Bann.“ Publishers Weekly
„Zu der desaströsen Geschichte der beiden Korea in der zweiten Hälfte
des 20. Jahrhunderts ein ganz eigener Beitrag aus weder national-
noch rotchinesischer noch US-amerikanischer, sondern humaner Sicht.“
Neue Züricher Zeitung
mehr zum Inhalt:
Yu Yuan,
Offiziersabsolvent der unter Chiang Kai-shek renommierten
Militärakademie Whampoa, dem amerikanischen Westpoint,
überschreitet im Frühjahr 1951 unter der Leitung des
kommunistischen Politkommissars Pei Shan nach unzureichender
Ausbildung an den neuen sowjetischen Waffen und ohne
Luftwaffenunterstützung den Yalu, der Grenzfluss zwischen Korea
und China. Zurück lässt er seine verwitwete Mutter und
seine Verlobte.
Die Armee der Chinesen
nennt sich, mangels offizieller Kriegseinmischung,
Volksfreiwilligenarmee. Rangabzeichen und Ausweise werden nicht
mitgeführt. Angesichts des gerade beendeten chinesischen
Bürgerkriegs haben die Kommunisten nicht genügend
Offiziere, so dass Nationalisten, also ehemalige Soldaten von Chiang
Kai-shek, mit in dieser inoffiziellen Armee dienen.
Schnell und damit
strapaziös marschiert diese „Freiwilligen“-Armee bis zur
Demarkationslinie zwischen Nord- und Südkorea, dem 38.
Breitenrad. Infolge fehlender Luftwaffenunterstützung,
schlechter Ausrüstung, Kleidung und katastrophaler
Leitungsfehler wird die Armee durch die militärisch völlig
überlegenen US Amerikaner binnen Kürze aufgerieben. Die
versprengten überlebenden Gefangenen werden im Süden
kaserniert, erst im Lazarett in Pusan, dann auf der 40 km südwestlich
gelegenen Insel Koje unter der Aufsicht der US Truppen.
Nach gut 50 Seiten also
endet die als Prolog anzusehende, bittere Kriegsbeschreibung, jetzt
folgen Jahre der Gefangenschaft, dem eigentlichen Zentrum des Romans.
In Koje sind in
verschieden grossen Lagerabschnitten Chinesen und Nordkoreaner
inhaftiert. Die Leitung dieser Lagerabschnitte unterliegen den
Gefangenen, und schon sehr bald erfährt Yu Yuan die ideologisch
hasserfüllte Trennung der Chinesen in Chiang Kai-sheks
Nationalisten und Mao Zedongs Kommunisten. Während die
Nationalisten nicht nach China repatriiert werden wollen, und damit
in ihren sicheren Tod, setzen die Kommunisten natürlich genau
auf das Gegenteil, obwohl auch sie nicht frei von Ängsten sind,
denn die chinesische Führung hat Gefangennahme als Feigheit
erklärt.
Yu Yuan, der wie fast
alle einen falschen Namen bei seiner Gefangennashme angegeben hatte,
agiert dank seiner Englischkenntnisse als Dolmetscher. Er ist kein
Parteimitglied und sein einziges Streben gilt der Rückkehr nach
China um sich um seine Mutter zu kümmern und in die Arme seiner
Verlobten. Geschickt und glücklich laviert er sich durch die
Haftzeit in Koje, später auf de Insel Cheju,, in Pusan und
schliesslich in der entmilitarisierten Zone, von wo aus er ins
kommunistische China Mao Zedongs zurückkehrt.
Eigene Meinung:
Der Koreakrieg war der
erste grosse Militärische Konflikt nach Ende des 2. Weltkriegs.
Ein für alle Beteiligten äußerst unrühmliches
Kapitel, und vielleicht deshalb ist er fast in Vergessenheit geraten.
Ha Jin holt ihn aus
dieser Vergessenheit hervor, im Andenken an seinen Vater, einen
Veteranen dieses unglückseligen Krieges. Und es geht ihm nicht
um militärisch-reisserische Beschreibungen, sondern um die
sonderbare Situation, in der sich die „freiwilligen“ chinesischen
Soldaten in Gefangenschaft befanden. Hin- und Hergerissen zwischen
den Ideologien, dem Vaterland und damit der Familie mussten sie sich
zu womöglich lebenslangen Exil auf Taiwan (wo die
Antikommunisten/Nationalisten unter Chiang Kai-shek herrschten) und
der Heimat entscheiden. Diese Entscheidung konnte angesichts des
Drucks der jeweiligen Lagerleitungen eine tödliche sein, beide
Seiten – die Kommunisten wie Nationalisten – versuchten mit
allen, auch gewalttätigen, Mitteln, die Gefangenen auf ihre
Seite zu ziehen.
Auch über das
Verhalten und die sich endlos dahinziehenden Friedensgespräche
zwischen den USA/Südkorea und Nordkorea/UdSSR erfährt man
nebenbei einiges, immer ganz aus Sicht der Gefangenen. Überhaupt
ist das eine grosse Stärke des Romans – er verzettelt sich
nicht. Bleibt immer bei Yu Yuan, einem zwar gebildeten, aber nur um
sein Überleben kämpfenden Soldaten. Er mag ein wenig
gebildeter als der Durchschnitt sein, aber mehr Informationen oder
gar Privilegien geniesst er nicht. Es sind seine guten
Englischkenntnisse, die ihn immer wieder interessant für beide
chinesischen Interessensseiten machen. So muss er auch, um zu
überleben, immer wieder die Seiten wechseln, mal den
kommunistischen Kommissaren, mal den national gesinnten
Antikommunisten zu Willen sein.
Spannend ist dabei die
schleichende Erkenntnis des Helden, dass weder die eine noch andere
Seite mit ehrlichen Karten spielen, die immer deutlicher werdende
Ahnung, dass die Freiheit, egal ob in Taiwan oder China, nicht das
bringen wird, was die jeweiligen Demagogen in den Lagern schönreden.
Und diese Ahnung wird sich in den letzten knappen Schilderungen, als
Yu Yuan als Siebzigjähriger zurückblickt, mehr als
bewahrheiten.
Das ist kein Kriegsroman
im militärischen Sinne, schon gar kein Action-Klopper, hier wird
in nüchterner, eines einfachen unbedeutenden Soldaten
angemessener Sprache der Lageralltag geschildert. Dennoch ist gerade
die Auseinandersetzung zwischen den Nationalisten und den Kommunisten
und das Verhalten der USA in diesem typischen „Stellvertreterkrieg“
eine hochpolitische und bitterböse Beschreibung der Zustände
in diesem Zipfel der Welt, von dem wir Deutschen und viele andere so
kurz nach dem 2. Weltkrieg nichts wissen wollten.
Mich hat das Buch sehr
beeindruckt.
über den Autor:
Ha
Jin (eigtl.Xuefei Jin) wurde 1956 in der nordchinesischen Stadt
Jinzhou geboren, wo sein Vater, ein Offizier, stationiert war. Mit 14
trat er in die Volksbefreiungsarmee ein.1977 wurden die im Zuge der
Kulturrevolution geschlossenen Universitäten wieder eröffnet
und Ha Jin begann an der Heilonjiang Universität Englisch zu
studieren. Er wechselte einige Jahre später an die Shandong
Universität, wo er seine Frau Lisha Bian kennen lernte, eine
Mathematikdozentin. 1985 ging er in die USA, um an der Brandeis
University in Waltham zu promovieren.1987 begann er Gedichte in
englischer Sprache zu verfassen, seit 1989 auch literarische Prosa.
Er hat seit 1993 eine Professur für Englische Literatur an der
Emory University inne und lebt mit seiner Frau und seinem Sohn Wen in
der Nähe von Atlanta. Seit 1997 ist er amerikanischer
Staatsbürger. Von den Eltern seiner Frau, die Ärzte bei der
Armee waren, hörte er die Geschichte eines Militärarztes,
der 18 Jahre auf seine Scheidung wartete. Anfang der Neunziger begann
er ›Warten‹ zu schreiben. Für diesen ersten (Lang-)Roman
erhielt er 1999 den National Book Award for Fiction sowie den
PEN/Faulkner Award 2000, den höchstdotierten amerikanischen
Literaturpreis. Der Roman war auch für den Pulitzerpreis
nominiert. Nur zwei Schriftsteller, deren Muttersprache nicht
Englisch ist, haben vor Ha Jin in der fünfzigjährigen
Geschichte des National Book Award den Fiction-Preis erhalten: Isaac
Bashevis Singer und Jerzy Kosinski.
[Verlagstext]
** KAM-sa Hamni-DA **