Jon Kalman Stefansson – Himmel und Hölle / Himnariki og helviti

  • Kurzmeinung

    Sarange
    Ellenlange Ergüsse über Leben u. Tod mit gelegentl. Einschüben einer punktuell spannenden, meist zerfaserten Handlung.
  • Kurzmeinung

    freddoho
    Das Buch habe ich in Französisch gelesen, sehr schöne Texte. Nur die vielen Namen waren manchmal etwas mühsam.
  • Original: Himnariki og helviti (Isländisch, 2007)


    ZUM INHALT:
    Island, wohl vor einem guten Jahrhundert: Bardur und ein Waisenjunge, der schon viel verloren hat, sind unterwegs zu einer Ansammlung von Fischerhütten. Es verbindet sie neben der gemeinsamen Arbeit auch die Liebe zum geschriebenen Wort, zum Buch. Nach einer kurzen Nacht in einer Baracke mit ihren Bootskumpanen wird das Sechsmannboot auslaufen. Bardur kehrt nochmals zur Hütte zurück, um einen Vers nachzulesen und im Kopf, im Herzen zu behalten. Er vergisst seine Allwetterjacke. Auf hohem Meer sinkt die Temperatur und kommt Sturm auf. Als die Fischer zurückkehren ist Bardur erfroren. Sein Freund, der Junge, ist zutiefst getroffen, macht sich auf den Weg, um das Buch dem mürrischen, blinden Ausleiher – einem wahren Original! – zurückzugeben. Todessehnsucht überkommt ihn. Wird er im Dorfumfeld zum Leben zurückfinden?


    ANMERKUNGEN:


    Also wer die nordischen Atmosphären, Naturbeschreibungen und eine fast märchenhafte, parabelhafte Schilderungsweise liebt wird hier auf seine Kosten kommen!


    Dicke Freunde sind der ältere Bardur und der ungenannte Junge, der schon Eltern und Geschwister verloren hat und sich an seinen Kumpanen hängt. Im ersten von zwei in etwa gleichlangen Teilen mit jeweiligem Prolog werden die Menschen vor den Naturgewalten und im einfachen Miteinander vor und während der Ausfahrt und nach der Heimkehr wunderbar gezeichnet. Dazu kommt gerade für uns Büchernarren der Bezug auf die Leseleidenschaft unserer beiden Helden, die in den Worten und Versen Nahrung finden, und sogar in gewissem Sinne den Tod. Das gelesene und genossene Meisterwerk ist übrigens das „Paradise Lost“, 1658-1665 von John Milton geschrieben ( http://www.klassiker-der-weltliteratur.de/paradise_lost.htm )


    Im zweiten Teil macht sich der niedergeschlagene Junge mit Todesgedanken auf den Weg, um dem Besitzer und Ausleiher des Buches jenes zurückzugeben. Er wird sich in einem Dorf wiederfinden und schwanken zwischen dem Setzen eines Schlusspunktes oder dem langsamen sich neu Zurechtfinden in anderer Gesellschaft.


    In diesem zweiten Teil war ich zeitweise zunächst erstaunt, da sich das Augenmerk streckenweise auf verschiedene Bewohner des Dorfes richtet und man den Jungen aus den Augen verliert. Erst später meinte ich zu verstehen, dass wir so ein neues Umfeld vorgestellt bekommen: in gewissem Sinne „sesshafter“, statischer als die Bootsausfahrt. Auch hier wird das Thema der Lektüre eine entscheidende Rolle spielen...


    Eine echte Entdeckung und eine Empfehlung an den interessierten Leser!!!


    Schöne Leseeindrücke, auch mit einigen Zitaten, hier im Forum zu einem anderen Buch von Stefansson findet man hier:
    Der Sommer hinter dem Hügel von Jón Kalman Stefánsson


    ZUM AUTOR:
    Jón Kalman Stefánsson (* 17. Dezember 1963 in Reykjavík) ist ein isländischer Schriftsteller.Von 1975 bis 1982 verdiente Jón Kalman sein Geld mit den verschiedensten Arbeiten, so etwa in der Fischindustrie, als Maurer und für kurze Zeit auch als Polizist am Flughafen von Keflavík, wo er bis 1986 lebte. Von 1986 bis 1991 studierte er Literaturwissenschaft an der Hochschule von Island (Háskóli Íslands), ohne das Studium abzuschließen. Acht Jahre lang unterrichtete er Literatur an einer Schule in Akranes. Gleichzeitig verfasste er Artikel und Rezensionen für die Zeitung Morgunblaðið sowie für den nationalen Radiosender RÚV. Von 1992 bis 1995 lebte Jón Kalman in Kopenhagen, las, schrieb und zählte Straßenbahnen. Anschließend leitete er bis zum Jahr 2000 die Stadtbücherei von Mosfellsbær bei Reykjavík. Seitdem ist er freier Schriftsteller und lebt weiterhin in Mosfellsbær.


    In deutscher Übersetzung von Karl-Ludwig Wetzig sind auch erschienen:
    Der Sommer hinter dem Hügel (Skurðir í rigningu, 1996 und Sumarið bakvið Brekkuna, 1997)
    Das Licht auf den Bergen (Birtan á fjöllunum, 1999)
    Das Knistern in den Sternen (Snarkið í stjörnunum).
    Verschiedenes über Riesenkiefern und die Zeit (Ýmislegt um risafurur og tímann),
    Himmel und Hölle (Himnariki og helviti, 2007)
    Sommerlicht, und dann kommt die Nacht


    Gebundene Ausgabe: 231 Seiten
    Verlag: Reclam-Verlag Leipzig (4. Februar 2009)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3150208793
    ISBN-13: 978-3150208793

  • Aaaargh, mein Wunschzettel wird nie und nimmer kleiner werden. Das Buch
    hört sich ja richtig gut an! Danke für den Lesetipp, tom leo :D

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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  • Island ist ein literarisches Phänomen. Bei einer Einwohnerzahl von etwa 320.000 Menschen bringt diese Insel seit Jahrzehnten eine unverhältnismäßig große Zahl von Schriftstellern hervor. Selbst in der Gattung der Kriminalromane haben sich in den vergangenen zehn Jahren etliche isländische Autoren in die vorderste Reihe der europäischen Kriminalliteratur geschrieben.


    Jon Kalman Stefansson schreibt Romane und Texte über die Menschen in Island, ihre Kultur, ihre Arbeit, ihre religiösen Vorstellungen und immer und immer wieder ihr Verhältnis und ihre Bindung zur Natur, insbesondere zum Meer, das Island als Insel von allen Anfängen mit seinem Fisch ernährend und mit seinen Stürmen bedrohend umgibt.
    Seine letzten drei Romane ( alle bei Reclam ) "Verschiedenes über Riesenkiefern und die Zeit", "Das Knistern der Sterne" und "Sommerlicht, dann kommt die Nacht", in denen Stefansson zum Teil autobiographische Erfahrungen verarbeitete, hat der Rezensent nach deren Erscheinen jeweils begeistert besprochen und war nun auf Stefanssons neuen Roman entsprechend gespannt.


    In "Himmel und Hölle" - auch dieses Buch hat Karl-Ludwig Wetzig wie die anderen drei erwähnten sensibel ins Deutsche übertragen - geht Stefansson etwa 100 Jahre zurück und berichtet von der Lebenswelt und den harten Erfahrungen eines jungen Mannes, den er nur "den Jungen" nennt. Früh hat dieser seinen Vater verloren, der beim Fischen im rauen Meer ertrunken ist. Denn obwohl damals so viele Männer täglich mit ihren Ruderbooten zum Fang ausfuhren, schwimmen konnte kaum einer von ihnen. Aus der Perspektive dieser unzähligen Toten wird die Geschichte dieses beeindruckenden Romans erzählt: "Wir befinden uns in jener Zeit, in der wir ganz sicher noch gelebt haben..."


    Der Junge hat irgendwann die Begegnung gemacht mit einem anderen jungen Mann namens Barthur, dem er herzlich verbunden ist. Beide haben sich bei dem Fischer Petur verdingt, um mit aufs Meer zu fahren und die Netze nach dem Dorsch auszuwerfen, dem Hauptnahrungsmittel und der Haupterwerbsquelle der Menschen damals.
    Barthur hat von einem blind gewordenen ehemaligen Kapitän namens Kolbeinn, der 400 Bücher besitzt, ein 1823 von Jon Perlakssons übersetztes Exemplar von Miltons Das verlorene Paradies" ausgeliehen, und diese Dichtung und seine Verse ergreifen nicht nur von ihm Besitz, sondern sie bewegen auch seinen Freund, den Jungen. Besonders eine Zeile hat es ihnen angetan: "Nichts ohne dich ist süß."


    Wenn Stefansson die schon erwähnten Erzähler aus dem Totenreich nun diese Dichtung beschreiben lässt, liest sich das wie sein eigenes literarisches Programm:
    "Nichts ohne dich ist süß. Milton war auch blind, wie der Kapitän, ein englischer Dichter der mit fortschreitenden Alter erblindete. Er dichtete im Finstern und seine Tochter schrieb die Gedichte auf. Wir segnen ihre Hände dafür und wünschen ihnen, dass sie auch noch ein Leben neben den Gedichten hatten, hoffentlich durften sie auch einmal etwas Weicheres und Wärmeres halten als die dürre Schreibfeder. Manche Worte können wahrscheinlich die Welt verändern, sie können uns trösten und unsere Tränen trocknen. Manche Wörter sind Gewehrkugeln, andere Geigenklänge. Manche können den Eispanzer um das Herz zum Schmelzen bringen, und man kann sogar Wörter wie Lebensretter ausschicken, wenn die Zeiten schlecht sind und wir womöglich weder tot noch lebendig. Und doch taugen Worte nicht viel, und wir verirren uns auf den öden Hochlandheiden des Lebens und gehen verloren, wenn wir nichts als einen Stift zum Festhalten haben."


    Barthur verliert sich selbst im "Verlorenen Paradies", liest darin bis kurz vor der in einer wunderbaren Sprache geschilderten Abfahrt des Schiffes und vergisst darüber, seinen Anorak mitzunehmen. Auf hoher See, die die sechs Männer nach stundenlangem Rudern erreichen, ist das mitten im Winter bei heftig aufkommendem Sturm sein Tod. Als das Boot seinen Hafen wieder erreicht, ist Barthur erfroren.


    Stefansson schildert in einer sehr poetischen Sprache eindrücklich, wie die Menschen mit so einem Schlag umgehen. Besonders aber begleitet er seine Hauptfigur, den Jungen, bei seiner endlosen Trauer. Er lässt ihn vielen Menschen begegnen, deren Geschichten erzählt werden, eine schöne und bewegender, aber auch trauriger als die andere.


    Und er hat das Buch, das er Kolbeinn zurückbringen muss und die Gedichte:
    "Manche Gedichte entführen uns dorthin, wo keine Worte hinreichen, kein Denken, sie bringen uns an den Kern selbst, das Leben hält einen Atemzug inne und wird schön, es wird rein vor Sehnsucht und Glück. Manche Gedichte verändern den Tag, die Nacht, dein Leben. Manche Gedichte bringen dich dazu, zu vergessen, die Traurigkeit zu vergessen, die Hoffnungslosigkeit..."


    Auf seinem Weg zurück - Stefansson erzählt nur wenige Tage aus dem Leben des Jungen - begegnet der Junge nicht nur jenem blindem Kapitän, dem das Buch gehört, sondern er findet Wärme und Halt auch bei Geirpruthur, die schon Kolbeinn aufgenommen hatte in ihr Haus, und deren bewegte und ungewöhnliche Geschichte erzählt wird.
    Sie berühren den Jungen in seiner Trauer und irgendwann kann er seinen toten Freund loslassen und sich dem Leben zwischen "Himmel und Hölle" wieder zuwenden.


    Ein wunderbares, poetisches Buch eines Schriftstellers, der hierzulande noch viel zu wenig Beachtung findet.

  • Danke, Winfried, für diese erhellenden Kommentare!


    "Der Schmerz der Engel" (siehe unten) ist eine Anknüpfung und Fortführung an jenen Roman! Und zweiter Roman einer geplanten Trilogie.


    Kurzbeschreibung
    In den Wintern sind die Nächte dunkel und still, wir hören die Fische auf dem Meeresgrund atmen. Der Schnee fällt so dicht, dass er Himmel und Erde miteinander verbindet. Während der Junge den anderen bei Schnaps und heißem Kaffee in der Gaststube aus William Shakespeares »Hamlet« vorliest, entrinnt Jens, der Postmann, knapp dem Tod: Festgefroren auf seinem Pferd, erreicht er unterkühlt und mit letzter Kraft die Herberge, im Gepäck zwei Leichen und die wohlbehaltene Postkiste. Auf seine nächste Reise in die weiten Fjorde wird der Junge ihn begleiten. Und beide müssen für ein ungewöhnliches Poststück ihr Leben aufs Spiel setzen.


    Pressestimmen
    »Jón Kalman Stefánsson macht den Kampf der Menschen gegen die Naturgewalten fühlbar, seine Erzählkunst erreicht neue Gipfel, sein Roman ist purer Zauber und bewegt seine Leser zutiefst … Einfach meisterhaft – nach diesem Roman sieht man den Tod und die Liebe mit anderen Augen.« Víðsjá »Einer der besten isländischen Erzähler seit Halldór Laxness. Seine Romane sind reine Poesie.« Kristof Magnusson »Jón Kalmar Stefánssons Roman Der Schmerz der Engel ist ein poetisches Kräftemessen von isländischer Naturgewalt und menschlicher Seele. (…) `Es gibt Bücher´, lässt er seinen Protagonisten, den Jungen, sagen, `die dich zweifeln machen, sie machen dich mit Abgründen bekannt.´ Ein solches Buch hat Stefánsson selbst geschrieben.« Süddeutsche Zeitung »Der Schmerz der Engel von Jón Kalman Stefánsson erzählt poetisch, wie er sich mit einem Waisenjungen, der ihn begleiten soll, allen Naturgewalten stellt. Dabei kommen sie den großen Fragen zu Liebe und Tod sehr nah.« Freundin - Donna »Die Romanhelden von Jón Kalman Stefánsson werden geschüttelt von Meeresstürmen und Eisregen. (…) Den Naturgewalten setzt der 47-jährige Autor, ein feinsinniger, wie bescheidener Mensch, die Kraft der Poesie entgegen: „Wir sitzen in einem morschen Ruderboot mit ein brüchigen Netz und wollen Sterne fischen“ Das ist der Roman ja selbst: ein hell leuchtender Stern. « Westdeutsche Allgemeine Zeitung »Schlicht und ergreifend, wie Island leben.« Grazia »In der kunstvollen, soghaften Beschreibung dieser Reise erlebt der Leser die sinnstiftende Wirkung, die Literatur und besonders die Poesie für den Jungen haben, auf einer anderen Ebene nach.« Münchner Merkur »Ein bewegender, stimmungsvoller Roman, in dem es um die großen Themen geht: die Liebe und den Tod.« Freundin »Das Buch des renommierten 48-jährigen Autors ist eine Hommage an frühere Generationen, die zäh und unverdrossen um ihr Überleben auf der gottverlassenen Nordmeerinsel kämpften. « Neue Zürcher Zeitung »Eine archaische, eine meisterhafte Abenteuergeschichte.« Berner Zeitung »Stefánsson erzählt diese Geschichte von zwei Männern im Eis packend wie einen Actionthriller, ohne dabei die Schönheit der Sprache, die Lust am Philosophieren und Fabulieren aus den Augen zu verlieren. Auf diese Weise werden 340 Seiten Schneetreiben an keiner Stelle langweilig.« Kurier am Sonntag »Jón Kalman Stefánsson (…) erzählt mit sehr viel Poesie die Geschichte des Mannes und des Waisenjungen, die sich den Naturgewalten stellen. Was fasziniert, ist die anspruchsvolle Sprache. Das Buch ist eine Hommage an frühere Generationen, die zäh und unverdrossen um ihr Überleben auf der Nordmeerinsel kämpfen.« Siegener Zeitung


    (Quelle: Amazon)

  • Den Inhaltsangaben der vorherigen Rezis kann ich nichts weiter hinzufügen, aber gerne möchte ich noch meine persönlichen Leseeindrücke schildern:


    Selten habe ich einen Roman gelesen, der so intensiv von der nordischen, kühlen Atmosphäre lebt! Die Sprache ist sehr poetisch, lässt sich aber ohne „übertriebene Gefühlsduselei“ sehr gut lesen.


    Zitat

    „...denn auf Island gibt es ja nichts zu sehen bis auf Berge, Wasserfälle, Wiesenhöcker und dieses Licht, das durch dich hindurchgehen und dich zum Dichter machen kann. - S. 129“


    Die Naturbeschreibungen mit den Bergen, dem Fjord, den Stürmen, etc. geben dem Leser nicht nur das Gefühl, in dieser ungastlichen Region ausgesetzt zu sein,


    Zitat

    „Der Polarwind pfeift, gewinnt mit jeder Minute an Stärke und spuckt Schneeflocken vor sich her. ...und das Eismeer hat kein Interesse mehr an diesem Boot, an diesem Hölzchen mit seinen Menschen drauf, und jetzt bricht der Sturm los. - S. 77“


    sondern schaffen auch eine recht beklemmende Stimmung:


    Zitat

    „Die Kälte hat sein Herz erreicht, ist hineingekrochen, und damit schwand alles, was ihn zu dem gemacht hat, was er einmal war. - S. 88“


    Die Geschichte des namenlosen Jungen und seinem erfrorenem Freund bildet die Rahmenhandlung, allerdings lernt der Leser noch viele andere Bewohner der Fischerhütten und des Dorfes näher kennen. Und diese Menschen mit ihren Lebensläufen und Problemen waren nicht minder interessant und es macht überhaupt nichts, dass zeitweise die Erzählung des Jungen etwas verloren geht. Wichtiger als die konkrete Geschichte, ist das Gefühl das beim Lesen vermittelt wird. Und diese unterschiedlichen Einblicke sind schön und bewegend, aber auch ziemlich traurig, und am Ende hinterlässt das Buch den Leser recht schwermütig zurück.


    Ein hervorragendes Buch und der oben erwähnte Nachfolgeband „Der Schmerz der Engel“ ist bereits von meiner Wunschliste auf den SUB gewandert und wird sicherlich bald gelesen werden!

  • Gerade habe ich die französische Ausgabe beendet und bin beeindruckt von den schönen Texten. Manchmal habe ich mich mit den vielen Namen nicht zurechtgefunden. Ansonsten ein schönes Buch, mit einigen amüsanten Redewendungen, die die eher triste Geschichte im dunklen Norden etwas aufhellen. Ansonsten kann ich mich meinen Vorrednern nur anschliessen und freue mich auf Band 2.

    ☆¸.•*¨*•☆ ☆¸.•*¨*•☆ La vie est belle ☆¸.•*¨*•☆☆¸.•*¨*•☆

  • Übersetzer: Karl-Ludwig Wetzig


    Verlagstext

    Island, vor etwa 100 Jahren: Ein namenloser Junge und sein bester Freund Bárður verdienen mit dem Dorschfang ihr Geld, wenngleich ihre wahre Leidenschaft der Poesie gilt. Eines Morgens verliert sich Bárður jedoch so sehr in den Versen des Dichters Milton, dass er darüber vergisst, seinen Anorak mit aufs Fischerboot zu nehmen. Auf dem offenen Meer, umgeben von eisigen Polarwinden, bezahlt er dafür mit seinem Leben. Vom Tod des Kameraden erschüttert, plagen den Jungen fortan Fragen über sein eigenes Dasein: Wozu lebt er? Hat er es verdient zu leben? Und soll er sich der Ungewissheit der Zukunft stellen?


    Der Autor

    Jón Kalman Stefánsson, geboren 1963 in Reykjavík, lebte einige Jahre in Dänemark, bevor er sich mit seiner Familie in Mosfellsbær auf Island niederließ. Er zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern des Landes, sein Werk ist preisgekrönt und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Für seinen Roman »Sommerlicht, und dann kommt die Nacht« erhielt Stefánsson im Jahr 2005 den isländischen Literaturpreis. Den internationalen Durchbruch bescherte ihm der Roman »Himmel und Hölle«, erster Teil einer Trilogie, dem »Der Schmerz der Engel« und »Das Herz des Menschen« folgten.


    Inhalt

    Dorsch wurde vor 100 Jahren von offenen Ruderbooten aus mit Angelleinen gefischt. Sechs Mann gehörten zu einer Bootsbesatzung, die geschmiedete Haken mit Ködern besteckten, stundenlang auf den Fjord hinaus ruderten und - oft in Schnee und Eis - die Leinen mit ihrem Fang wieder einholten. Kaum einer der Männer konnte schwimmen; im eisigen Wasser hätte ihm das auch wenig genützt. Kenterte ein Boot, starben dabei oft Brüder oder Vater und Sohn. Im Leben der Männer besteht Glück aus Wärme, Licht und Tabak. In solch einem Sechser-Team arbeiten ein Junge, dessen Name nicht genannt wird, und sein Kamerad Bárdur. Die ganze Härte ihres Lebens wird in der Szene deutlich, als Àrni 6 Stunden zu Fuß nachhause marschiert, um seine Frau vor dem Auslaufen noch einmal zu sehen. Bárdur und der Junge lesen in jeder freien Minute. Ihre Bücher leihen sie sich bei dem legendären blinden Kapitän Kolbeinn aus, von dem man munkelt, er würde 400 Bücher besitzen. Lesen ist Verschwendung von Zeit und Licht, finden die anderen Männer. Als Bárdur, vertieft in John Milton, beim Auslaufen seinen Anorak an Land vergisst, kostet ihn das sein Leben. Vor den Augen der Männer gefriert der nasse Schnee auf Bárdurs Wollpullover und er erfriert, noch ehe das Boot zurückgekehrt ist. Mancher wird Bárdurs Tod seiner Sehnsucht zuschreiben nach allem, was außerhalb des Fjordes existiert; durch seinen Wissensdurst hat er aber auch den Rest der Mannschaft in Gefahr gebracht …


    Der Junge verlässt die Mannschaft und marschiert mitten im Winter in den Ort zurück, aus dem Bárdur und er einmal an die Küste gekommen sein können. Er will Kolbeinn sein Buch zurückzubringen, entschlossen dann selbst aus Kummer um Bárdur zu sterben. Vom archaischen Kampf gegen das Meer aus einer Nussschale heraus vollzieht er damit einen Szenenwechsel in einen Ort mit Handel, Gasthaus und einem wohlhabenden Bürgertum, das sich Dienstboten, große Häuser und Bildung leisten kann. Der Wohlstand, aus dem heraus Kolbeinns privater Bücherverleih entstanden ist, wirkt beinahe obszön im Vergleich zum harten Leben der Dorschfischer.


    Fazit

    Erzählt wird die Geschichte in wunderbarer Sprache von einem allwissenden Erzähler (auch er könnte aus Bárdurs Dorf stammen), der die Dramatik der Ereignisse mit feiner Ironie abfedert. Ein zeitloser Roman über den Hunger nach Bildung, der zu den in Fischereimuseen ausgestellten Dorschleinen die Geschichte der Fischer erzählt.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Auf diesen Roman freue ich mich auch schon sehr.


    Aktuell habe ich gleich zweimal "Himmel und Hölle" auf dem Reader. :lol: Neben diesem Buch hier noch einen Band Erzählungen von Alice Munro. Es scheint ja ein sehr beliebter Titel zu sein, auf amazon sind noch etliche andere Bücher darunter gelistet. :lol:

    :study: Han Kang - Griechischstunden

    :study: Nadia Murad - Ich bin eure Stimme

    :study: I. L. Callis - Doch das Messer sieht man nicht

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :montag: Deb Olin Unferth - Happy Green Family (Reread)





  • Auf diesen Roman freue ich mich auch schon sehr.


    Aktuell habe ich gleich zweimal "Himmel und Hölle" auf dem Reader. :lol: Neben diesem Buch hier noch einen Band Erzählungen von Alice Munro. Es scheint ja ein sehr beliebter Titel zu sein, auf amazon sind noch etliche andere Bücher darunter gelistet. :lol:

    ... und ich denke, dass beide Autoren, bzw Bücher Gutes verheißen!

  • Da sich auf den letzten Seiten nichts mehr an meinen Leseeindrücken geändert hat, übernehme ich hier leicht angepasst meinen Beitrag aus dem "Das Buch, das alle toll finden, nur du nicht"-Thread:



    Bei diesem Buch bin ich Geisterfahrerin.


    Das ist schade - ich wollte es gern mögen, aber es gelingt mir einfach nicht. Mir gehen diese ellenlangen philosophischen Betrachtungen zum Leben und Tod im Allgemeinen nur noch auf die Nerven. Anfangs habe ich sie noch gern gelesen und als Einschübe in die - durchaus interessante - Handlung rund um die Ausfahrt zum Fischen wahrgenommen. Nun, nach etwa zwei Dritteln, habe ich jedoch eher das Gefühl, das Buch besteht umgekehrt hauptsächlich aus diesen allgemeinen philosopischen Betrachtungen eines über allem schwebenden, an keiner Figur so recht festzumachenden auktorialen Möchtegern-Spiritus-Rector mit gelegentlichen Einschüben von Handlung. Diese langen Auslassungen sind für meinen Geschmack viel zu lose mit den Figuren und der Handlung verknüpft, sodass sie einen Grad von Beliebigkeit erreichen, der mich langweilt. Wer meinen Lesegeschmack kennt, weiß, dass ich ruhige Romane mag und auch vor philosophischen Betrachtungen an sich nicht zurückschrecke, aber diese hier nehme ich nicht als gelungen und interessant wahr und habe sie über weite Strecken nur noch überflogen.


    Dann wiederum gibt es so grandiose Dialoge wie den zwischen dem jungen Zimmermädchen, das sich aus Sicht der Leute "hochgeheiratet" hat, und der Pfarrersfrau, die der jungen Frau vergeblich zu verdeutlichen versucht, wie dankbar sie doch gefälligst dafür zu sein habe, dass der alte reiche Mann sie geheiratet hat und dass die Gattinnen der Honoratioren im Ort sie so bereitwillig in ihre besseren Kreise ausgenommen haben - die schlagfertigen und trockenen Erwiderungen der jungen Frau sind einfach herrlich.


    Leider haben die lesenswerten Passagen mir nicht für eine gute Gesamtbewertung gereicht - der Eindruck eines zerfaserten und unausgegorenen Werkes überwiegt bei weitem.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    :study: Han Kang - Griechischstunden

    :study: Nadia Murad - Ich bin eure Stimme

    :study: I. L. Callis - Doch das Messer sieht man nicht

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :montag: Deb Olin Unferth - Happy Green Family (Reread)





  • Schade, dass es nicht gepasst hat, Sarange ! Dabei hätte ich wetten mögen, dass es Dir zusagt. Ich las die Trilogie sehr gerne und wollte schon längst mal wieder etwas von dem Schriftstseller lesen...

    Dir zu sagen, dass der Zyklus noch besser wird und der dritte Teil der beste ist, wäre natürlich Quatsch - der Stil bleibt ja weiterhin der gleiche.

    Aber nachdem Dir einzelne Passagen gefielen, magst Du Stefánsson vielleicht doch nochmals eine Chance geben? - nämlich mit diesen Geschichten über einzelne Dorfbewohner, die zwar für sich stehen, aber am Ende ein schönes Mosaik ergeben?!

  • Nungesser Danke für deinen Kommentar! :winken: Ich habe durchaus nicht endgültig mit Stefánsson abgeschlossen - aber wie du schon richtig vermutest, werde ich meine Finger von den anderen Bänden dieser Trilogie lassen. :lol: Die Beschreibung deines Buchtipps klingt interessant, und es ist gut, dass du gleich erwähnt hast, dass auch dieses wieder eher ein Mosaik darstellt. Bei einem "Roman", wie das Cover ja behauptet, erwarte ich eine durchgehende Handlung. :-k Aber das scheint nicht so Stefánssons Ansatz zu sein... :lol: Dafür tauchen offenbar in jedem seiner Werke bildungshungrige Fischer oder Bäuerinnen auf?! :study: :thumleft:

    :study: Han Kang - Griechischstunden

    :study: Nadia Murad - Ich bin eure Stimme

    :study: I. L. Callis - Doch das Messer sieht man nicht

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :montag: Deb Olin Unferth - Happy Green Family (Reread)





  • ... Dafür tauchen offenbar in jedem seiner Werke bildungshungrige Fischer oder Bäuerinnen auf?! :study: :thumleft:

    Das finde ich für Island und Skandinavien nicht untypische. Lange Winter zum Lesen, erstaunlich viele Autoren pro Bevölkerung und Menschen, die vielseitig sein müssen, um zu überleben.

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow