Original Deutsch, 2006
ZUM BUCH:Als der Bürgerkrieg in den 90er Jahren Bosnien heimsucht, flieht der junge Aleksandar mit seinen Eltern in den Westen. Rastlos neugierig erobert er sich das fremde Deutschland und erzählt mit unbändiger Lust die irrwitzigen Geschichten von damals, von der großen Familie und den kuriosen Begebenheiten im kleinen Višegrad. Aleksandar fabuliert sich die Angst weg und "die Zeit, als alles gut war" wieder herbei.
Aleksandar wächst in der kleinen bosnischen Stadt Višegrad auf. Sein größtes Talent ist das Erfinden von Geschichten: Er denkt gar nicht daran, sich an die Themen der Schulaufsätze zu halten, viel zu verrückt sind die Erntefeste bei seinen Urgroßeltern, viel zu packend die Amokläufe betrogener Ehemänner und viel zu unglaublich die Geständnisse des Flusses Drina. Als der Krieg mit grausamer Wucht über Višegrad hereinbricht, hält die Welt, wie Aleksandar sie kannte, der Gewalt nicht stand, und die Familie muss fliehen. In der Fremde eines westlichen Landes erweist sich Aleksandars Fabulierlust als lebenswichtig: Denn so gelingt es ihm, sich an diesem merkwürdigen Ort namens Deutschland zurechtzufinden und sich eine Heimat zu erzählen. Seinen Opa konnte er damals nicht wieder lebendig zaubern, jetzt hat er einen Zauberstab, der tatsächlich funktioniert: seine Phantasie holt das Verlorene wieder zurück. Als der erwachsene Aleksandar in die Stadt seiner Kindheit zurückkehrt, muss sich allerdings erst zeigen, ob seine Fabulierkunst auch der Nachkriegsrealität Bosniens standhält. (Quelle: Kurzbeschreibung bei Amazon)
ANMERKUNGEN:Nun war ich doch etwas überrascht, hier noch keine Rezi zu diesem Buch zu finden, obwohl es zu seiner Zeit in Deutschland mehrere Preise einheimste und auch international viel Beachtung fand.
Ohne Zweifel ist der Alexander des Romans das/ein Alter Ego des Autors, dessen Name Saša (soweit ich weiss) eine Diminuitivform von Alexander ist. Sie teilen die Kindheit in Visegrad, die Flucht nach Deutschland, und wohl manches mehr, wozu ich aber nichts gelesen habe.
Erstaunlich, wie kreativ und phantasiereich der in Bosnien-Herzegowina geborene Autor seine zweite Sprache beherrscht und verwendet! Ebenfalls benützt der Autor verschiedene Erzählperspektiven, Briefe, Gedichte.
Immer wieder bringt er uns zum Schmunzeln, Lachen durch komische Situationen und Beschreibungen: das Wort „Fabulieren“ ist hier angebracht. Allerdings empfand ich dies auch manchmal zu chaotisch und durcheinander. Das erinnert manchmal an das überbordende Leben der Filme von Kustorica! Hier herrscht ein wenig zuviel Schreibchaos, und vielleicht hätte eine etwas gekürztere und chronologischere Fassung (zumindest mir) besser getan. Anderen mag gerade das gefallen. Nur in einigen Abschnitten aus der Sicht des die Heimat besuchenden Erwachsenen Aleksandars wird die Sprache etwas nüchterner.
Mich erinnerte diese erwähnte burleske Schreibe aus Kindessicht an mehrere Romane, die in den letzten Jahren auf diese Weise teils dramatische Themen behandelten. Ob das hier gut gelungen ist, mag jeder selber beurteilen, ich für meinen Teil hatte einige Male eher Probleme damit.
Dabei sollte man sich aber wohl in die Mentalität eines „Visegraders“ versetzen und seinem balkanischen Humor, bzw. seiner Weltschau. Jene, die diesen Landstrich genauer kennen werden viel Bekanntes, eine typische Atmosphäre und eine Sprachweise wieder erkennen, wie man mir versicherte.
Wenn – und das mag ein Thema des Buches sein – Heimat verloren geht, so bleibt das Fabulieren und Erzählen, in dem man sich Vergangenes wieder nahe holen kann.
Visegrad, die Drina und da die Brücke sind ebenfalls der Hauptspielort des Klassikers von Nobelpreisträger Ivo Andric „Die Brücke über der Drina“, zu dem wir hier:
http://www.buechertreff.de/jun…dric-bruecke-ueber-drina/ mal eine Leserunde gehalten haben. Es gibt im Buch mehrere Querverweise zu Andric. Und indirekt zur Fortführung der endlosen Streitereien und Grenzverschiebungen, unter denen die Einbewohner immer wieder zu leiden hatten. Man liest zwischen den Zeilen von Saša Stanišić gut heraus, wie groß die Absurdität des Krieges und die Folgen der ethnischen Säuberung(en) sind und wie groß andererseits die Nostalgie eines friedlichen Nebeneinanders, das den meisten Serben, Bosniern und Kroaten im ehemaligen, hier betrauerten, Jugoslawien zueigen war.
ZUM AUTOR:Saša Stanišić wurde 1978 in Visegrad in Bosnien-Herzegowina als Sohn einer Bosniakin und eines Serben geboren und musste als Vierzehnjähriger mit seiner Familie vor dem Bürgerkrieg nach Heidelberg fliehen. Von 2004 bis 2006 studierte er am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Sein Romandebüt "Wie der Soldat das Grammofon repariert" begeisterte Leser und Kritik gleichermaßen, es gelangte 2006 auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises und wurde bisher in 30 Sprachen übersetzt. Außerdem wurde Wie der Soldat das Grammofon repariert im Jahr seiner Veröffentlichung als Hörspiel vom Bayerischen Rundfunk adaptiert und 2007 für den Deutschen Hörbuchpreis nominiert. Das Schauspielhaus Graz brachte 2008 seinen Roman Wie der Soldat das Grammofon repariert auf die Bühne. Stanišić erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. den Adelbert-von-Chemisso-Preis. (weitere Informationen und Quelle ua: http://de.wikipedia.org/wiki/Sa%C5%A1a_Stani%C5%A1i%C4%87 )
Taschenbuch: 324 Seiten
Verlag: Luchterhand Literaturverlag (28. August 2006)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3630872425
ISBN-13: 978-3630872421