Samuel Richardson - Clarissa (ab 29.04.2011)

  • Nein, Pamela kenne ich nicht, habe aber darüber gelesen und werde mir auch noch den Kindle-Artikel zu Gemüte führen. Nach dem, was du schreibst, vermute ich fast, dass mir Clarissa wahrscheinlich auch die liebere von beiden ist :wink:


    Anna hingegen gefällt mir fast noch besser - sie ist so unverblümt, wie du ja auch schon festgestellt hast, man würde sie wohl kaum als guten Einfluss angesehen haben :wink: Wie sie immer über James herzieht, gefällt mir sehr gut, denn den habe ich inzwischen auch wirklich gefressen. Für diese Offenheit habe ich Anna innerlich applaudiert:

    Zitat

    Let me tell you, my dear, those acquisitions have given him more pride than reputation. To me he is the most intolerable creature that I ever saw. (S. 68 )


    Auch bezüglich der älteren Schwester findet sie ja sehr deutliche Worte:

    Zitat

    Pray, my dear, be so good as to tell me what man of a great and clear estate would think of that elder sister while the younger were single? (S. 68 )


    Ich denke übrigens auch, dass Clarissa doch schon deutlich verliebter in Lovelace ist, als sie es sich selbst eingestehen will. Die Tatsache, dass alle gegen ihn sind, dass sie den Kontakt untersagt bekommt, aber auch dass sie so ungerecht behandelt und vorverurteilt wird, sind sicher Triebfeder für ihren Entschluss, sich weiter heimlich mit ihm zu schreiben. Anna erkennt diesen Zusammenhang ja auch sehr deutlich und warnt ihre Freundin:

    Zitat

    Your native generosity and greatness of mind endanger you; all your friends by fighting against him with impolitic violence fight for him. (S. 70)


    Aber bei Clarissa, die jegliche Verliebtheit so vehement abstreitet, stößt sie auch damit auf taube Ohren. Natürlich deutet deren heftige Gegenwehr ja tatsächlich darauf hin, dass sie schon mehr empfindet, das sehe ich wie du.


    Ich für meinen Teil kann es kaum noch abwarten, diesen Lovelace endlich mal "persönlich" kennen zu lernen :lechz: Interessant finde ich ihn aus den Schilderungen Clarissas und Annas bisher allemal.

    :study: John Steinbeck - East of Eden

    :study: Frank Witzel - Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969

    :montag: Veronica Roth - Rat der Neun

    :musik: Claire North - Die vielen Leben des Harry August


    "There is freedom waiting for you, on the breezes of the sky, and you ask 'What if I fall?'
    Oh but my darling, what if you fly?"
    (Erin Hanson)

  • So, nach langer Abwesenheit hab ich mich wieder Clarissa gewidmet - ich hoffe, ich habe inzwischen überhaupt noch eine Chance, dich einzuholen :pale: Und ich gelobe Besserung :uups:


    Clarissas Familie hetzt weiter gegen Lovelace, wo es nur geht, sie lassen einfach kein gutes Wort an ihm. Lediglich Clarissas Onkel Antony bricht - wenn auch letztlich ergebnislos - eine Lanze für ihn (wenn ich das richtig verstanden habe ...):

    Zitat

    That he thought the gentleman behaved like a gentleman, his niece Clary with prudence, and that a more honourable alliance for the family (...) could not be wished for. (...) He was a man of sense, and he was sure that his niece would not have him if she had not good reason to think him reformed, or by her own example likely to be so. (S. 78)


    Gefallen hat mir hier besonders, dass der Onkel eben auch Vertrauen in Clarissa hat, ein Vertrauen, das ihr eigentlich auch ihre Familie entgegenbringen sollte, aber die haben ja zum Teil ganz andere Motive, warum sie Lovelace unbedingt aus dem Weg haben wollen. Bei der Schwester vermute ich die ganze Zeit schon verletzten Stolz, auch wenn sie ihn ja quasi abgelehnt hat.


    Clarissas Familie ist wild entschlossen, sie mit Solmes zu verheiraten - ungeachtet des Abscheus, den Clarissa ihm entgegenbringt. Anscheinend ist er eine gute Partie, aber Clarissa ist empört darüber, dass sein eigenen Angehörigen letztlich ohne einen Penny dastehen, wenn sie ihn heiratet. Da habe ich ehrlich gesagt nicht ganz verstanden, wie das zusammenhängt :-k Ist das ein "Angebot", das er speziell Clarissas Familie macht? Oder würden seine Angehörigen nicht grundsätzlich leer ausgehen, sobald er sich eine Frau nimmt? :scratch:


    Auch Anna ist, so erfahren wir in Brief 15, zutiefst entsetzt über die geplante Eheschließung, sieht aber aufgrund der getroffenen, extrem vorteilhaften Arrangements keinen Ausweg für ihre Freundin:

    Zitat

    I Know your family! - There will be no resisting such baits as he has thrown out - Oh my dear, my beloved friend! and are such charming qualities, is such exalted merit, to be sunk in such a marriage! (S. 85)


    Die niederen Beweggründe, derer ich die Schwester verdächtigt habe, spricht Anna ebenfalls an:

    Zitat

    What a sweet revenge will she take, as well upon Lovelaceas upon you, if she can procure her rival and all-excelling sister to be married to the man that sister hates, and so prevent her having the man whom she herself loves (...) and whom she suspects her sister loves! (S. 85)


    Ich denke, das ist nicht nur die Eifersucht wegen Lovelace, sondern wahrscheinlich war Clarissa bisher auch immer die "strahlendere" von beiden, der Stern der Eltern? Trotzdem, pfui! [-(


    In Brief 16 schließlich kommt es knüppeldick. Clarissa wird unmittelbar und ohne Vorwarnung zunächst beim Essen mit Solmes konfrontiert, ihre Abneigung wird hier sehr deutlich. Und schließlich wird sie von ihrer Mutter zur Seite genommen und praktisch emotional erpresst. Sie weiß, dass Clarissa sie nicht verletzen will, sie weiß genau, welche Knöpfe sie drücken muss: Sie macht Clarissa klar, dass es an ihr ist, den Frieden im Haus zu wahren, indem sie gehorcht:

    Zitat

    You are a dutiful, a prudent and a wise child, she was pleased to say (in hope, no doubt, to make me so); you would not add, I am sure, to my trouble. You would not wilfully break that peace which costs your mamma so much to preserve. (S. 89)


    Doch Clarissa willigt nach wie vor nicht ein, und sie kann auch einfach nicht verstehen, womit sie es verdient hat, in diese Ehe gezwungen zu werden. Selbst als sie das unfaire Arrangement anspricht (das ich nicht so ganz verstanden habe), wird das zu ihren Ungunsten gedreht:

    Zitat

    You, Clary Harlowe, for whose sake he offers so much are the last person that should make this observation. (S. 92)


    Mir tut Clarissa wirklich leid, und ich kann nicht nur verstehen, dass sie letztlich durchbrennen wird, sondern ich sehne den Zeitpunkt geradezu herbei. Die Situation für sie in ihrem eigenen Zuhause muss unerträglich sein.

    :study: John Steinbeck - East of Eden

    :study: Frank Witzel - Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969

    :montag: Veronica Roth - Rat der Neun

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    "There is freedom waiting for you, on the breezes of the sky, and you ask 'What if I fall?'
    Oh but my darling, what if you fly?"
    (Erin Hanson)

  • So, nach langer Abwesenheit hab ich mich wieder Clarissa gewidmet - ich hoffe, ich habe inzwischen überhaupt noch eine Chance, dich einzuholen Und ich gelobe Besserung

    Ich war bei diesem Buch noch länger abwesend und muss dich erstmal einholen. :friends: Habe aber in den nächsten Wochen endlich mal mehr Ruhe für Clarissa.

    Gefallen hat mir hier besonders, dass der Onkel eben auch Vertrauen in Clarissa hat, ein Vertrauen, das ihr eigentlich auch ihre Familie entgegenbringen sollte, aber die haben ja zum Teil ganz andere Motive, warum sie Lovelace unbedingt aus dem Weg haben wollen. Bei der Schwester vermute ich die ganze Zeit schon verletzten Stolz, auch wenn sie ihn ja quasi abgelehnt hat.

    Sie hätte es wahrscheinlich besser gefunden, wenn er nicht so schnell aufgegeben hätte. Bei seinem Ruf schien es ihr vielleicht sicherer, ihn abzulehnen, um zu sehen, ob er es ernst meint. :scratch:


    Zu Solmes:

    aber Clarissa ist empört darüber, dass sein eigenen Angehörigen letztlich ohne einen Penny dastehen, wenn sie ihn heiratet. Da habe ich ehrlich gesagt nicht ganz verstanden, wie das zusammenhängt Ist das ein "Angebot", das er speziell Clarissas Familie macht? Oder würden seine Angehörigen nicht grundsätzlich leer ausgehen, sobald er sich eine Frau nimmt?

    Ich habe das so verstanden, dass er aus irgendeinem Grund eine solche Position in seiner Familie hat, dass er frei über die Besitztümer seiner Familie verfügen kann. Dass das bei dem, was er besitzt, jemand so nach Ansehen strebenden wie Clarissas Bruder beeindruckt, ist klar, aber ich finde das auch ziemlich unsympathisch. Gleichzeitig vermutet Clarissa ja auch, dass es Solmes nicht um sie geht, sondern um das Einheiraten in eine reiche Familie. Dass sie die Situation kaum aushält, kann man gut verstehen...

  • Diese beiden Briefe sind ja nur sehr kurz, aber darum nicht weniger aussagekräftig. :wink: Clarissa ist nach wie vor empört über das Verhalten ihrer Familie Lovelace gegenüber, und interessant ist in dem Zusammenhang meiner Meinung nach dieser Satz:

    Zitat

    All of them at the same time afraid of Mr. Lovelace - yet not afraid to provoke him! (p 84)

    Da hat sie wirklich eine interessante Beobachtung gemacht: sie bemerkt, dass Lovelace gerade von ihren Geschwistern immer in ein schlechtes Licht gerückt wird - gleichzeitig behandeln sie ihn einfach unmöglich... Na ja, über die beiden haben wir uns ja schon unser Bild gemacht.

    Ich denke, das ist nicht nur die Eifersucht wegen Lovelace, sondern wahrscheinlich war Clarissa bisher auch immer die "strahlendere" von beiden, der Stern der Eltern? Trotzdem, pfui!

    Sehe ich auch so, denn es klang schon mehrfach an, dass die gute Clarissa zu Hause der Liebling ist. Ob auch etwas dran ist, dass Lovelace der erste Mann war, der sich überhaupt für Bella interessiert hat? Oder sagt Anna das nur, weil sie ein bisschen gehässig sein will:

    Zitat

    How cruel, my dear, in you, to rob the poor Bella of the only lover she ever had! (p. 86)

    Jedenfalls ist Bella ja wohl ziemlich dumm, dass sie ihre Gefühle ausgerechnet einem Dienstmädchen anvertraut hat, dass dann natürlich nichts Besseres zu tun hatte, als alles rumzutratschen. :loool:

  • In Brief 16 schließlich kommt es knüppeldick. Clarissa wird unmittelbar und ohne Vorwarnung zunächst beim Essen mit Solmes konfrontiert, ihre Abneigung wird hier sehr deutlich. Und schließlich wird sie von ihrer Mutter zur Seite genommen und praktisch emotional erpresst.

    Die Situation ist wirklich unmöglich. Solmes ist sich seiner Sache absolut sicher und rückt Clarissa total auf die Pelle, dann wird sie damit konfrontiert, dass sie ihn heiraten soll und dass sie quasi überhaupt keine Wahl hat. Die Mutter sagt ja bereits, dass Clarissa schon einige Bewerber abgelehnt hat und dass es nun zeit wird. Außerdem will die Mutter herausfinden, ob Clarissas Herz an Lovelace hängt - sie sagt ihr aber direkt, dass das inakzeptabel wäre:

    Zitat

    Tell me; I have a right to know, whether you prefer this man to all others? - Yet God forbid that I should know you do! for such a declaration would make us all miserable. (p. 90)

    Was soll sie da sagen? Man lässt ihr kaum eine Wahl, und Clarissa gibt dann auch nicht zu, dass Lovelace für sie schon sehr interessant ist. Dadurch macht sie die Erpressung ihrer Mutter noch schlimmer, was Clarissa dann zu einem sehr deutlichen Ausbruch über Solmes kommen lässt, den ich sehr lustig fand:

    Zitat

    Should the eye be disgusted, when the heart is to be engaged? - Oh madam, who can think of marrying when the heart must be shocked at the first appearance, and where the disgust must be confirmed by every conversation afterwards? (p. 92)

    Der Brief endet ja damit, dass Vater und Mutter Clarissa noch mal einschärfen, gehorsam zu sein und ihre Pflicht zu erfüllen - und man weiß nicht, was Clarissa jetzt tun wird. Ein gemeiner Cliffhanger für Anna Howe - aber auch für den Leser! Ich hatte ja fast damit gerechnet, dass Brief 17 dann von Anna kommt, aber es geht mit Clarissa weiter. Gut, ich bin nämlich sehr gespannt. :)

    Mir tut Clarissa wirklich leid, und ich kann nicht nur verstehen, dass sie letztlich durchbrennen wird, sondern ich sehne den Zeitpunkt geradezu herbei. Die Situation für sie in ihrem eigenen Zuhause muss unerträglich sein.

    Absolut, da gebe ich dir Recht. Dass sich gerade auch die Menschen, die ihr immer besonders wichtig waren, gegen sie stellen, muss einfach schrecklich sein. Sie tut mir sehr leid.