Asfa-Wossen Asserate - Manieren

  • Klappentext:
    Die europäischen Sitten in ihrer deutschen Spielart sagen mehr über uns, als wir gemeinhin glauben. Über die Zähigkeit der Manieren kann man sich wundern, ärgern oder freuen. Doch lohnt es sich, intelligent mit ihnen umzugehen. Ist der Handkuß peinlich? Stirbt das Kompliment aus? Gibt es heute noch Damen und Herren oder ausschließlich Männer und Frauen? Solche und hundert andere Fragen werden hier mit viel Charme und Esprit erörtert. Dabei liegt es dem Autor fern, dem Leser Vorschriften zu machen; die ungeschriebenen und doch so wichtigen Regeln unseres Zusammenlebens faßt er indes genau ins Auge. Und so tritt vieles zutage, was uns nachdenklich macht. ...


    Über den Autor:
    Asfa-Wossen Asserate, der Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers, wurde 1948 in Addis Abeba geboren. Nach der äthiopischen Revolution von 1974 ließ er sich in Deutschland nieder. In Tübingen und Cambridge hat er Jura und Geschichte studiert und in Frankfurt a.M. promoviert. Er war Journalist und Pressechef der Düsseldorfer Messegesellschaft. Er arbeitet heute als Unternehmensberater in Frankfurt. Für "Manieren" bekam er den Adelbert-von-Chamisso-Preis 2004


    Allgemeines:
    37 betitelte Kapitel auf 379 Seiten, zusätzlich ein Sach- und ein Personenregister


    Inhalt:
    ""Manieren" heißt ursprünglich, daß der Mensch, der sich ihrer befleißigt, eine Manier, eine bestimmte Art annimmt, die mit seinem angeborenen Verhalten nichts zu tun hat." (S. 138 ) Eher hat sie zu tun mit (Selbst)erziehung, mit dem, was eine Gesellschaft als richtiges Verhalten einstuft und was sie ächtet. Dass die Manieren von Kulturkreis zu Kulturkreis, von Land zu Land verschieden sind, begründet sich aus der Geschichte. Asserate sucht die Wurzeln und knüpft den Bogen zum heutigen Verhalten, prüft hierbei vor allem die Unterschiede zwischen den europäischen Ländern mit besonderem Augenmerk auf Deutschland.


    Eigene Meinung:
    "Der beste Kenner eines Landes und seiner Gesellschaft ist der Fremde, der bleibt", so der Soziologe Georg Simmel laut Klappentext. Als Nachfahre des letzten äthiopischen Kaisers, dessen erste Fremdsprache Deutsch war, der zum Studium nach Deutschland kam und hier lebt, weil er wegen der politischen Verhältnisse nicht zurückkehren konnte, ist Asserate prädestiniert für diese Betrachtung.
    Wer ein Benimm-Buch erwartet, wird enttäuscht, auch wenn natürlich einige Regeln ausführlich erörtert werden. Auch wer glaubt, eine humorige Beobachtung unserer Macken und Spleens zu lesen, kommt nicht auf seine Kosten, obwohl der Autor einige (wenige) Anekdoten erzählt.
    "Manieren" ist ein sozio-kulturelles Sachbuch, das von großer Detailkenntnis des Autors von Literatur, Geschichte und Ethnologie zeugt und beim Leser Wissen um die deutsche Historie voraussetzt.
    Er bedauert den Wegfall vieler gesellschaftlicher Regeln in der heutigen Zeit, besonders aber beklagt er, dass Menschen Achtung und Respekt voreinander aufgegeben haben. Zwar wird das alltägliche Verhalten des "normalen Mittelstandbürgers" thematisiert, dennoch habe ich den Eindruck, dass über weite Strecken vor allem der Verhaltenskodex der Oberschicht (Adel, Finanzleute, Intellektuelle u.a.) im Focus steht. Vielleicht weil das Parkett dort glatter ist als beim Feierabendbierchen mit Kollegen oder der Geburtstagsfeier guter Freunde. Einen leichten Snobismus kann ich dem Autor nicht absprechen. Während ich einige Kapitel, z.B. "Ehre" und hier vor allem die Vergleiche zwischen afrikanischer und europäischer Welt, informativ und interessant finde, langweilen mich die beiden Kapitel "Anrede und Titel", eine 40seitige Aufzählung, welches politische, adlige oder geistliche Haupt wie anzusprechen ist.


    Fazit:
    Eine lehrreiche Abhandlung für Leser mit ausgeprägtem Interesse an der Geschichte von Sitten und Gebräuchen - für adlige Leser ein Muss. :king:

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)