Dann will ich mal die Mini-Leserunde eröffnen, in der Hoffnung, dass ich nicht zu blind war, sie irgendwo schon zu finden..
Guo widmet den Roman ihrer "Heimatstadt Shi Tang, in der alles begann".
Offensichtlich trägt die Geschichte also autobiografische Züge, vermute ich.
Auch das kurze Vorwort vor dem ersten Kapitel scheint darauf hinzudeuten.
Sie spricht von einem "früheren Leben", es scheint aber nicht so sehr um schöne, nostalgische Erinnerungen zu gehen. Das Bild von explodierenden Torpedos und sterbenden Fischschwärmen u den Tränen, die ins Meer der Stadt der Steine tropfen, spricht für sich.
Das erste Kapitel, S.7-S.9 erzählt, wie alles begann, nämlich mit einem unadressierten anonymen Paket, das die Ich-Erzählerin erhält. Darin befindest sich ein riesiger getrockneter u gesalzener Aal aus dieser Heimat "Stadt der Steine". Für die Erzählerin sind Geruch u Aussehen bedeutungsschwer, sie wird "von Erinnerungen überflutet".
Zitat"Synapsen verbinden sich, Schleusen gehen auf, und der reißende Strom der Erinnerung kann ungehindert fließen. Er strömt durch die Tunnel der Vergangenheit, droht die Erde zu überschwemmen udn den Himmel zu verdunkeln."
Ihr Lebensgefährte Red, scheint noch nicht einmal von dieser "Stadt der Steine" gehört zu haben.
Da scheint jemand eine sehr sorgfältige Flucht vollzogen zu haben.
Kapitel 2 (S.10 - S.16) spielt in der Gegenwart und beschreibt die Lebenssituation der Erzählerin u diesem Lebensgefährten Red in Beijing.
Beijing liegt 1800 km von der "Stadt der Steine" entfernt u unterscheidet sich in allem davon. Ich muss gestehen, dass ich von Beijing nur weiß, dass es eine riesige Stadt ist, mit "one million bicycles" wie Katie Melua besingt.
Die Erzählerin u ihr Lebensgefährte gehen gerade auf die 30 zu, leben aber offensichtlich ein sehr spaßreduziertes Leben.
ZitatDeshalb leben wir wie zwei Einsiedler in dieser Erdgeschosswohnung, klammern uns aneinander wie zwei Ertrinkende, lesen still unsere Bücher und verschlafen die Tage wie zwei ältere Menschen, die wissen, dass sie für diese Welt nicht mehr viel Zeit übrig haben.
Die Erzählerin hat einen langweiligen Job in einer Videothek, sie wohnt mit diesem Mann im Erdgeschoss eines Hochhauses mit 24 Stockwerken, ohne viel Licht u buchstäblich ohne Leben (sowohl Topfpflanzen, als auch Goldfische hatten keine Überlebenschance).
Bedrückend wirkte auf mich auch, dass sie offensichtlich völlig nebeneinander herleben:
ZitatIn der Nacht mögen sich unsere Körper vereinigen, doch unsere Erinnerungen verschmelzen nie, weder bei Tag noch bei Nacht.
Zwischen unseren Lebensgeschichten gibt es keinerlei Übereinstimmung.
ZitatZwei Menschen ergeben zusammen eben nie etwas anderes als die Summe aus einem Menschen plus einem Menschen. Weil wir nicht anders können, als uns auf diese Weise zusammenzuaddieren, werden die Menschen immer einsam sein.
Geradezu diskussionswürdig diese Philosophie, oder?
Am Ende des Kapitels fiel mir ein kleiner Widerspruch auf: Es scheint nicht so ganz zu stimmen, dass die Erzählerin - wie anfangs behauptet - sich nie mehr an ihre Vergangenheit erinnert hat....
Kapitel 3 habe ich schon gelesen, davon schreibe ich aber morgen, bin noch auf ein Fest eingeladen u muss mich beeilen...
Bis jetzt schon mal: Wundervolle Sprache, bin neugierig, wie es weitergeht...