Kurzbeschreibung (amazon)
Hebamme, Fürstin, Hure — sie alle verbindet ein dunkles Geheimnis
Berlin
1828: Der jungen Hebamme Helene gelingt das Unmögliche, als man sie an
der Charité heimlich Medizin studieren lässt. Doch damit ruft sie auch
Gegner auf den Plan. Als eine plötzliche Serie von Abtreibungen mit
tödlichem Ausgang in den Berliner Bordellen für Aufruhr sorgt, richtet
sich der Verdacht schnell gegen Helene. Und tatsächlich hat sie sich
schuldig gemacht — doch anders als ihre Gegner denken ...
Helene
zieht es nach Berlin, wo sie Medizin studieren will, wohl wissend, dass
die Universität für Frauen kaum zugänglich ist. Um ihre ehrgeizigen
Pläne nicht zu gefährden, verweigert sie ihrer Schwester Elsa, die als
Schauspielerin Erfolge am Königlichen Hoftheater feiert, die erbetene
Abtreibung. Sie bereut es bald, denn Elsa sucht in den dunklen Winkeln
Berlins Hilfe, was sie beinahe das Leben kostet. Wenig später gibt
Helene daher dem Wunsch ihrer Schwester nach, einer Unbekannten von
offenbar hohem Stand bei der heimlichen Geburt ihres Kindes behilflich
zu sein. Helene wählt eine junge Hure aus der Charité als Amme. Eine
tödliche Gefahr für alle ...
Meine Beurteilung
"Wiegenlied" ist die Fortsetzung von "Die Hebamme" , die Handlung spielt in Berlin in den Jahren 1828/1829. In diesem Roman geht es um die beiden Töchter der Hebamme Gesa und des Arztes Clemens Heuser. Die ältere Tochter Elsa gerät als Schauspielerin in höchste gesellschaftliche Kreise, sie spielt sogar für den preußischen König. Ihre Schwester Helene ist in die Fußstapfen ihrer Mutter getreten und Hebamme geworden. Sie möchte allerdings gern Ärztin werden. Dies ist zur damaligen Zeit "offiziell" nicht möglich, sie darf aber durch Vermittlung ihres an der Charité sehr geschätzten Vaters bei den Ärzten Privatunterricht nehmen und so ihre Kenntnisse erweitern.
Die größte Herausforderung für die Ärzte und Hebammen der Entbindungsabteilung ist das Kindbettfieber, das an der Charité wütet, ohne dass man ihm Einhalt gebieten kann. Ein weiteres Problem besteht darin, dass immer wieder Frauen, meist sind es Prostituierte, an missglückten Abtreibungen sterben. Helene, die durch ihren Beruf Kontakte mit den Dirnen einiger Berliner Bordelle geknüpft hat, gerät schließlich selbst unter Verdacht...
Bei diesem Buch handelt es sich nicht um einen seichten "Die ...in" Historienroman mit einer Heldin, die in eine männliche Rolle schlüpft. Vielmehr ist hier ein betrübliches Thema der Medizingeschichte gut recherchiert aufbereitet. Die Autorin nimmt in gewisser Weise die späteren Ereignisse um den "Retter der Mütter", Ignaz Philipp Semmelweis, voraus und schildert sehr anschaulich - man sollte sagen "anrüchig"- das Leiden und Sterben der vom Puerperalfieber ergriffenen Wöchnerinnen. Diese Szenen sind recht drastisch und daher für empfindsame Gemüter weniger geeignet, für Interessenten medizingeschichtlicher Themen jedoch umso faszinierender.
Die charakterliche Ausgestaltung der Protagonisten bleibt etwas konturlos und nimmt nach meinem Empfinden hinter der Präsentation der medizingeschichtlichen Thematik eher eine Nebenrolle ein. Es gibt zwar auch etwas Liebesfreud und -leid, diese Irrungen und Wirrungen nehmen aber keinen allzugroßen Raum ein. Außerdem beinhaltet dieser Roman in einem parallelen Handlungsstrang Krimielemente, die jedoch meiner Meinung nach verzichtbar gewesen wären.
Vom Erzählstil ist "Wiegenlied" wie seinerzeit schon "Die Hebamme" ziemlich eigenwillig und nicht ganz einfach zu lesen. Selbst wenn man sich in den Sprachstil eingelesen hat, verlangt das Buch dem Leser Konzentration ab, da die Autorin reichlich Szenenwechsel und Gedankensprünge einbaut.
Mich hat dieser medizinhistorische Roman gut unterhalten, auch wenn ich ein Nachwort vermisst habe, in dem ich gern zusätzliche Informationen über die Geschichte der Charité und die historischen Persönlichkeiten der Zeit gelesen hätte.