Minette Walters - Der Außenseiter / Disordered Minds

  • Kurzbeschreibung lt. Amazon:
    1970 wird der geistig zurückgebliebene Howard Stamp für schuldig befunden, seine Großmutter Grace in ihrem Haus in Bournemouth kaltblütig ermordet zu haben. Das Urteil lautet lebenslänglich, doch Howard Stamp wird seine Haftstrafe nie vollends verbüßen – denn nach einiger Zeit begeht er im Gefängnis Selbstmord. Mehr als dreißig Jahre später fallen dem jungen Anthropologen Jonathan Hughes die Prozessakten in die Hand, und ihm ist schnell klar, dass die Beweisführung eindeutig Mängel hatte. Gemeinsam mit der resoluten George Gardener, die schon immer Zweifel an Howards Schuld hegte, versucht er herauszufinden, was in der Vergangenheit wirklich geschah – und stößt schon bald auf die Spur eines verschwundenen Mädchens, das mit Grace’ Tod in Verbindung zu stehen scheint …


    Dieser Roman ist zwar wieder typisch Minette Walters, aber nicht ganz so "very british". Wie immer blickt die Autorin in die Abgründe der menschlichen Seele. Die Handlung spielt vor dem Hintergrund des Irak-Kriegs. Der Protagonist Jonathan Hughes hat mit Rassismus zu kämpfen, der sich aber nur als Vorwand für seine übrigen Probleme entpuppt. Er muss sich erst mit George Gardener zusammenraufen, diese hilft ihm dann aber bei der Bekämpfung seiner Probleme. Auch die anderen Figuren des Romans haben mit schweren Problemen zu kämpfen, die ihre Wurzel in den Ereignissen von 1970 haben.


    Wie so oft bei Minette Walters ist keine der Figuren von Natur aus böse, sondern wird durch die Ereignisse dazu gemacht. Der Leser ist hin- und hergerissen mit seiner Einschätzung der Verdächtigen und richtig sympathisch ist keine der Figuren. Die Handlung wirkt etwas passiv, da ein Großteil aus der Recherche von Jonathan und George über vergangene Ereignisse besteht.


    Vielleicht habe ich deshalb beim Lesen länger gebraucht als sonst für derartige Bücher: es ist keine atemlos-ich-muss-weiterlesen-Handlung, ich fühlte mich vielmehr wie ein Außenstehender, der interessiert den Fortgang der Ermittlungen beobachtet, ohne selbst von der Handlung berührt zu werden.

    Ich höre :musik: gerade "Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert" von Joel Dicker.

  • Zitat

    Original von Kasalla


    ich fühlte mich vielmehr wie ein Außenstehender, der interessiert den Fortgang der Ermittlungen beobachtet, ohne selbst von der Handlung berührt zu werden.


    Kasalla hat schon gesagt, woran das Buch krankt: Minette Walters erzählt eine Geschichte über eine Geschichte anstatt den Leser am Geschehen teilhaben zu lassen. Dadurch fehlt die Unmittelbarkeit und auch die Spannung. Im letzten Drittel wird vieles per E-Mail ausgetauscht; auch das wirkt wesentlich distanzierter als Dialoge.


    Die Verquickung von Krimihandlung, politischer Botschaft (gegen Irak-Politik Großbritaniens) und Sozialkritik (Rassismus) ist nicht geglückt; es wirkt wie planlos aneinandergestoppelt - als würde man eine Schokoladentorte mit Zwiebeln und Knoblauch bestreuen.



    Off-Topic: Was ist bloß mit den Krimi-Altmeisterinnen los? Ich habe jetzt hintereinander Martha Grimes "Mordserfolg", Patricia Cornwell "Staub" und das vorliegende Buch gelesen. Alle drei Autorinnen haben einmal exzellente Krimis geschrieben, aber diese drei Bücher waren schlecht bis ganz schlecht :evil: .


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Hallo ihr :D


    Ich finde auch, dass ihr Bücher nachgelassen haben, nicht von der Qualität der Geschichte her, aber man fühlt sich nicht mehr als Teil der Geschichte. Ich war früher ein Fan von Minette Walters und habe Eishaus, Echo, Die Bildhauerin und Die Schandmaske verschlungen, danach wurde ich nur noch enttäuscht und kaufe ihre Bücher nicht mehr...echt schade :|



    Inzwischen lese ich lieber Kathy Reichs, Tess Gerritsen oder andere...bei Minette ist es einfach nicht mehr fesselnd :scratch:


    Bye Josy

  • Hallo,


    habe gerade "Der Außenseiter beendet" und es hat mir ganz gut gefallen, kommt aber - wie einige von Euch auch schon bemerkten - nicht an Schandmaske, Eishaus,.. heran.


    Besonders zu Beginn habe ich mir schwer getan, die Zitationen der Zitationen waren ziemlich langatmig und nicht gerade interessant. Erst nach dem ersten Drittel gefiel mir das Buch besser, dann hat die Handlung etwas Fahrt aufgenommen und ich wurde doch noch neugierig :)
    Gegen Ende ist es mir doch etwas sehr verschlungen vorgekommen, das teilhaben an sovielen verschiedenen Möglichkeiten, da habe ich manchmal den Faden verloren.


    Lg. Gabi

    Liebe Grüße
    Gabi


    "Welchen Kummer deiner Seele du auch ertränken willst,
    deine Bibliothek ist der beste Keller!"
    Jean Cocteau

  • Mir erging es wie vielen von euch - dieses Buch war sehr zäh und langatmig. In dieser Geschichte sollen zuviele Zeitgeschehnisse(Irakkrieg, Rassismus in den 70ér etc.) verarbeitet bzw. Kritisch "beäugt" werden, was aber der ganzen Handlung nicht gut tut.


    Ich habe vorher schon die Bücher " Das Eishaus" und die "Schlangenlinien" , " Die Bildhauerin" von ihr gelesen und fande diese wesentlich spannender, fesselnder.


    Ich würde diesem Buch nur :bewertung1von5: als Bewertung geben.

  • „Der Außenseiter“ von Minette Walters reicht meiner Meinung nach nicht an ihre Vorgängerromane wie „Die Bildhauerin“ oder „Das Echo“ heran.
    Die Autorin ist bemüht, die Handlung logisch und konsequent von Anfang bis zum Ende durchzuspielen, dabei wiederholt sie fortlaufend schon bekannte Ereignisse mit neuen Gesichtspunkten und aus anderen Blickwinkeln, was mit der Zeit ermüdend und langatmig ist. Sie flechtet Vernehmungsprotokolle der Polizei, Zeitungsausschnitte und E-Mails in die Geschichte ein, die zwar das Geschehen auflockern, den Leser aber mehr zum Beobachter als zum Teilhaber werden lassen. Die Figuren sind eher blass und rufen wenig Sympathien hervor. Ihre sozialkritischen Anmerkungen und Äußerungen sind in meinen Augen fehl am Platz.
    Ich habe bereits einige Krimis von Minette Walters gelesen, die mir sehr gut gefallen haben, dieses Buch hat mich leider nicht begeistert.

  • Bei mir war "Der Außenseiter" das erste Buch, dass ich von Minette Walters gelesen habe und überzeugen konnte sie mich damit beim besten Willen nicht. Ich habe schon so viel Gutes von der Autorin gehört, aber hiermit konnte sie mich definitiv nicht überzeugen :-s


    Rezension
    Im Nachhinein hatte ich mir wohl bei all dem Lob über diese Autorin etwas mehr von ihrem Schreibstil erwartet. Er ist keinesfalls das, was ich im klassischen Sinne unter "schlecht" verstehe. Die Autorin schreibt flüssig, anschaulich und vor allem Beschreibungen und Gespräche fand ich sehr gelungen. Aber trotz dieser guten Grundlage konnte sie mich in entscheidenden Momenten einfach nicht mitreißen. Action und Emotionen gingen leider fast das ganze Buch über völlig an mir vorbei und ich wurde das Gefühl nie ganz los, dass zwischen der Geschichte und mir eine dicke Plexiglasscheibe steht. Die Geschichte war angenehm zu lesen, ja. Aber das gewisse Etwas hat mir gefehlt.


    Dafür wurde ich aber bei den Charakteren gleich zu Anfang positiv überrascht. Denn der weibliche Ermittlerpart George ist nicht die übliche umwerfend gut aussehende (aber früher oder später natürlich trotzdem zu habende) Wonderwoman mittleren Alters. Vielmehr ist sie eine sehr sympathische, wenn auch etwas verpeilt-verschrobene Version von Miss Marple. Sie ist schrullig, verbissen und eine "Tochter alter Schule", was Werte und Benehmen angeht und war für mich sofort ein Charakter zum Liebhaben. Diesen Typ Ermittler liebe ich einfach! Wer fährt schon seinen Aktenschrank auf dem Rücksitz mit sich? Umso weniger mochte ich da Jonathan. Vom angedeuteten Kämpfer für die Gerechtigkeit keine Spur. Stattdessen bekommt man ein - sorry - Charakterschwein serviert. Dazu die obligatorische tragische Vergangenheit, kürzliche Trennung, Migrationshintergrund, geplagte Seele, Krankheit usw... Kurzum: Er hat so ziemlich jedes Problem, das man sich nur vorstellen kann, ohne ernsthaft nach Lösungen zu suchen. Auch sympathische Nebencharaktere konnten nicht verhindern, dass er mir mit seiner Art das ganze Lesen vermiest hat.


    Die Handlung selbst lässt sich in zwei Bereiche unterteilen: Krimi-Part und Erzählung der Hintergründe. Ich mag es gerne, wenn ich mehr als nur den nackten Fall verfolgen kann und die Ursache-Wirkung-Hintergrundgeschichte hat mir hier sehr gut gefallen. Ab und an war es vielleicht etwas zu viel des Schlechten hinter scheinbar brav-bürgerlichen Vorhängen. Aber insgesamt habe ich diesen Part gespannt verfolgt. Umso enttäuschender fand ich den eigentlichen Krimi-Part. Der Täter/die Täterin/das Täter ließ sich früh erraten und Spannung konnte ich bestenfalls und mit viel gutem Willen erahnen. Natürlich liegen zwischen dem eigentlichen Mordfall und dem "Jetzt" viele Jahre, aber trotzdem hätte man mehr Entwicklungen einbauen können. Man erfährt zwar nach und nach und schön geordnet alle Details, wird als Leser dabei aber nur selten überrascht. Wer es ruhig und gemütlich mag, den dürfte die Geschichte vielleicht überzeugen. Aber mir haben psychologische Raffinessen und Fallstricke gefehlt, die mein Krimiherz hätten höher schlagen lassen.


    Fazit
    Für mich muss ein Krimi entweder eine tolle Atmosphäre und faszinierende Hauptcharaktere, oder aber eine spannende Handlung haben und in keinem Bereich kam "Der Außenseiter" für mich über Mittelmaß hinaus.
    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    :study: Das Lächeln der Fortuna (R.Gable)
    :bewertung1von5: Bücher/Seiten 2022: 53/23.270 || SUB 277 O:-) (Start:287)

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    "Bücher sind Wahrheiten inmitten von Lügen." / S.King
    "Ein Frosch ohne Humor ist nur ein kleiner grüner Haufen." / Muppet Show
    "Why do most people fail to give each other the fairy tale?" / M.Quick

  • Und mit Gruß an Mara hier noch das Original "Disordered Minds".

    :study: Das Lächeln der Fortuna (R.Gable)
    :bewertung1von5: Bücher/Seiten 2022: 53/23.270 || SUB 277 O:-) (Start:287)

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    "Bücher sind Wahrheiten inmitten von Lügen." / S.King
    "Ein Frosch ohne Humor ist nur ein kleiner grüner Haufen." / Muppet Show
    "Why do most people fail to give each other the fairy tale?" / M.Quick

  • Ich weiß gar nicht, was ihr habt, ehrlich gesagt. Zwar hatte ich anfangs auch leichte Startschwierigkeiten, bis ich mich an den etwas anderen Schreibstil gewöhnt hatte, aber dann hat mich das Buch total in seinen Bann gezogen. Warum sollen Rassismus und Politik nicht mal als Nebenschauplätze fungieren?
    Ich war fasziniert von den vielen möglichen "Verbrechern" und den vielen Variationen der Gründe und angeblicher Möglichkeiten.
    Davon abgesehen wurde mal wieder aufgezeigt, wie sehr das Elternhaus die Menschen für ihr ganzes Leben prägt...

  • Hallo,
    Auch ich habe schon viele Krimis von Minette Walters gelesen und fand "Im Eishaus" oder "Schandmaske" um Klassen besser.
    "Der Außenseiter" ist ein Krimi in dem die Forschung nach den Hintergründen der Taten deutlich zu viel Raum einnimmt. Das ursprüngliche Ziel, Howard zu entlasten, gerät fast in Vergessenheit. Dafür wird jede einzelne Aussage von Lou und Roy bis zum geht-nicht-mehr zerpflückt, mir war das zu viel und auch zu lang. Die Idee, dass mal nicht die Polizei ermittelt, sondern ein Wissenschaftler und eine Stadträtin fand ich prinzipiell gut und spannend, aber vor allem Jonathan blieb blass, unsympathisch und ein Weich-Ei.
    Das Hauptthema ist natürlich besonders schwierig darzustellen, man schwankt zwischen Betroffenheit und genervtem Augenrollen ("schon wieder.....").
    Der Roman ist nicht nur ein Krimi, sondern auch ein komplexes sozialdrama, aber trotz seiner 512 Seiten wirkt er auf mich irgendwie unfertig. Denn obwohl die krimihandlung am Schluss gelöst ist, frage ich mich, ob die Hauptperson hinter Gitter kommt, und wie es mit den anderen Personen weitergeht.
    Fazit: eine gute Geschichte, aber leider mit unnötigen Längen.
    Ich vergebe: :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Nicht jeder, der das Wort ergreift, findet ergreifende Worte :-,


    (frei nach Topsy Küppers)