Siegfried Lenz - Feuerschiff

  • Dies ist einer der älteren Romane Siegfried Lenz’, der allerdings im Jahr 2008 im Zusammenhang mit der neuen Verfilmung mit einem aktualisierten Cover versehen wurde. Es geht darin um ein altes Feuerschiff – ein Schiff ohne eigenen Antrieb, das als eine Art wassergestützter Leuchtturm eine gefährliche Fahrrinne markiert an einer Stelle, an der kein fixer Leuchtturm gebaut werden könnte. In diesem besonderen Fall dient es auch zur Markierung eines alten Mineauslegungsgebietes.

    Nun ist aber die Zeit der letzten Wache auf dem Schiff angebrochen und Kapitän Freytag hat seinen Sohne, von dem er sich stark entfremdet hat, mit an Bord gebracht um ihm noch einmal zu zeigen, wie er den ganzen Tag so arbeitet.

    In kabbeliger See sieht Fred, so der Name des Sohnes, ein treibendes Schiff und die Besatzung des Feuerschiffes fährt raus um die Schiffsbrüchigen zu bergen. Sobald diese allerdings an Bord sind schlägt die Atmosphäre schlagartig um, denn es handelt sich bei den drei an Bord kommenden Männern um schwer bewaffnete Kriminelle, die versuchen Deutschland auf dem Seewege zu verlassen.

    Hin und her gerissen zwischen der Verantwortung für Schiff und Besatzung, eigenem Gerechtigkeitsdenken, dem Wunsch nach Heroismus einiger Besatzungsmitglieder und seines Sohnes und den Ansprüchen der Bewaffneten Männer an Bord muss Kapitän Freytag einen Ausweg finden, der möglichst wenig Schaden anrichtet. Doch bald ist der erste Tote zu beklagen.

    Motivlage und aktuelles Verbrechen der Möchtegernentführer und Piraten werden nie ganz deutlich und in erster Linie steht die innere Arbeit des Kapitäns im Vordergrund, die allerdings auch unter einer gewissen seemännischen Lakonie leidet, so dass von Leserinnen und Lesern etwas Mitdenken und viel Empathie gefordert ist. Dann kann man aus diesem vergleichsweise kurzen Buch ziemlich viel herausholen. Aber nur, wenn man sich dieser Anstrengung wirklich unterzieht.

  • Danke für die Rezi, Klaus! Für mich eine erfreuliche Motivation, wieder einmal einen mir noch unbekannten Lenz zu lesen. Ich lese mich gerne, langsam und sicher durch sein Werk.


    Ich nehme die Herausforderung an Mitdenken und Empathie an, die Du in Deinem Beitrag beschreibst, und bestelle das Buch mit gleicher Post bei meiner Lieblingsbuchhändlerin. :)

  • So wie einem das Hemd näher ist als der Rock, so sind mir die Berge näher, als das Meer. Almen täglich vor Augen, sind es Geschichten die am, oder auf dem Meer spielen, die meine Fantasie bezüglich Landschaften und Stimmungen besonders intensiv anregen.


    Ein antriebsloses Schiff mit Leuchtturmfunktion war ein Schaupletz, der besonders an meine Neugier und an meine Vorstellungskraft appelliert hat, da ich bis zu diesem Buch nicht einmal wußte, dass es so etwas gibt. Dem wortkargen Kapitän Freytag in einer äußerst schwierigen Situation beim Denken zuzuhören, in die er bei seinem letzten Dienst auf dem Feuerschiff gerät, ließ mich zwei abend lang im Wellenrhythmus hin und her schwanken. "So hätte ich auch gehandelt", dachte ich mir auf den Wellenkämmen. "So hätte ich das nie gemacht", murmelte eine Stimme in mir in den Wellentälern. Dieses gleichsam seekranke Gedankenschwanken wird mich im Hintergrund wohl noch eine Weile nach dem Lesen des Buches begleiten.

  • 1993 begann meine Leidenschaft für Siegfried Lenz mit der Schullektüre «Das Feuerschiff» (11. Klasse Deutschunterricht) Nach über 25 Jahren und ein paar weiteren Romanen von Lenz später, wollte ich mal prüfen, ob ich auch weiterhin so begeistert von diesem Text sein kann. Und ja, das bin ich.
    Auf gerade mal 100 Seiten schafft es Lenz ganz viele Themen abzudecken: ein Vater-Sohn-Konflikt, die Möglichkeit unbewaffneten Widerstandes, Heldentum und Pflichtbewusstsein, um mal die offensichtlichsten zu nennen. Ein sehr vielschichtiger Text, der zudem mit dem Kapitän Freytag und dem Dr. Caspari einen spannenden Gegensatz bietet.

    Motivlage und aktuelles Verbrechen der Möchtegernentführer und Piraten werden nie ganz deutlich und in erster Linie steht die innere Arbeit des Kapitäns im Vordergrund, die allerdings auch unter einer gewissen seemännischen Lakonie leidet, so dass von Leserinnen und Lesern etwas Mitdenken und viel Empathie gefordert ist. Dann kann man aus diesem vergleichsweise kurzen Buch ziemlich viel herausholen. Aber nur, wenn man sich dieser Anstrengung wirklich unterzieht.

    Ja, wer möglicherweise einen klassischen Kriminalroman erwartet, wird hier enttäuscht. Eigentlich bietet das "Setting" nur die Rahmenhandlung, um die verschiedenen Protagonisten mit unterschiedlichem Hintergrund und Erwartungen in einem geschlossenen Raum aufeinander treffen zu lassen. Bspw erden Episoden aus Freytags und Dr. Casparis Vergangenheit beleuchtet - was zum "Kriminalfall" gar nichts beiträgt - hilft aber zum Verständnis der eigentlich adressierten Probleme.

    Für mich immer noch eine der besten Novellen, die ich gelesen habe und wem bspw die "Deutschstunde" gefiel, wird hier ähnliche Themen entdecken und überrascht sein, was man auf 100 Seiten inhaltlich so alles unterbringen kann!