Mo Yan - Shifu, You'll Do Anything for a Laugh

  • Mo Yan ist in seiner Heimat – und auch international – in erster Linie bekannt für seine epischen Romane, die es in der Dicke meist mit einem Teil von Die Reise nach Westen, Der Traum der roten Kammer oder Die drei Königreiche aufnehmen. Tatsächlich bemängelt er zu Beginn dieser Kurzgeschichtensammlung die Neigung seiner Landsleute – und auch vieler Literaturkritiker in der ganzen Welt – die Form der Kurzgeschichte zu missachten, oder zumindest doch zu vernachlässigen. Denn diese Form hat – wie auch Lu Xun, als Vater der modernen chinesischen Literatur gezeigt hat – durchaus ihren eigenen Wert und zeigt, was der Autor sprachlich vermag. Deswegen ist die Geschichte „The Cure“ auch ein direkter Bezug auf eine von Lu Xuns klassischen Erzählungen. Und ein Bezug auf den Hunger, den Mo Yan einen großen Teil seiner Kindheit verspüren musste und der sein heutiges Schreiben sehr stark beeinflusst. Seine Kindheitserfahrungen in Gaomi liegen seinem frühen Werk entscheidend zugrunde, was er in diesem Vorwort genauer ausführt.

    Die Titelgeschichte ist eine Beschreibung des Umgehens mit dem Verlust einer guten Arbeitsstelle, auf der man viel Prestige erarbeitet hatte. Der Shifu, der hier erwähnt wird, ist kein Kampfkunstmeister, wie man dies normalerweise im Westen mit dem Begriff verbindet, sondern ein Spezialist in seinem Arbeitsgebiet, der auch andere unterrichten kann und etwas Besonderes für seinen Job erreicht hat. So wie auch die Hauptfigur dieser Geschichte, die einen ganz neuen Job findet, nachdem ihre Fabrik geschlossen hat.

    „Man and Beast“ erzählt die Geschichte eines Mannes, der in Feindesland verwildert und sich mit einigen Füchsen auseinandersetzen muss – eine Verknüpfung klassischer chinesischer Märchenmotive über bösartige Fuchsgeister mit einer eher japanischen Kriegserfahrung. „Soaring“ ist eine weitere märchenhafte Erzählung, die eine Art Phönix in die Zeit des Kommunismus holt, während „Iron Child“ die Periode des großen Eisenschmelzens persifliert und dabei auch hier wieder das Problem des Hungers in den Vordergrund stellt. Wie auch „The Cure“.

    „Love Story“ geht indirekt auf die Verschickung von Intellektuellen aufs Land ein – ein Motiv, das den meisten Leserinnen und Lesern aus „Balzac und die kleine chinesische Schneiderin“ bekannt sein dürfte, wobei dies auch die erste und einzige Geschichte in dieser Sammlung ist, die einen klaren Kampfkunstbezug zeigt. „Shen Garden“ betrachtet Liebe dann mehr auf einer mystischen Ebene und überzeugt durch seine Bildsprache.

    Die letzte Geschichte „Abandoned Child“ beschäftigt sich mit der so genannten „Ein-Kind-Politik“ und ihrer Umsetzung auf dem Lande, wo sie immer vergleichsweise locker gehandhabt wurde – und zu fürchterlichen Exzessen führte. Hier stellt sich auch sehr stark die Frage, wie sehr ein Einzelner gegen ein System angehen kann, dass zum einen Kleinstfamilien wünscht und dies auf den Wunsch nach Söhnen treffen lässt. Wie sich dies zum Beispiel auch auf Kinder mit Geburtsschäden auswirkt kann man im Moment in der aktuellen GEO nachlesen.

    Es ist unüblich einen Mo Yan-Titel in einem Tag durchlesen zu können, aber bei diesem Buch ist es möglich und man geht am Ende genauso amüsiert und aufgewühlt aus der Lektüre heraus, wie bei seinen langen Werken. Auf jeden Fall eine Leseempfehlung.