José Saramago - Die Reise des Elefanten

  • Vom Hoffmann und Campe Verlag bekam ich freundlicherweise zum Rezensieren das Buch „Die Reise des Elefanten“ des leider schon verstorbenen Autors José Saramago, wofür ich mich zunächst herzlich bedanken möchte.


    Das Buch erzählt eine wahre Begebenheit aus dem Jahre 1551 auf ganz besondere Weise.
    König Johann von Portugal kommt zusammen mit seiner Gattin auf die Idee, den seit zwei Jahren recht nutzlos an seinem Hof lebenden indischen Elefanten samt dessen Mahout Subhro dem Erzherzog Maximilian von Österreich zur Hochzeit zu schenken. Für manche Dinge, die sich am Hofe durch Eroberungszüge so ansammelten, hat man halt keine rechte Verwendung.
    Diese Idee, kaum öffentlich und vermeintlich großmütig verkündet und mit dem Hintergedanken, sich selbst in dieser Weise zu profilieren, sprich einzuschmeicheln, birgt jedoch einige Komplikationen: Zu allererst muß der Erzherzog gefragt werden, ob dieser dieses Geschenk überhaupt haben möchte und als eine positive Antwort eintrudelt, muss das Ganze ja auch organisiert werden.
    Einen lebenden Elefanten kann man schließlich schlecht einpacken und, mit einer rosa Schleife versehen, auf den Gabentisch legen. Ergo wird eine Expedition, samt gut gefülltem Ochsenkarren für das leibliche Wohl des Tieres plus Arbeitern, die die Versorgung auf der Reise sicherstellen sollen, zusammengestellt und mit einigen Militärs zur Bewachung gegen Wölfe, Strauchdiebe etc. ausgestattet. Die Reise geht von Lissabon quer durch halb Europa bis nach Wien und wird dem Leser vom Autor in Form eines allwissenden, manchmal zu feiner Ironie neigenden, Erzählers in moderner Form nahegebracht. Es fehlt jede wörtliche Rede und der Erzähler fliegt förmlich aus den gerade noch wiedergegeben intimsten Gedanken eines Protagonisten zu einem Gespräch zwischen z. B. dem sehr pragmatisch eingestellten Mahut, der die Gewohnheiten des sehr gelassen alles über sich ergehen lassenden Elefanten genau kennt, dem Kommandanten, der für eine würdevoll und dem Protokoll entsprechenden Übergabe des Geschenks zu sorgen hat und solchen Nebenfiguren wie den Wölfen, die zu satt gefressen sind, um den Elefanten als mögliche Nahrungsquelle anzusehen, hin und her.


    Mir entlockte es des Öfteren ein Schmunzeln, wie Saramago schildert, dass der Elefant seitens der Geistlichkeit um die eigens angefertigte Satteldecke beneidet wurde, die, ob ihres prächtigen Aussehens, viel eher als würdiger Baldachin für den eigenen öffentlichen Auftritt begehrt worden wäre. Oder, dass, obwohl zuvor vom Mahut darauf hingewiesen, der Elefant in der Karawane zunächst vor der Kutsche des Erzherzogs plaziert wurde, was dann schnell korrigiert wurde, als man sich der natürlichen Ausscheidungen, die so ein Tier täglich von sich gibt, bewußt wurde.
    Mehr möchte ich nicht vorweg nehmen, um die Lesefreude für andere nicht zu schmälern und der Eigeninterpretation so noch genügend Raum zu lassen.


    Insgesamt gesehen mag diese Geschichte nicht jeden ansprechen und auch kein literarisches Werk von überragender Bedeutung sein, aber ich denke, es hat dem Autor Spaß gemacht, sie mit einem Augenzwinkern zu erzählen und mir hat es Freude gemacht, sie zu lesen.

  • Als Saramago-Fan steht natürlich auch bei mir dieses Buch seit dem Erscheinen auf meiner Wunschliste, gelesen habe ich es bis jetzt leider noch nicht. Was mich jetzt ein wenig irritiert ist, dass es im Genre "Humor/Satire" eingestellt wurde ... Saramago und Humor/Satire, das passt für mich gar nicht zusammen (wenn ich sehe, was für Bücher sonst in diesem Genre aufscheinen.....). Aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren und werde, nachdem ich es gelesen habe, darauf zurückkommen.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


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    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Ich kenne seine anderen Bücher leider noch nicht und weiß daher nicht, was er sonst schreibt.


    Aber "Die Reise des Elefanten" fasse ich als historische und auch zeitgenössische Realsatire auf und ich denke, eine ähnliche Geschichte könnte man sich sogar für die heutige politik ausdenken.


    Bin gespannt auf Deine Meinung.

  • Saramago und Humor/Satire, das passt für mich gar nicht zusammen (wenn ich sehe, was für Bücher sonst in diesem Genre aufscheinen....


    Das hat mich auch sehr verwundert. "Humor & Satire" verbinde ich mit leichten bis seichten Büchern, die eher fürs schnelle Herunterlesen gedacht sind. Was man von Saramago wirklich nicht behaupten kann.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Gerade habe ich "Die Reise des Elefanten" gelesen.
    Ob es in Humor/Satire gehört? Jnein. Gäbe es diese Rezi nicht schon, ich hätte es unter Romane gesetzt, aber der Platz ist nicht unbedingt falsch, denn es ist kein Saramago im herkömmlichen Sinne.
    Die Geschichte ist leicht und relativ schnell zu lesen, trotz des eigenwilligen Schreibstils des Autoren, sprich keine wörtliche Anrede, Bandwurmsätze. Außerdem strotz es geradezu vor Spott und Ironie. Besonders die katholische Kirche kommt dabei sehr schlecht weg. Man erinnert sich, dass José Saramago Atheist war, und in diesem Roman nimmt er alles auf die Schippe was ihm je auf der Seele lag. Es ergießen sich wahre Lachsalven über mich. Insbesondere das Thema Wunder finde ich weit mehr als nur amüsant. Sorry ich hoffe ich trete damit nicht strengen Katholiken auf die Füße. :roll::wink:
    Die Mischung aus Realität und Fiktion ist sehr gut gelungen, man hat das Geleit des Elefanten prächtig vor Augen. Ganz besonders der Mahut Subhro oder wie er später umbenannt wurde Fritz ist mir ans Herz gewachsen.
    Genaugenommen läßt Saramago den Leser nur den Platz als Zuschauer, er wählt die wir-Form, aber ich fühle mich trotzdem mittendrin. Für das Auge ist das Buch etwas ermüdend, keine Absätze, alle Seiten als geschlossener Einheitsbrei. Beim Lesen habe ich das aber schnell vergessen.
    Für den, der noch nie einen Saramago gelesen hat, ist das Buch ein guter Einstieg. Kein literarisches Highlight, aber sehr originell und unterhaltsam zu lesen.
    Ich vergebe :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb: - eine Abhebung zu seinen anderen Romanen muß sein.


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: Majgull Axelsson, Eis und Wasser, Wasser und Eis

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Wie Wirbelwind schon erwähnte, ist es kein Saramago im herkömmlichen Sinn. Ich persönlich kann mit den "Herkömmlichen" mehr anfangen und hatte bei diesem Buch mit Langeweile zu kämpfen. Einzig hervorhebenswert ist die Erzählweise: ein historisches Ereignis des 16. Jahrhunderts wird aus der Sicht eines Erzählers des 20. Jh. nacherzählt und v.a. (teils witzig) kommentiert, mitunter wird direkt mit dem Leser kommuniziert und so auch dieser miteinbezogen. Diese Herausforderung meistert Saramago hervorragend, aber sprachliches Geschick hat er ja in seinen herkömmlichen Büchern schon bewiesen, mit diesem hier konnte er mich nicht begeistern. Die Story selber gibt nicht allzuviel her und die satirischen Seitenhiebe trafen nicht ganz meinen Humor. Ich werde dann doch wieder auf die "herkömmlichen" Bücher zurückgreifen.


    Was das Genre betrifft: bezugnehmend auf die oben erwähnten Kriterien ist es hier durchaus ganz gut aufgehoben!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


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  • Gute Frage mit dem Genre! Ich hätte die Erstrezi auch bei "Roman und Erzählung" eingeordnet", kann aber durchaus die Logik nachvollziehen, die es hier in "Humor und Satire" verortet.


    „Die Reise des Elefanten“ gehört zu den schönsten Bücher, die ich in den letzten Jahren gelesen habe. Mir haben die Geschichte an sich, der feinsinnige Humor und auch die ironische Mischung von frühneuzeitlicher Denke und moderner erzählerischer Allwissenheit sehr gefallen und haben mich oft zum Schmunzeln gebracht.


    Nur beim Schreibstil des Autors stellt sich mir der Frage, welchen Mehrgewinn es hat, wenn man auf Absätze und das Markieren von wörtlicher Rede verzichtet. Das macht die Lektüre meiner bescheidenen Ansicht nach nur sinnlos schwierig, fast schon quälend. Falls jemand eine Erläuterung dazu parat hat, bitte her damit! :winken:


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

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  • Ich kenne zwar dieses Buch nicht, aber ich liebe Saramagos Schreibstil! Diese endlos langen Sätze, bestenfalls durch Kommata getrennt, eine Situation analysierend aus der auktorialen Erzählperspektive und im nächsten Moment von einem Protagonisten beleuchtet, teils mit überraschend wunderbaren und humorvollen Formulierungen versehen, das führt zu einer umfassenden Beschreibung, bei der der Leser quasi gezwungen ist zu Ende zu lesen, da man ja nicht mitten im Satz das Buch weglegen kann. Sicherlich anstrengend und ungewohnt, aber hat man sich mal eingelesen, bzw das erste Buch von ihm durchgearbeitet, so wünscht man sich - jedenfalls mir geht es so - mit einem zeitlichen Abstand seine nächste Lektüre von Saramago herbei, die dank seines Stils ja auch unverwechselbar ist. Drei Bücher habe ich zwar erst von ihm gelesen, aber sicherlich einer meiner Lieblingsschriftsteller, mittlerweile.

  • (...) bei der der Leser quasi gezwungen ist (...)

    Vielleicht ist es das, was mich an Saramagos Schreibe durch die reduzierte Zeichensetzung gestört hat - der Zwang, konzentrierter zu lesen als sonst. Ich mag mich nicht gern zu etwas zwingen lassen, und solche Romane zu lesen soll für mich Freizeit sein, nicht Arbeit. Ich denke, ich bin schon von Natur aus eine recht konzentrierte Leserin, und da mag ich solcherlei "Spielchen" nicht, die meine Aufmerksamkeit irgendwie lenken oder gar manipulieren wollen. Zumal der Autor das - zumindest bei diesem Buch - m.E. überhaupt nicht nötig gehabt hätte. Es hätte mich auch mit korrekter Interpunktion gefesselt. Und deutlich weniger genervt. :lol:

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