Elisabeth Hermann: Zeugin der Toten

  • Kurzbeschreibung (amazon)


    Spuren eines quälend langsamen Todes, Blutlachen wie Seen, Hände, die
    verzweifelt Halt suchen. Judith Kepler hat viel gesehen. Sie wird
    gerufen, wenn die Spurensicherung geht. Sie macht aus Tatorten wieder
    bewohnbare Räume. Sie ist ein Cleaner. In der Wohnung einer grausam
    ermordeten Frau begegnet sie ihrer eigenen Vergangenheit. Die Tote
    kannte Judiths Geheimnis. Unter mysteriösen Umständen war Judith als
    Kind in ein Heim gebracht worden. Herkunft unbekannt. Immer im Schatten
    dabei, die Staatssicherheit. Als Judith Fragen zu stellen beginnt, gerät
    sie in das Visier mächtiger Gegner.




    Eigene Meinung


    Inhalt


    Die "Cleanerin" Judith Kepler stößt in der Wohnung einer Ermordeten auf ihre eigene Akte aus dem DDR-Kinderheim "Juri Gagarin", in dem sie vom 5. bis zum 15.Lebensjahr untergebracht war. Sie ist erschüttert darüber, dass diese Dokumentation ihrer unschönen Kindheit nicht wie erwartet seit der Wiedervereinigung im Reißwolf gelandet ist und sie setzt alles daran, herauszufinden, wie die ermordetete Frau an ihre Akte gekommen ist. Außerdem will sie die verschütteten Erinnerungen an ihre ersten fünf Lebensjahre wachrütteln und etwas über ihre Eltern in Erfahrung bringen.
    Im Laufe ihrer Ermittlungen zeigt sich, dass Judiths Familie in die gegenseitige Spionage zwischen DDR und BRD verwickelt war, ihre Untersuchungen bescheren ihr allerhand Aufregung und lebensgefährliche Situationen, da es immer noch Menschen gibt, die bestimmte Vorgänge aus der Zeit des Kalten Krieges nicht aufgedeckt sehen wollen.


    Aufbau


    Der Prolog ist in den Achtziger Jahren angesiedelt. Die fünfjährige Judith - damals hieß sie noch anders- kommt unter mysteriösen Umständen ins Kinderheim und bekommt eine neue Identität verpasst. Der Hauptteil des Romans spielt in der Gegenwart, Judith ist inzwischen Mitte Dreißig und arbeitet nach einer "abgeschlossenen" Drogenkarriere als Cleanerin. Kürzere Rückblicke in die Vergangenheit sind immer wieder in die laufende Romanhandlung eingeflochten.


    Persönliche Beurteilung


    Nach dem Klappentext und der Leseprobe erwartete ich einen Krimi/Thriller, der im forensischen Milieu spielt (weitergehende Ermittlungen, die sich aus dem Zustand der zu reinigenden Wohnungen von Toten ergeben). Dies ist überhaupt nicht zutreffend. Es handelt sich hier um einen sehr komplex aufgebauten Spionageroman, den man schon aufgrund der verwickelten Beziehungen der zahlreichen Romanfiguren mit großer Konzentration und angepasstem Tempo lesen muss. Ich tat mich etwas schwer, weil ich bei Spionage- und Gegenspionagethemen nicht immer vollkommen durchblicke.
    Trotz gewisser Verständnislücken fand ich den Roman aber recht fesselnd, was nicht zuletzt an der Actionlastigkeit einiger Abschnitte und dem wirklich gelungenen, flüssigen Erzählstil der Autorin lag.


    Fazit


    Wer sich für Spionage im Allgemeinen und das Verhältnis von DDR und BRD zueinander in den Achtziger Jahren interessiert, hat hier einen sehr ansprechenden, lesenswerten Roman vor sich. In der Erwartung, mehr über den Beruf eines Cleaners zu erfahren und einen gewöhnlichen Krimi schnell weglesen zu können, sollte man jedoch eher nicht an dieses Buch herangehen.
    Auch wenn "Zeugin der Toten" nicht ganz meinen Erwartungen entsprach, werde ich die Autorin im Auge behalten.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

    Einmal editiert, zuletzt von €nigma ()

  • Danke für deine Rezension.


    Ich hatte das Buch auch im Auge, weil mir die LP bei vorablesen recht gut gefallen hat. Aber nach dieser LP habe ich ähnliche Erwartungen wie du. Nur mit so richtig verzwickten Spionagethrillern hab ich es nicht so. Musste mich auch ziemlich durch die "Millenium-Triologie" kämpfen. Somit werde ich wohl lieber die Finger von dem Buch lassen.


    Aber mein Mann steht genau auf dieses Genre. Dieses Buch merk ich mir auf jeden Fall mal für ihn, wenn ich ihn mal eine Freude machen will.


    Liebe Grüße
    Rapunzel

    Wir brauchen Geschichten.
    Wer möchte denn nur ein Leben führen, wenn er das von vielen besuchen kann?
    Sabrina Qunaj - Das Blut der Rebellin

  • Aber mein Mann steht genau auf dieses Genre.


    Dann ist das Buch ein heißer Tipp für ihn. Es ist wirklich gut geschrieben und mit Vorkenntnissen zum Thema hat man bestimmt noch mehr davon. :wink:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Ich tat mich etwas schwer, weil ich bei Spionage- und Gegenspionagethemen nicht immer vollkommen durchblicke.


    Geht mir auch so. Daher danke für die Warnung.


    Mir gefiel die Leseprobe auch ganz gut, aber jetzt ärgere ich mich nicht mehr, dass ich damals keine Lust hatte, einen Eindruck zu schreiben.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Mir gefiel die Leseprobe auch ganz gut, aber jetzt ärgere ich mich nicht mehr, dass ich damals keine Lust hatte, einen Eindruck zu schreiben.


    Ich habe zwar einen Eindruck geschrieben, aber nicht ich, sondern meine Freundin hat das Buch gewonnen. Ich war beim Lesen froh, dass ich nicht unter dem Druck stand, eine Rezension dazu schreiben zu müssen, zumal ich am Anfang nur wenig durchgeblickt habe.
    (Zum Schluss ging es dann besser mit dem Verständnis :wink: ).

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Spuren eines quälend langsamen Todes, Blutlachen wie Seen, Hände, die verzweifelt Halt suchen. Judith Kepler hat viel gesehen. Sie wird gerufen, wenn die Spurensicherung geht. Sie macht aus Tatorten wieder bewohnbare Räume. Sie ist ein Cleaner. In der Wohnung einer grausam ermordeten Frau begegnet sie ihrer eigenen Vergangenheit. Die Tote kannte Judiths Geheimnis. Unter mysteriösen Umständen war Judith als Kind in ein Heim gebracht worden. Herkunft unbekannt. Immer im Schatten dabei, die Staatssicherheit. Als Judith Fragen zu stellen beginnt, gerät sie in das Visier mächtiger Gegner. (amazon)



    Vorab: ein ungewöhnlicher Roman mit einem ungewöhnlichen Hauptcharakter! Viele Fragen werden bereits zu Beginn der Geschichte aufgeworfen. Die Handlung erzählt von Judith Kepler, einer "Cleanerin", die Tatorte reinigt. Die eigentliche Geschichte beginnt aber bereits viel früher, in einem Kinderheim der DDR, in dem Judith, die eigentlich Christel heißt, untergebracht ist. Was hat es mit der Erzieherin Martha auf sich? Infwiefern ist die Stasi in das Verschwinden der eigentlichen Judith verwickelt? Warum musste Christel an Judiths Stelle treten? Und, und, und... Nach dem Lesen muss ich sagen, dass ausnahmslos jede Frage beantwortet worden ist, auch wenn es mir an manchen Stellen schwer gefallen ist, der Handlung zu folgen. Die Story hat sich immer mehr zu einem Spionage-Roman um die Stasi entwickelt und da mir das nötige Hintergrundwissen fehlt, bin ich an manchen Stellen einfach nicht mehr mitgekommen. Schade fand ich, dass Judiths Job als Cleanerin dadurch so sehr in den Hintergrund gerückt ist. Darüber hätte ich schon gerne mehr erfahren, vor allem da das im Klappentext so hervorgehoben wird.

    Alles in allem hat mir das Buch jedoch gut gefallen, Elisabeth Hermann schreibt in einem flüssigen und spannenden Stil. Ich werde das Buch auf jeden Fall weiterempfehlen!


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:

  • Judith Kepler arbeitet in einer Gebäudereinigung. Sicher kein Traumberuf für jedermann, doch Judith ist gut in ihrem Job. Sie wird nicht nur zu normalen Reinigungsarbeiten gerufen, sondern auch zu Wohnungen, in denen Verstorbene längere Zeit unentdeckt lagen. Judith hat in ihrem Arbeitsleben viel gesehen, denn zu ihrem Einsatzgebiet gehören auch Tatorte, an denen es zu gewaltsamen Todesfällen kam. Routiniert tilgt sie die Spuren des Todes und versetzt die Räume wieder in einen bewohnbaren Zustand.


    An ihrem aktuellen Einsatzort wird Judith nicht nur mit den Spuren eines grausamen Mordes, sondern auch noch mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert. Judith wuchs in der ehemaligen DDR auf. Unter geheimnisvollen Umständen wurde sie damals in ein Kinderheim in Sassnitz eingeliefert. Eine mehr als trostlose Kindheit, ein Leben auf der Strasse und eine Drogenkarriere folgten. Mittlerweile hat Judith ihr Leben wieder im Griff. Doch nun stößt sie im Nachlass der brutal ermordeten Frau auf ihre angeblich verschollene Heimakte. Als sie dann noch einen Mann dabei erwischt, nachts Überwachungskameras vom ehemalige Tatort zu entfernen, gerät Judith in den unaufhaltsamen Sog längst vergangener Ereignisse....


    Meine Meinung


    Das Buch beginnt mit einem Rückblick in das Jahr 1985. Die kleine Christel Sonnenberg wird unter großer Geheimhaltung in ein Kinderheim in der damaligen DDR gebracht. Dort verliert Christel ihre Identität und wird zu Judith Kepler. Die mit der Aufsicht betraute Erzieherin Martha Jonas wird unter Druck gesetzt und muss sich nun an diesem üblen Spiel beteiligen. Niemand erfährt, was mit der richtigen Judith Kepler geschehen ist und auch die Herkunft der kleinen Christel bleibt im Dunklen. Dann wechselt die Handlung zum aktuellen Geschehen und man lernt die mittlerweile erwachsen gewordene Judith kennen und bekommt einen Einblick in ihre berufliche Tätigkeit. Der Einstieg in den Krimi von Elisabeth Herrmann gelingt recht mühelos, denn die längst vergangenen Ereignisse im Kinderheim schockieren auf der einen Seite, doch gleichzeitig gerät man in den Bann der Handlung und möchte unbedingt erfahren was damals geschehen ist. Gemeinsam mit der Hauptprotagonistin Judith deckt man Geheimnisse von ungeahntem Ausmaß auf.



    Das Buch beginnt bereits sehr interessant. Gerade anfangs steigert sich die Spannung von Seite zu Seite. Allerdings muss man dem Handlungsverlauf konzentriert folgen, um die Übersicht über die involvierten Geheimdienste und ihre Agenten nicht zu verlieren. Da die Spione verschiedene Decknamen verwenden, fällt auch die Personenzuordnung nicht immer leicht. Wenn man sich allerdings eingelesen hat, und sich die ersten Handlungsfäden miteinander verknüpfen, kann man sich der spannenden Verfolgungsjagd, die sogar bis nach Schweden führt, kaum noch entziehen.


    Der Schreibstil von Elisabeth Herrmann ist flüssig und angenehm lesbar. Es gelingt der Autorin eindrucksvoll, die jeweiligen Situationen so detailliert zu beschreiben, dass man sich Handlungsorte und Personen lebhaft vorstellen kann. Die Hauptprotagonistin Judith hat in ihrem Leben schon einiges mitgemacht. Sie hat eine ganz eigene Art damit umzugehen und weckt beim Lesen Sympathien. Judith wirkt sehr lebendig und ihre Handlungen manchmal spontan. Dadurch kann man sich gut in die Hauptprotagonistin hineinversetzen und dem spannenden Katz- und Mausspiel folgen.


    Elisabeth Herrmanns neuestes Buch ist kein klassischer Kriminalroman, bei dem man sich mit einem Ermittler auf die Suche nach einem unbekannten Täter macht. In "Zeugin der Toten" versucht Judith Kepler die Wahrheit über ihre Herkunft herauszufinden. Sie stößt dabei auf Hinweise einer längst vergangenen Geheimdienstaktion, in die nicht nur die Stasi und der BND verwickelt waren. Fans von spannenden Spionageromanen dürften hier voll auf ihre Kosten kommen.


    Ingesamt gesehen hat mir dieser Roman sehr gut gefallen. Ich habe damit spannende Lesestunden verbracht und bewerte ihn deshalb mit vier von fünf möglichen Sternen. Den einen ziehe ich ab, da die Handlung manchmal recht verwirrend war. Dennoch kann ich ihn guten Gewissens weiterempfehlen.



    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Judith Kepler hat einen Beruf, für den nur wenige Menschen gemacht sind. Sie wird immer dann gerufen, wenn an einem Tatort die Spuren des Todes allzu deutlich bleiben, auch dann, wenn die Spurensicherung und die Gerichtsmedizin schon lange fort sind. Denn Judith Kepler ist Cleanerin, das heißt, sie reinigt Orte, an denen Menschen gestorben sind. Sie erträgt den Gestank in den Wohnungen, die Blutlachen, die Maden und dank ihr wissen wir nun auch, dass Gehirnmasse zu kleinen weißen Krümeln wird, wenn sie trocknet. All das lässt Judith nicht an sich heran, so sagt sie zumindest. Sie hat es im Leben noch nie leicht gehabt; als Kind einer Prostituierten, ins Heim abgeschoben und nach dem Tod der Mutter dort 10 Jahre geblieben. Nach vielen verschiedenen Jobs und Beziehungen, nach einer Zeit voller Drogen und Medikamente ist sie schließlich dort angelangt, wo sie heute ist. In ihrem Beruf als Cleanerin, ohne Freunde oder sonstige Bezugspersonen, wenn man von ihrem Chef Dombrowski und dem neuen Praktikanten Kai absieht.


    Doch eines Tages wird Judith durch Zufall an einen Tatort gerufen, an dem ihr vieles so seltsam bekannt vorkommt. Am Ende des Auftrags fällt ihr die Post der Toten in die Hände, in der sie ihre eigene Heimakte findet. Judith muss auf einmal erfahren, dass sie nicht Judith Kepler, sondern Christina Sonnenberg heißt und ihre gesamte Vergangenheit eine Lüge zu sein scheint. Auf eigene Faust macht sich die Cleanerin an die Ermittlungen und gerät dabei immer tiefe in politische Verstrickungen.


    Ich muss zugeben, nachdem ich die Leseprobe zum Roman gelesen hatte, habe ich ein ganz anderes Buch erwartet. Es klang für mich sehr spannend und positiv, einen Thriller aus der Perspektive einer Cleanerin zu erzählen, nachdem es ja in den letzten Jahren vermehrt Romane aus der Gerichtsmedizin gab. Doch wer denkt, dass er in "Zeugin der Toten" mehr über diese unliebsame Arbeit und die Menschen, die sich verrichten, erfährt - der wird nur wenig fündig. Die Handlung geht zu Beginn nur schleppend voran und der Roman entwickelt sich immer mehr zu einem Spionagethriller, dessen Handlung ich ohne Hintergrundwissen nicht vollständig folgen konnte.


    Unrealistisch erscheint mir auch, wie die Autorin ihre Protagonistin in bester James Bond-Manier durch die unwegsamsten, gefährlichsten Situationen schickt. Judith Kepler kann nicht nur Blut sehen und Hirnmasse von Linoleum entfernen, nein, sie stellt einen Spion beim Versuch, eine Wanze anzubringen, beschattet und belauscht Personen, ermittelt auf eigene Faust, liefert sich wilde Verfolgungsjagden, zertrümmert Grabsteine und erschießt Menschen. Die Cleanerin ist im wahrsten Sinn des Wortes "nicht tot zu kriegen" und hält - meiner Meinung nach - für einen "normalen" Bürger einfach zu viel aus. Um noch ein weiteres Klischee zu erfüllen, liest die "ungebildete Putzfrau" natürlich noch Tolstoi und Hesse und die Liebe darf auch nicht fehlen.


    Trotz zahlreicher Kritikpunkte schafft es die Autorin allerdings, eine solche Spannung aufzubauen, dass man als Leser unbedingt wissen will, wie sich alles auflösen wird. Man leidet mit Judith mit, die doch eigentlich nur wissen will, wer sie wirklich ist, wer ihre Eltern waren und wo ihre Wurzeln liegen. Ob ihr das am Ende die gewünschte Ruhe bringt, das wage ich zu bezweifeln, aber der Schluss lässt ja doch einigen Spielraum für Spekulationen. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

  • Judith Kepler ist ein Cleaner. Sie sorgt also dafür, dass Wohnungen in denen Menschen starben oder ermordet wurden, wieder bewohnbar werden. Ein ziemlich dreckiger Job, aber einer muss ihn ja machen. An einem Tatort entdeckt sie beim Reinigen Hinweise darauf, dass die ermordete Frau ihr Geheimnis kannte, denn Judith wuchs als Kind in einem Heim auf. Ihre Herkunft ist unbekannt und bei der Aufnahme ging etwas nicht mit rechten Dingen zu. Als Judith anfängt Nachforschungen über ihre eigene Vergangenheit und die damaligen Umstände zu betreiben, schafft sie es schnell, sich mächtige Gegner zu zulegen.


    Die Kurzbeschreibung des Romans sprach mich von Anfang an. Ich lese unheimlich gerne Krimis und Thriller, habe aber noch nie einen Roman aus der Sicht eines Cleaners gelesen und war unglaublich auf Judiths Perspektive gespannt. Am Anfang der Geschichte erhält der Leser einen guten Einblick in ihren Tagesablauf und ihren Joballtag, danach verliert sich der Fokus allerdings in einer anderen Handlung.


    Ich hatte vorher bereits erfahren, dass der Roman etwas mit der DDR zu tun hat und es um Vorfälle geht, die immer noch tot geschwiegen werden und nicht vollends aufgeklärt wurden. Dieses hat mich ebenfalls interessiert, die Umsetzung hingegen konnte mich dann nicht ganz überzeugen. Der Einstieg in den Roman fiel mit bei den Passagen aus Judiths Leben sehr leicht, der Schreibstil war angenehm. Aber bereits am Anfang gibt es sehr ausführliche Ausblicke in den Bereich der Geheimdienste, dabei werden die Stasi und der BND ausführlich beleuchtet. Dieser Teil der deutschen Vergangenheit ist an sich recht interessant und scheint vor allem von der Autorin Elisabeth Herrmann sehr gut recherchiert zu sein, aber mir gingen diese Ausblicke teilweise zu tief. Sie haben mir zu viele Informationen geboten, die ich nicht wissen musste und die mich nicht gereizt haben, und so sind für mich etliche Längen im Roman entstanden.


    Der Schreibstil ist toll, ich mochte die Protagonistin Judith sehr gerne, aber thematisch hatte ich mir etwas anderes vorgestellt. Des Weiteren konnte mich der Roman auch bezüglich des Spannungsniveaus nicht begeistert, vielleicht auch nur aufgrund der von mir empfundenen Längen. Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, dass Leser, die sich für diese Thematik (DDR, Geheimdienste, Stasi) sehr interessieren, das Buch gerne lesen und informativ finden werden.



    Fazit:
    Ein Kriminalroman mit Augenmerk auf die Stasi, der eine sehr interessante Grundidee bietet, deren Umsetzung aber eher etwas für Leser ist, die sich speziell für diese Thematik interessieren. 3/5 Sterne


    • Gebundene Ausgabe: 432 Seiten
    • :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:
  • Ca. 20 Jahre ist der kalte Krieg beendet und spannende Spionageromane zwischen den beiden deutschen Staaten nicht mehr allzu oft zu finden.


    Aber Elisabeth Herrmann ist mit Zeugin der Toten ein guter Spionageroman gelungen. Es wird zwar aus der Sicht 2010 auf das Jahr 1985 geblickt und die Vergangenheit aufgearbeitet, aber das tut der Spannung keinen Abbruch.


    Bisher kannte ich noch nichts von dieser Autorin. Aber sie schreibt flüssig und spannend, sodass es bestimmt nicht der letzte Kriminalroman von ihr war, den ich gelesen habe.


    Es beginnt in einen Kinderheim in Saßnitz (DDR) im Jahre 1985. Bei einer Nacht und Nebel Aktion wird ein Kind(Judith Keppler) aus dem Heim entführt und durch ein anderes(Christina Sonnenberg) 'ersetzt'. Christina quengelt und will nicht Judith genannt werden. Erst als die Erzieherin Martha, bei der man schon gleich Spionagetätigkeiten vermuten kann, ihr etwas ins Ohr flüstert gibt Judith Ruhe.


    Über zwanzig Jahre später begegnen wir Judith wieder. Sie ist mitlerweilen Cleanerin. Das heißt, sie muß Wohnungen, in denen ein Todesfall war, besenrein säubern. Keine leichte Aufgabe. Denn wenn eine Leiche schon wochenlang dort gelegen hat, ist die Geruchsbelästigung stark und bei Gewaltverbrechen befinden sich neben alten Blutresten auch oft Hirnmasse und Knochensplitter in Teppichen, Möbeln und auf Wänden. Das alles muß entfernt werden , damit neue Mieter nichts davon mit bekommen.


    Als sie eines Tages die Wohnung einer Frau säubern muß, die einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen ist, fällt ihr eine Akte über sich selbst in die Hände. Als sie dann noch jemanden überrascht, der Kameras aus der Wohnung abmontieren will, ist ihre Neugierde geweckt.


    Sie beginnt zu recherieren. Was ist damals in Sassnitz alles geschehen. Wer sind ihre Eltern? Die die man ihr immer vorgegaukelt hat?


    Immer öfter gerät sie selbst in die Schusslinie. Bekommt Heroin in die Halsvene gespritzt. Eine normalerweise tödliche Menge. Wird zusammen geschlagen und mit Pistolen bedroht.


    Aber Judith ist durch ihre Vergangenheit (10 Jahre Kinderheim, Drogensucht)stark und angstfrei geworden. Sie gibt nicht auf.


    Da Buch ist sehr spannend und zügig geschrieben. Nur leider manchmal etwas verwirrend durch die ganzen Personen, die irgendwelchen Geheim- oder Nachrichtendiensten angehören. Dort hätte ich mir eine bessere Erklärung der einzelnen Dienste bzw. Personen gewünscht. Vllt als Anhang.


    Schön wäre es auch, wenn der List-Verlag bei gebundenen Büchern ein Lesebändchen beifügen würde

  • Ich finde es schwierig, dieses Buch zu bewerten. Der Beruf der Hauptfigur, Cleanerin von Tatorten, ist "zu interessant", weckt falsche Erwartungen. Davon möchte man gern mehr lesen, vielleicht auch in Form einer Reihe, wo sie dann Fälle löst etc. Nun ist es nicht so, dass das Thema ganz ausgespart wird, aber in erster Linie geht es eben um ihre Vergangenheit und die DDR/Spionage-Thematik. Gut geschrieben meiner Meinung nach, bis auf einen Hänger zwischendurch fühlte ich mich auch immer gut mitgenommen, es war durchaus spannend. Aber eine gewisse Enttäuschung bleibt eben doch.

  • Der Leseeindruck hatte mir schon sehr gut gefallen, und das Buch hält wirklich das, was es verspricht.


    Protagonistin ist Judith Kepler, eine junge Frau, die einen
    außergewöhnlichen Beruf ausübt: Sie ist eine sogenannte Cleanerin, d.h.,
    dass sie beispielsweise Tatorte von Verbrechen reinigt. Bei einem ihrer
    Jobs gerät sie jedoch in einen Strudel aus Ereignissen, die tief in
    ihre Vergangenheit reichen, zurück bis in die Zeit des kalten Krieges.
    Sie macht eine Zeitreise in den Ort ihrer Kindheit und Jugend: ein
    Kinderheim in Saßnitz, damals noch auf dem Gebiet der ehemaligen DDR.
    Zusammen mit dem Ex-BND-Agent Kaiserly versucht sie das Geheimnis um
    ihre Herkunft zu lüften und begibt sich dabei immer wieder in
    Gefahrensituationen, die sie das Leben kosten können. Denn es gibt viele
    Personen und mächtige Organisationen, die unbedingt verhindern müssen,
    dass sie die Wahrheit über sich und die Ereignisse von damals
    herausfindet.


    Der Schreibstil von Frau Herrmann ist sehr flüssig, und es gelingt
    ihr mühelos, den Spannungsbogen bis zum Schluss aufrecht zu erhalten.
    Dabei verzichtet sie vollkommen auf blutrünstige Szenarien. Ich konnte
    das Buch gar nicht aus der Hand legen. Und mit Judith Kepler hat die
    Autorin eine Hauptperson erschaffen, die allen Widrigkeiten zum Trotz
    ihr Leben in den Griff bekommen hat. Sie ist in früher Jugend mit der
    Polizei in Konflikt geraten und war heroinsüchtig. Sie ist beileibe
    nicht perfekt, aber gerade das macht sie menschlich und sympathisch.


    Einen klitzekleinen Kritikpunkt habe ich aber, und zwar bleibt eine
    Frage ungeklärt: wie kam das Monchichi in den Besitz von Christina Borg?
    Aber das tut der Qualität dieses Buches keinerlei Abbruch.


    Mein Fazit: absolut empfehlenswert!

  • Der erste Satz:


    Martha Jonas stand vor ihrem geöffneten Kleiderschrank und presste die Bakelit-Hörer noch enger an die Ohren.


    Meine Meinung:


    Für mich persönlich leider keine besonders spannende Thematik


    Die Leseprobe dazu habe ich vor ein paar Jahren gelesen, und weil die mir damals so gut gefallen hat, habe ich mir das Buch dann auch kurz danach gekauft. Als ich Zeugin der Toten vor ein paar Tagen dann aber zu lesen begonnen habe, konnte ich gar nicht mehr nachvollziehen, was ich vor den paar Jährchen so spannend daran fand. Ich hatte das irgendwie gänzlich fesselnder in Erinnerung. Nun gut. Ich war erst noch optimistisch, dass es mit steigender Seitenzahl besser wird...

    Tja: Nein! Es ist nicht besser geworden.
    Die Geschichte Deutschlands, die in dem Krimi hier auch eine große Rolle gespielt hat, war für mich als Österreicherin jetzt eher nicht so der Renner. Von Themen und Wörtern/Abkürzungen wie DDR, BND, MfS, Stasi, Mauerfall und dergleichen bin ich regelrecht erschlagen worden.
    Agenten und Spione: schön und gut und vor allem hört sich das nach mächtig Spannung an, aber wenn dann ständig von oben genannten Ausdrücken die Rede ist, wird es für mich schnell langweilig und ich drifte ab. - Gut, das ist alles wirklich sehr subjektiv, aber ich möchte es trotzdem erwähnen, für den Fall, dass es anderen Leuten ebenso geht, wenn sie solche Begrifflichkeiten lesen.

    Die Story fand ich eigentlich sehr gut und klingt laut Klappentext auch recht vielversprechend. Nur durch dieses ofte Abschweifen ist es mir ziemlich schwer gefallen, an der Geschichte dranzubleiben. Oder sie war generell so geschrieben, dass es schwer war Zusammenhänge zu erkennen. Ich kann's gar nicht so genau sagen. Jedenfalls war ich manchmal reichlich verwirrt. Phasenweise sind dann auch sehr viele verschiedene Namen aufgetaucht und da war es dann zusätzlich schwer nicht durcheinander zu kommen, weil die ganzen Spione unter Umständen gleich mehrere Decknamen, sprich Identitäten hatten, die erwähnt wurden, sodass das Namen-Chaos perfekt war.

    Leider konnte ich auch zu keinem einzigen Protagonisten 'durchdringen'. Nicht mal zu Judith selbst. Von ihr habe ich mir irgendwie mehr erwartet. Sie hat in ihrem Leben zwar schon sehr viel durchgemacht: Verlust der Eltern, ein schrecklicher Heimaufenthalt und eine wirklich schwierige Jugendzeit inkl. allen möglichen Süchten. - Dennoch, oder vielleicht auch gerade deswegen, habe ich kein Mitleid für Judith empfunden. Und Sympathie konnte ich auch keine aufbringen, dafür wirkte sie einfach zu distanziert und kühl.

    Alles in allem leider kein Buch für mich. Dafür, dass mir die Spannung einfach zu wenig, bzw. erst gegen Ende ein wenig vorhanden war, mir die Thematik großteils nicht zugesagt hat und ich mit den Charakteren nicht warm geworden bin, kann ich das Buch aus meiner Sicht nur bedingt weiterempfehlen.


    3 Sterne!