John Boyne - Der freundliche Mr. Crippen / Crippen

  • Zum Inhalt ( Quelle:/www.fantasticfiction.co.uk/b/john-boyne/crippen.htm )


    July 1910: a gruesome discovery has been made at 39 Hilldrop Crescent,
    Camden. Buried in the cellar are the remains of Cora Crippen, former
    music-hall singer and wife of Dr Hawley Crippen. But Dr Crippen and his
    mistress Ethel Le Neve have disappeared, and a full-scale hunt for them
    has begun. Across the Channel in Antwerp, Captain Kendall gives the
    order for the SS Montrose to begin its two-week voyage to Canada. On
    board are 1300 passengers, including the overbearing Antonia Drake, the
    unassuming Martha Hayes and the enigmatic Mathieu Zela. And, slipping in
    almost unnoticed, a Mr John Robinson with his seventeen-year-old son
    Edmund ...



    Meine Beurteilung


    "Crippen" vereint die Merkmale eines biographischen Romans, eines historischen Romans und eines Krimis. Da John Boyne sein Buch in einem dem Buchtext folgenden Interview als "the first completely historical book" seiner Schriftstellerkarriere bezeichnet, ordne ich es in der Rubrik "Historische Romane" ein.
    Die Handlung des Romane basiert auf dem wahren Fall der 1910 ermordeten Cora Crippen, deren in viele Einzelteile zerlegte Leiche im Keller ihres Wohnhauses gefunden wurde. Ihr Mann, Dr. Harvey Crippen , der zunächst behauptet hatte, seine Frau habe ihn wegen eines anderen Mannes verlassen und sich nach Amerika abgesetzt, schiffte sich mit seiner Geliebten Ethel le Neve nach Kanada ein, als Scotland Yard im Fall seiner vermissten Frau zu ermitteln begann. Crippen reiste mit seiner Geliebten als Mr.Robinson und Sohn Edmund auf der Montrose von Antwerpen nach Quebec. Der Kaptän des Schiffs, Mr Kendall, erkannte das Paar, als er eine englische Zeitung mit Crippens Steckbrief las. Dank des brandneuen Telegraphen an Bord schickte er eine Meldung nach Scotland Yard, woraufhin der zuständige Beamte Inspector Walter Dew ein schnelleres Schiff bestieg, die Montrose einholte und Crippen kurz vor dessen Ankunft in Kanada noch auf See festnehmen konnte.
    Crippen wurde des Mordes für schuldig befunden und am 23.11.1910 gehängt, Ethel le Neve wurde vom Vorwurf der Mittäterschaft freigesprochen und verbrachte den Rest ihres Lebens in Toronto.
    An dem historischen Mordfall ist vieles noch ungeklärt, niemand weiß genau, was sich in der Mordnacht abgespielt hat. John Boyne hat diese Lücken schriftstellerisch aufgefüllt und bietet eine Version dar, wie es gewesen sein könnte. Dabei gliedert er den Roman in 19 Kapitel und einen Epilog. Die Kapitel beschreiben abwechselnd die in der Festnahme Crippens gipfelnde Reise auf der Montrose (Ende Juli 1910) und das gesamte frühere Leben Crippens, angefangen von seinen Kinderjahren unter der Fuchtel einer fanatisch religiösen Mutter, das in gewisser Weise für seine Beziehung zu Frauen richtungsweisend wurde, bis zum dramatischen Schlusspunkt unter seine Ehe, in der er von seiner Frau drangsaliert, gedemütigt und sogar tätlich angegriffen wurde.
    Boyne entwirft die Charaktere sowohl der historischen als auch der fiktiven Figuren mit viel Liebe zum Detail und einer Menge Humor. Allerdings muss man ihn bei dieser Lektüre der Misogynie verdächtigen, da die Frauen insgesamt sehr schlecht wegkommen. Sie sind größtenteils egoistische, heuchelnde Emporkömmlinge und Klatschweiber, die nach Geld, Titeln oder Prominenz gieren. Paradoxerweise ist Crippens Geliebte Ethel die einzige Frau, die aufrichtige Gefühle hat und nicht nur auf ihren Vorteil bedacht ist. Auch wenn manches ein wenig überzeichnet scheint, gibt es auch im 21. Jhdt solche Exemplare. :wink:
    Die Handlung ist gut - und teilweise recht überraschend - konstruiert, der Leser wird feststellen, dass er es sich zu einfach macht, wenn er meint, den weiteren Verlauf absehen zu können...
    John Boyne zeichnet ein anderes Bild von Crippen als das des "irren Mörders" als der er, nicht zuletzt wegen seines Standort im "chamber of horrors" bei Madame Tussaud´s in London berüchtigt geworden ist. Es ist ein Bild, das durchaus denkbar ist.
    Dieser Roman hat mich ausgezeichnet unterhalten und in seinen schonunglosen Charakterzeichnungen amüsiert. Schade, dass er offenbar bisher nicht ins Deutsche übersetzt wurde ! Für Leser mit guten Englischkenntnissen vergebe ich eine unbedingte Leseempfehlung. :thumleft:


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Crippen wurde des Mordes für schuldig befunden und am 23.11.1910 gehängt


    Die Kapitel beschreiben abwechselnd die in der Festnahme Crippens gipfelnde Reise auf der Montrose (Ende Juli 2010)


    €nigma
    Du meinst doch sicher 1910...? :-k Soll ich gegebenenfalls für dich editieren? :wink:


    Schade, dass er offenbar bisher nicht ins Deutsche übersetzt wurde !


    DAS ist wirklich schade! :(

  • €nigma
    Du meinst doch sicher 1910...? :-k Soll ich gegebenenfalls für dich editieren? :wink:


    :uups: :pale: Wie peinlich! Ja, natürlich meine ich 1910.
    Es wäre nett, wenn Du das editieren könntest. :wink:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • John Boyne schätze ich als Autor von Romanen mit einem realen historischen Hintergrund. Auch für diesen Roman hat er einen solchen gewählt. Der Mord an Cora Crippen bewegte im Jahr 1910 die Gemüter in Großbritannien und weit darüber hinaus. Dieses Thema ist mehrfach verfilmt worden und auch in der Gegenwart noch bekannt. „Crippen“, die englischsprachige Erstausgabe dieses Romans, erschien bereits im Jahr 2004.


    Auch mit diesem Roman schaffte John Boyne, mich ans Buch zu fesseln. Der Sprachstil ist sehr angenehm. Obwohl ich wusste, wie der Fall Crippen letzten Endes ausgeht, wollte ich stets wissen, wie geht es im Buch weiter. Es ist bekannt, dass es sich bei dem Mordprozess um einen sogenannten Indizienprozess handelte. Noch heute bestehen begründete Zweifel am Ablauf der Tat, an der Schuld des Hawley Crippen und vor allem an der Identitä des Opfers. Von John Boyne wird auch vermittelt, dass es mehr als eine Version des damaligen Geschehens gibt. Hinsichtlich des Tatverlaufs und der Täterschaft stehen verschiedene Möglichkeiten im Raum. Für mich als routinierte Krimi- und Thrillerleserin ist die Variante, nicht Crippen selbst habe seine Frau ermordet, nicht schlüssig genug dargestellt, sie birgt einige Ungereimtheiten. Schon der Fundort der Leiche weckt in mir größere Zweifel.



    Aber gerade diese Widersprüche lassen mich fragen, waren diese wohl so beabsichtigt oder sind dem Autor handwerkliche Fehler unterlaufen? In den anderen Romanen von John Boyne sind mir ähnliche Fragwürdigkeiten bislang noch nicht aufgefallen.


    In den 19 Kapiteln wechselt John Boyne immer wieder die Perspektive. Er berichtet unter anderem von der Flucht und Entlarvung auf dem Passagierschiff, von der Vergangenheit des Hawley Crippen, von den Zweifeln im Bekanntenkreis der Crippens und den Ermittlungen und der Verfolgung durch Scottland Yard.


    Alles in allem bietet „Der freundliche Mr Crippen“ 560 Seiten solide Unterhaltung. Auch wenn ich mich an den genannten Punkten etwas stoße, habe ich den Roman doch gern gelesen.

  • Im Rahmen dessen, dass ich John Boyne nach der Lektüre zweier seiner Bücher sehr schätzen gelernt habe, liebäugele ich neben dem "Schiffsjungen" auch immer wieder mit diesem Roman. Dabei bin ich hier über die Eingruppierung als zweiten Band einer Reihe gestolpert. Jetzt stellt sich mir die Frage: "Muss" man den ersten Band eigentlich gelesen haben oder funktioniert "Crippen" auch gut ohne "Thief of time" ???

    "Imagination, rather than mere intelligence, is the truly human quality."


    "Chaos is found in greatest abundance wherever order is being sought. It always defeats order, because it is better organized."

    Terry Pratchett

    "The person, be it gentleman or lady, who has not pleasure in a good novel, must be intolerably stupid."

    Jane Austen


    :study:

    Alex Haley - Roots

    Andrew Jefford - Whisky Island

    Randale Munroe - What if 2


    :bewertung1von5: 2024: 5 :bewertung1von5:

  • Jetzt stellt sich mir die Frage: "Muss" man den ersten Band eigentlich gelesen haben oder funktioniert "Crippen" auch gut ohne "Thief of time" ???

    "The Thief of Time" liegt bei mir noch auf dem SuB, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es sich um eine Reihe im üblichen Sinne handelt. Die Hauptfigur Matthieu Zela ist offenbar so eine Art von "Zeitenwandler", der in mehreren Romanen von John Boyne kurze Gastauftritte hat. So kam er kurz in "Mutiny on the Bounty " vor und war auch auf dem Schiff, mit dem Crippen reiste. Für die Handlung spielt er aber keine wichtige Rolle.
    Ich hatte jedenfalls keinerlei Verständnisprobleme, obwohl ich "The Thief of Time" noch nicht gelesen habe.
    Es scheint sich eher um einen kleinen Gag von John Boyne zu handeln. :wink:

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    (Francis Bacon)
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  • Also ich kannte "Thief of time" auch nicht. Mir fällt so spontan auch kein Grund eine, warum ich dieses Buch vor dem Crippen lesen solle. Denn der Fall Crippen ist für sich abgeschlossen. Zela hatte keine die Handlung bestimmende Rolle inne.

  • Worum es geht
    Am 20. Juli 1910 verlässt das Passagierschiff Montrose den Hafen von Antwerpen, und nimmt Kurs in Richtung Quebec. In der ersten Klasse mit an Bord sind der liebenswürdige Mr. John Robinson und sein Sohn Edmund, unkomplizierte Passagiere, die niemandem auffallen, bis Kapitän Kendall eines Abends eine äußerst merkwürdige Entdeckung macht. Ein im Kapitän aufkeimender Verdacht veranlasst ihn, an Scotland Yard zu telegrafieren.
    In London hat sich Mrs. Louise Smython ebenfalls an die Polizei gewandt, findet sie doch das sang- und klanglose Verschwinden ihrer Freundin Cora Crippen, das so gar nicht zum temperamentvollen Charakter der Sängerin passt, äußerst seltsam. Ohne sich zu verabschieden, sei sie zu einem kranken Verwandten nach Amerika aufgebrochen und dort verstorben, behauptet zumindest ihr Ehemann.
    Der ermittelnde Inspektor Dew findet Hawley Harvey Crippen jedoch außerordentlich sympathisch, und zeigt sogar Verständnis für dessen Variante der Geschichte, weil er im Bekanntenkreis nicht zugeben wollte, dass Cora mit einem anderen Mann durchgebrannt ist. Als der Inspektor dem in seinen Augen Unverdächtigen nach wenigen Tagen noch einmal in nahezu freundschaftlicher Absicht einen Besuch abstatten will, deutet im leerstehenden Haus alles auf einen überstürzten Aufbruch hin. Bei der Durchsuchung der Räumlichkeiten findet der Inspektor im Keller schließlich die zerstückelte Leiche von Cora Crippen.
    Wenig später trifft die Nachricht von der Montrose ein, und Inspektor Dew nimmt die Verfolgung über den Atlantik auf.


    Wie es mir gefallen hat
    Vom realen historischen Hintergrund des Mordes an Cora Crippen nichts wissend, bin ich völlig unbelastet an die Lektüre herangegangen. Erst im Anschluss habe ich mich kundig gemacht und erfahren, dass es im tatsächlichen Mordfall viele Ungereimtheiten und offene Fragen gab. Diesen Umständen ist es wohl zu verdanken, dass der Autor seine eigene Version der Vorkommnisse niedergeschrieben, und diese Aufgabe meiner Meinung nach ganz hervorragend gemeistert hat.
    Sehr gut fand ich den Lebensweg von Harvey Crippen geschildert, und auch seine sich häufig wie eine Furie gebärdende Ehefrau Cora konnte ich mir bildhaft vorstellen. Sie träumt von einer großen Karriere als Sängerin, ohne zu erkennen, dass ihr dafür das nötige Talent fehlt. Die frustrierte Cora lässt ihre Wut am armen Harvey aus, der von seiner Angetrauten sogar verprügelt wird.
    Der brillante Erzähler und scharfsichtige Beobachter John Boyne hat aber nicht nur seinen Hauptfiguren Leben einzuhauchen vermocht, sondern auch seinen Nebenakteuren viel Aufmerksamkeit zuteil werden lassen. Besonders gut fand ich die redselige und dünkelhafte Mrs. Antoinette Drake charakterisiert, während ich mit der Darstellung der puritanischen Mutter des Harvey Crippen irischen Humor kennen und schätzen gelernt habe.
    In Vor- und Rückblenden rollt der Autor eine äußerst dramatische Geschichte auf, die mich von der ersten bis zur letzten Seite völlig in ihren Bann gezogen hat. Der Leser begleitet Harvey von seiner Kindheit, seinem beruflichen Werdegang und seiner unglücklichen Ehe bis zur Flucht mit seiner Geliebten Ethel LeNeve. Keinen Augenblick kam Langeweile auf, in atemloser Spannung habe ich das Leben des Protagonisten verfolgt, oder wollte wissen, wie es auf der Montrose weitergeht. Selten ist mir ein so rasant geschriebener, leicht und flüssig zu lesender Roman auf hohem sprachlichen Niveau in die Hände gefallen, der mich auch noch glänzend unterhalten hat.
    Bewundernswert fand ich die fantasievolle Variation des realen Mordfalles, die John Boyne in seinem Buch vorlegt. Dass es so gewesen sein könnte, möchte ich trotz aller Begeisterung für das Werk bezweifeln, doch hat mir die überraschende Wende am Ende des Romans so gut gefallen, dass ich sie als dichterische Freiheit gerne akzeptiere.

  • Mich wundert gerade, dass ich meine Rezi nach dem Lesen seinerzeit nicht eingestellt habe. Also hole ich das mal schnell nach ... mir hat das Buch auch gut gefallen.


    Im Sommer 1910 läuft die "Montrose" von Antwerpen aus in Richtung Kanada. An Bord befindet sich die übliche bunte Mischung von Passagieren, darunter die standesbewusste Mrs. Drake mit ihrer Tochter, der stille Mr. Robinson mit seinem Sohn, ein aufmüpfiger, jüngst verwaister Teenager mit seinem Onkel und die schweigsame Martha Hayes, die alleine unterwegs ist.


    Kapitän Henry Kendall ist derweil unglücklich, weil sein langjähriger Weggefährte und Erste Offizier aufgrund einer plötzlichen Erkrankung durch den jungen Billy Carter ersetzt worden ist, der ihm ein bisschen zu gutgelaunt und zu sorglos unterwegs ist, um sofort sein Vertrauen zu gewinnen. Doch was diese Überfahrt unvergesslich werden lässt, ist etwas ganz anderes: mitten auf dem Ozean keimt der Verdacht auf, es könne ein Mörder an Bord sein.


    Bei diesem handelt es sich angeblich um Hawley Crippen, der verdächtigt wird, seine Frau getötet zu haben. Zwar hieß es, Cora Crippen sei verreist, aber eine ihrer Freundinnen ist überzeugt, dass sie einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist, auch wenn sie dafür noch keine stichhaltigen Beweise hat, und schaltet die Londoner Polizei ein.


    Auf zwei Zeitebenen erzählt John Boyne diese an einen wahren Kriminalfall angelehnte, fesselnde Geschichte. Zum einen gelingt ihm eine wunderbare Darstellung der langen Atlantiküberquerung der "S.S. Montrose" mit gelungenen kleinen Porträts der Reisenden und der Stimmung an Bord; zum anderen zeichnet er den Lebensweg des eigenbrötlerischen Hawley Crippen nach. Der hat schon als Jugendlicher davon geträumt, Arzt zu werden, doch so einfach ließ sich dieser Traum nicht umsetzen. Auch sonst lief in seinem Leben nicht alles nach Plan, bis ein trauriger Höhepunkt erreicht ist, als er unter Mordverdacht gerät.


    Ein klassischer Krimi ist das nicht, aber das heißt nicht, dass es an Spannung mangelt. Im Gegenteil. Dass wir die Geschehnisse aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln erleben, trägt das Seine dazu bei, es spannend zu machen. Wir sehen Crippens eigene Perspektive und die des ermittelnden Polizeibeamten, der spürnasigen Freundin von Cora Crippen und verschiedener Passagiere und Besatzungsmitglieder. Es gibt keinen allwissenden Erzähler, so dass sich erst nach und nach die gesamte Wahrheit zusammensetzt wie ein Puzzlespiel, während man als Leser rätselt und mutmaßt und immer wieder überrascht wird.


    Ein klein bisschen störend empfand ich die relativ einseitige Darstellung von Cora Crippens Charakter. Sonst aber bis hin zu den liebevoll ausgearbeiteten Nebenfiguren eine ungewöhnliche und lesenswerte Kriminalgeschichte, die mir sehr gut gefallen hat.

  • Leider kann ich mich den positiven Meinungen nach der ersten gelesenen Hälfte des Buches nicht anschließen. Die unwillkürlich gewählten Erzählperspektiven in oft einem Absatz, die ein und dieselbe Figur mal duldsam, mal unbeherrscht zeigen (namentlich Victoria Drake), haben mich irritiert, und auch Boynes "tierische" Vergleiche wie die grinsende Katze beim Entdecken der Milchschale und die Ratte, die schielend nach Käse Ausschau hält, fand ich als humorlose Person ein bisschen daneben. Eine Katze grinst höchstens im Wunderland, und die Ratte zuckt mit der Nase statt umherzuspähen. Ok, ich zähle Erbsen, und trotzdem hat es mich gestört.


    Auch mir fielen handwerkliche Fehler auf.



    Ich habe mich mit Crippens Fall geschichtlich nicht befasst, merke aber, dass ich mit dem Stil Boynes seit "Haus der Geister" nicht wirklich klarkomme und mein Interesse an dem wahren Dr. Crippen nicht geweckt wird. Seine Figuren sind mir wenig sympathisch, wenn überhaupt, und der irische Humor ist offenbar nicht meiner. Vielleicht gebe ich ihm mit dem "Haus der besonderen Verwendung" noch eine Chance, das in meinem Regal subbt. Dr. Crippen werde ich wahrscheinlich abbrechen, daher gibt es keine Bewertung.

  • Habe das Buch nun doch fertig gelesen und entschuldige mich im Vorfeld bei allen Boyne-Fans. 8-[ Irgendwie werden wir beide in diesem Leben wohl keine Freunde mehr. Die Rezi steht auch auf meinem Blog, daher gehe ich auch auf Punkte meines vorigen Posts ein.


    Eigentlich weiß ich nicht, weshalb ich dieses Buch gelesen habe, nachdem "Haus der Geister" eine solche Pleite für mich war. Vielleicht, weil John Boyne meist ungewöhnliche Themen in der Vergangenheit aufgreift, ohne dabei penetrant und trocken in jedem zweiten Satz in historische Details zu gehen. Der Stoff und die Zeit, in denen seine Romane spielen, interessieren mich, und so habe ich Dr. Crippen doch noch eine Chance gegeben.


    Inhalt: Juli 1910. Im belgischen Antwerpen bricht die SS Montrose zu einer Atlaniküberquerung nach Kanada auf. An Bord sind Mr Robinson und sein Sohn Edmund, die schon bald das Misstrauen der übrigen Passagiere und des Käptains erregen. Tatsächlich fliegt die Maskerade der beiden früh auf, nachdem Käptain Kendall die beiden im Dunkeln erwischt und feststellt, dass die Robinsons nicht das sind, was sie zu sein scheinen. Spekulationen nehmen ihren Lauf, und als Scotland Yard - alarmiert durch den vagen Verdacht, Crippen hätte seine Frau getötet - die Verfolgung aufnimmt, ist das Schicksal des freundlichen Mr Robinson besiegelt.


    Meinung: Die Geschichte beruht auf einem wahren Fall, von dem Boyne in Rückblenden und von der Überfahrt gleichermaßen mit künstlerischer Freiheit erzählt. Das ist an sich nicht verwerflich, im Gegenteil. Doch leider gewinnen die detailverliebt beschriebenen Charaktere nicht an Tiefe, geschweige denn dass ich Sympathie für sie empfunden habe. Die verschiedenen Erzählperspektiven sollten anscheinend für Spannung sorgen; mich haben sie oft verwirrt und ein bisschen geärgert. Allerdings gewöhnt man sich mit der Zeit daran. Nicht gewöhnt habe ich mich an die Vorhersehbarkeit der Story und die plumpen "tierischen" Vergleiche (grinsende Katze beim Anblick einer Schale Milch, schielende Ratte auf der Suche nach Käse, Känguru mit Verdauungsproblemen, um nur ein paar zu nennen). Auch war mir vieles zu ausführlich; unfreiwillig komische und unwichtige Dinge wie "schmerzverzerrte Augen" oder weitschweifende Details, die nicht im Entferntesten der Handlung dienen, haben mich gestört (wobei erster Kritikpunkt vielleicht auf das Konto des Übersetzers geht).




    Berührt hat mich einzig das Nachwort des Autors, in dem er berichtet, dass sowohl Dr. Hawley Crippen als auch seine Geliebte sechzig Jahre später auf ihren Wunsch hin mit dem jeweiligen Foto ihrer großen Liebe bestattet wurden. Ich hoffe nur, die Anekdote ist nicht erfunden...


    Fazit: Mein vermutlich letztes Buch von John Boyne. Schade, trotz allem. Immerhin bin ich aus Ermangelung einer neuen Lektüre bis zum Schluss drangeblieben, was ich nach der ersten Hälfte ursprünglich nicht vorhatte, daher vergebe ich zwei :bewertung1von5::bewertung1von5:

  • entschuldige mich im Vorfeld bei allen Boyne-Fans

    Entschuldigung zähneknirschend akzeptiert. :wuetend:
    Und auch nur, weil ich den Crippen noch nicht gelesen habe. Hättest Du "Die Geschichte der Einsamkeit" (mein Buch des Jahres 2015) ähnlich rezensiert, hätte Dir eine Entschuldigung auch nicht mehr geholfen. :wink::wink::):-,

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Eigentlich weiß ich nicht, weshalb ich dieses Buch gelesen habe, nachdem "Haus der Geister" eine solche Pleite für mich war.

    GsD sind die Geschmäcker ja verschieden und niemand muss sich hier bei irgendjemanden entschuldigen weil ihm ein Buch nicht gefallen hat ! :shock:


    Eigentlich weiß ich nicht, weshalb ich dieses Buch gelesen habe, nachdem "Haus der Geister" eine solche Pleite für mich war.

    Aber unsere MLR damals dazu hab ich in guter Erinnerung, die war doch lustig, oder ? :)


    Fazit: Mein vermutlich letztes Buch von John Boyne.

    Hast Du dieses von ihm schon gelesen ? Das ist mein absoluter Favorit unter seinen Büchern. :thumleft:

  • GsD sind die Geschmäcker ja verschieden und niemand muss sich hier bei irgendjemanden entschuldigen weil ihm ein Buch nicht gefallen hat !

    Ganz so ernst war das wohl nicht gemeint, @Yael braucht wohl nicht zu befürchten, von @Marie in einer finsteren Nacht wegen der Differenzen in Bezug auf John Boyne gemeuchelt zu werden. Ich werde übrigens auch keinem Boyne-Kritiker etwas zuleide tun, obwohl mir alle bisher gelesenen Bücher von Boyne sehr gut gefallen haben. :wink:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Ganz so ernst war das wohl nicht gemeint, @Yael braucht wohl nicht zu befürchten, von @Marie in einer finsteren Nacht wegen der Differenzen in Bezug auf John Boyne gemeuchelt zu werden.

    Es ging doch jetzt auch gar nicht um Jemanden speziell. in persona. Mir ist nur in letzter Zeit hier im BT schön öfter aufgefallen, dass man sich wirklich fast entschuldigen muss wenn man es "wagt" ein gehyptes Buch oder einen allseits beliebten Autor nicht auch toll zu finden. :roll: Auch ein Grund warum ich mich zwischenzeitlich fast nur noch auf reine Sternebewertungen beschränke da ich weder Lust auf Rechtfertigung noch auf doofe Kommentare habe. Alles schon erlebt und dafür sind mir meine Nerven einfach zu schade. Diese brauche ich echt für wichtigere Dinge.

  • Mir ist nur in letzter Zeit hier im BT schön öfter aufgefallen, dass man sich wirklich fast entschuldigen muss wenn man es "wagt" ein gehyptes Buch oder einen allseits beliebten Autor nicht auch toll zu finden.

    Das ist mir im BT noch nie passiert. Ich sage furchtlos meine Meinung und trage es mit Fassung, falls ich mich dadurch bei anderen Lesern "unbeliebt" mache. :wink:
    Ich kenne es allerdings von amazon. Wenn man da ein gehyptes Buch, das lauter 5 Sterne-Bewertungen hat, schlecht zu bewerten wagt, wird man mit vielen "Nicht hilfreich"-Klicks abgestraft, auch wenn man seine Einschätzung gut begründet hat. Das geht mir allerdings am Gesäß vorbei... :loool: (Ich lese übrigens bei amazon immer zuerst die negativen Rezis.)

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  • Ich überfliege Rezis eh meist nur um mich nicht zu spoilern. Wenn ich das Buch gelesen habe lese ich dann manchmal noch alles nach. Aber auch nicht immer.


    @topic
    Ich werde dieses Buch hier auf alle Fälle auch mal irgendwann noch lesen. Bisher hatte ich persönlich mit Boyne noch nie einen absoluten Rohrkrepierer erwischt. Sie haben mir nicht alle gleich gut gefallen aber es war keins dabei wo ich sagen muss, dass das nun gar nicht ging.

  • Aber unsere MLR damals dazu hab ich in guter Erinnerung, die war doch lustig, oder ? :)

    Ja, die war super! Ich hätte das Buch abgebrochen, wenn die Diskussion darum nicht so unterhaltsam gwesen wäre. Was die Fans unter John Boyne angeht, so habe ich tatsächlich @€nigma und @Marie im Blick gehabt - und hier weiß ich, dass man andere Meinungen auch gelten lässt und eher mit einem Augenzwinkern darüber hinwegsieht. Es wäre schade, wenn man aus Furcht, gedisst zu werden, seine Ansicht nicht mehr äußern kann. Es ist mir bei John Boyne auch wirklich arg, schlechte Rezis abzugeben, denn im Allgemeinen liebe ich die Thematik und den Zeitrahmen, die er für seine Romane wählt. Dass es für mich bei der Umsetzung hapert, ist bestimmt nicht Boynes Problem.

    Hast Du dieses von ihm schon gelesen ? Das ist mein absoluter Favorit unter seinen Büchern.

    Das steht noch rum bei mir. Die Zarenfamilie ist nämlich auch so ein Thema, mit dem er meinen Geschmack trifft. Allerdings nehme ich jetzt erst mal Abstand von Boyne.