John Boyne - Der freundliche Mr. Crippen / Crippen

  • Es ist mir bei John Boyne auch wirklich arg, schlechte Rezis abzugeben, denn im Allgemeinen liebe ich die Thematik und den Zeitrahmen, die er für seine Romane wählt. Dass es für mich bei der Umsetzung hapert, ist bestimmt nicht Boynes Problem.

    das muss es doch nicht sein - er trifft halt einfach nicht Deinen Lesegeschmack und Du begründest es ja auch. Das darf doch jeder sagen. :) Ich hab auch schon bei so manchen Bestsellern festgestellt, dass es keine Bücher für mich sind, und hab auch keine Hemmungen, dass dann zu sagen.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

    :study: Mike Dash - Tulpenwahn


  • Danke, liebes Hörnchen! :friends: Ich lasse mir bestimmt nicht den Mund verbieten. Es geht mir auch mehr um mich selbst als um die Boyne-Verteidiger. Denn wie gesagt: er trifft oft meinen Nerv mit seinen Themen. Boyne schreibt ganz eigene Sachen und schert sich wenig um Mainstream, das möchte ich ihm gern zugute halten. Nur leider ist das für mich der einzige Anreiz, seinen Romanen Beachtung zu schenken, bis ich merke, dass ich seinen Stil nicht mag. Ein ziemliches Dilemma - für Boyne, und vor allem für mich. :wink:

  • Die Hauptfigur Matthieu Zela ist offenbar so eine Art von "Zeitenwandler", der in mehreren Romanen von John Boyne kurze Gastauftritte hat.

    Hmmm, tolle Figur, dieser Monsieur Zéla!
    Welches Boyne-Buch sollte ich als nächstes kaufen, wenn ich ihn in einer tragenden Rolle erleben möchte?


    Ich habe "Crippen" sehr schnell gelesen, es ist mein erster Boyne und ich habe den Schreibstil wirklich sehr genossen. So sehr, dass ich mich nur ganz schlecht von dem Buch lösen konnte, am liebsten hätte ich es in einem Rutsch "gefressen".
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

  • Welches Boyne-Buch sollte ich als nächstes kaufen, wenn ich ihn in einer tragenden Rolle erleben möchte?

    Eine Hauptrolle spielt er wohl nur in diesem Roman, den ich aber noch nicht gelesen habe. In anderen Büchern kommt er als Randfigur vor, das scheint so eine Art "Insider-Gag" von John Boyne zu sein. :wink:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Dass John Boyne zu meinen Lieblingsautoren gehört, ist nichts Neues. Doch dieses Buch gehört m.E. zu seinen schwächeren.


    Dass der Autor fast sämtliche Frauen schlecht wegkommen lässt, sie mit den denkbar schlimmsten Eigenschaften ausstattet, sei ihm unbenommen. Wenn allerdings sämtliche Frauen mit denselben schlimmen Eigenarten behaftet sind, schmeckt mir das nach Einheitsbrei. Alle (bis auf Ethel und die bedeutungslose Nebenfigur Martha Hayes) sind falsch, laut, von sich selbst überzeugt, machen sich selbst etwas vor, kriechen in die eine Richtung und treten in die andere. Die schrecklichste von allen ist Cora Crippen, ihr ähneln Louise Smythson, Antoinette Drake plus Tochter Victoria, Margaret Nash; sie alle könnten Schwestern sein.


    Wie in „Das Haus zur besonderen Verwendung“ nimmt Boyne sich eine historische Episode vor und schafft eine eigene Fiktion daraus. Was allerdings bei Dr. Crippen schief geht.


    Auch wenn der Autor seine Theorie vielleicht nicht ernst meint, sondern einfach mit den Möglichkeiten spielt, die der Fall Crippen bietet, müsste das Ganze doch wasserdicht sein, um zu funktionieren.


    @Yael , was dieses Buch angeht, sind wie uns ziemlich einig, aber wir dürften uns sicher auch einig sein, dass es nicht zur Dutzendware gehört, die in diesem Fred erwähnt und bedauert wird. :) Auch ein schwächerer Boyne ist in meinen Augen immer noch ein lesenswertes Buch.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • John Boyne ist meiner Meinung nach ein guter Autor, trotzdem waren bei den vier Büchern, die ich bisher von ihm gelesen habe, von zwei bis vier Sternen in meinen Bewertungen schon alles dabei.


    Dieses Buch hat mir sehr gut gefallen, dennoch habe ich ein paar Kritikpunkte:


    Die Geschichte beginnt sehr gemächlich. Die ersten Kapitel waren durchaus nicht langweilig, aber auch nicht wirklich spannend. Erst als die Rückblenden ins Leben von Dr. Crippen begannen, wurde es für mich interessant. Die Szenen auf der SS Montrose blieben für mich aber stets die weniger einnehmenden. Viele dieser Szenen an Bord, genauso wie die, die im Haus der Crippens bei den Dinnerpartys spielen, haben mich zum Augen verdrehen gebracht, weil sie einfach so übertrieben und klischeeüberladen dargestellt waren.


    Die Charaktere kommen allesamt unglaublich klischeehaft daher. Die einzige Ausnahme machen meiner Meinung nach Matthieu Zéla und Martha Hayes. Da war ich doch enttäuscht vom Autor. Insgesamt kommen die weiblichen Figuren in diesem Roman nur ganz schlecht weg. Sie sind penetrant, nervig, egoistisch, arrogant, und noch viel, viel schlimmeres.


    ABER trotz alledem war der Schreibstil toll und ich habe das Buch gern gelesen. John Boyne lässt ein unschönes geschichtliches Ereignis zu einer guten Geschichte werden und findet ganz neue Wendungen und Möglichkeiten, wie es hätte sein können.


    Auch wenn es irgendwie makaber klingt, da das Buch ja auf wahren Begebenheiten beruht, aber ich fühlte mich sehr gut unterhalten und kann daher über meine o.g. Kritikpunkte großzügig hinwegsehen. Von mir gibt es :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: Sterne und eine Leseempfehlung :thumleft:

  • Dass der Autor fast sämtliche Frauen schlecht wegkommen lässt, sie mit den denkbar schlimmsten Eigenschaften ausstattet, sei ihm unbenommen. Wenn allerdings sämtliche Frauen mit denselben schlimmen Eigenarten behaftet sind, schmeckt mir das nach Einheitsbrei. Alle (bis auf Ethel und die bedeutungslose Nebenfigur Martha Hayes) sind falsch, laut, von sich selbst überzeugt, machen sich selbst etwas vor, kriechen in die eine Richtung und treten in die andere. Die schrecklichste von allen ist Cora Crippen, ihr ähneln Louise Smythson, Antoinette Drake plus Tochter Victoria, Margaret Nash; sie alle könnten Schwestern sein.

    Ja, das habe ich ganz genauso empfunden und war genau das, was mich so zum Augen verdrehen gebracht hat. Da hätte ich durchaus mehr erwartet und fand das etwas schade.


    Das, was du, Marie, in deinem Spoiler schreibst, sehe ich ebenfalls genauso, vor allem, da

    Allerdings hat mich dieser Fakt tatsächlich nicht so sehr gestört.

  • John Boyne hat es in diesem Roman geschafft, dass ich zum Schluss keinen seiner Charaktere gemocht habe. Jeder von ihnen hat Eigenschaften, die sie oder ihn mir anfangs sympathisch gemacht haben. Aber im Verlauf der Handlung habe ich meine Meinung geändert. Die einzige Ausnahme war vielleicht Billy Carter, auch wenn der mir mit seiner jugendlichen Arroganz manchmal ein wenig auf die Nerven gegangen ist.


    Was dem Autor aber gut gelungen ist: er hat mir einen Blick ins Seelenleben seiner Protagonisten gewährt, so dass ich zumindest verstehen konnte, was sie zu ihrem Handeln gebracht hat. Gerade bei Dr. Crippen hat er mich ein paar Mal überraschen können, denn so, wie er ihn anfangs beschrieben hat, hätte ich die spätere Entwicklung nicht erwartet. Besonders, was die Ehe mit Cora betrifft, hat sich die Geschichte in eine ganz andere Richtung entwickelt, als ich anfangs vermutet habe.


    Trotzdem hat mir Hawley Crippen als Protagonist mit seiner Mischung aus Schwäche und Selbstmitleid nicht gefallen. Sicher waren die seiner Erziehung geschuldet, aber ich hätte mir gewünscht, dass er sein Schicksal nicht nur erträgt, sondern in seine eigenen Hände nimmt.


    Dass der Roman mir trotz der Abneigung gegen die meisten Personen, die mir darin begegnet sind, trotzdem gut gefallen hat, ist eine Kunst, die nur wenige Autoren für mich beherrschen.

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