Robert Seethaler - Jetzt wirds ernst

  • Seitenzahl: 302


    Inhalt (Cover):
    "Mein Weg ans Theater war verschlungen. Unvorhersehbar. Holprig. Als Kind hasste ich es sogar, angesehen und vorgeführt zu werden" - so beginnt Robert Seethalers eigenwilliger Held seine Geschichte. Eine Geschichte, die mit der Kindheit im kleinen Friseursalon der Eltern beginnt, gefolgt von der turbulenten Freundschaft mit dem treuen Begleiter und ewigen Konkurrenten Max und dem ersten Verliebtsein in Lotte mit den grell-pinken Zehennägeln. Doch so viel Unglück diese Liebe über den Helden bringt, so viel Glück bedeutet sie letztlich auch, denn durch sie kommt er zum Theater - Tschechow hin oder her - und beginnt damit seinen langen, steinigen Weg zum Schauspieler und schließlich gar raus aus der Provinz.


    Autor:
    Robert Seethaler, geb. 1966, wurde 2007 für seinen Roman "Die Biene und der Kurt" mit dem Debüt-Preis des Buddenbrookhauses ausgezeichnet. Es folgten zahlreiche Auszeichnungen. Er lebt in Berlin und Wien.


    Meine Meinung u. Bewertung:
    Eines haben die Romane von Robert Seethaler (Die Biene und der Kurt, Die weiteren Aussichten u. auch Jetzt wirds ernst) gemeinsam, man schließt seine Helden oder besser Antihelden sofort ins Herz. Er erzählt mit viel Zärtlichkeit und Wärme, krönt alles mit einem unglaublichen Humor. So wird aus einer Alltagsgeschichte etwas ganz Besonderes.
    In der Ich - Form erzählt, verfolgt man Kindheit und Jugend dieses eher scheuen, stillen Kindes. Im Kontrast dazu steht der Freund Max, ewig an seiner Seite, aber in späteren Jahren auch ein schmerzhafter Nebenbuhler. Doch die innige Freundschaft verkraftet das Konkurrenzverhalten.
    Diese kleine Welt öffnet sich mit einer Kasperleaufführung, urwitzig, der ersten Begegnung mit Sex, umwerfend, und der innigen heimlichen Liebe zu Lotte, anrührend. Die Berufswahl, was wäre naheliegender als den Friseursalon des Vaters weiterzuführen, führt unweigerlich zu einem Fiasko. Man kann vieles erlernen, muß es aber auch mit Leidenschaft tun. Der dringende Wunsch Schauspieler zu werden nimmt Formen an, der Vater zeigt sich verständnisvoll. Beschützer, Ratgeber, Mutter, Freund, man wechselt als Leser die Positionen von Seite zu Seite.
    Eigentlich eine verblüffend einfache Geschichte, daher so leicht und flüssig zu lesen, dennoch so einprägsam, entwaffnend komisch und auf Robert Seethalers spezielle Art ganz ungewöhnlich.
    Robert Seethalers Bücher werden bei mir allmählich zur Sammlung, und ich hoffe es werden noch viele Bücher folgen. Empfehlenswert!
    Meine Bewertung: :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: / :bewertung1von5: (4,5)


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: Edgar Rai, Nächsten Sommer

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Ein Autor, von dem ich noch nie gehört habe. Aber nach Deiner Rezension, @ Wirbelwind, weiß ich, dass ich daran etwas ändern muss. Ich schreibe mir den Namen auf meinen Büchereizettel.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ja tu das, vielleicht bekommt Seethaler einen neuen Fan. :wink:
    Ich würde mit "Die Biene und der Kurt" beginnen, mein Lieblingsbuch. Dazu gibt es hier auch eine Rezi.
    Na mal sehen was du dann sagst.


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: Edgar Rai, Nächsten Sommer

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Der jugendliche Held von Robert Seethalers dritten Roman „Jetzt wird’s ernst“, bleibt in der ganzen, sich über 300 Seiten ziehenden, lustigen, in einem lakonischen Ton erzählten Entwicklungsgeschichte namenlos.


    Die Summa dieses schönen und unterhaltsamen Romans ist: das Leben ist ein harter Kampf, aber es ist schön und lebenswert. Die ganze Geschichte beginnt auf den beiden ersten Seiten damit, dass der Ich-Erzähler auf einer Theaterbühne steht und einen Apfelbaum spielt. Kurz nach seinem Erscheinen auf der Bühne, vor der einige Dutzend gespannte Kindergartenkinder warten, stürzt er ohne Grund ins Publikum.


    Ganz am Ende des Buches werden wir wissen, was es mit dieser Bühne und der Apfelbaumrolle auf sich hat und wie der Ich-Erzähler dorthin gekommen ist. Aber zuvor muss er erst geboren werden, sein erster harter Kampf. Wie Seethaler dann in der Folge die Leiden und Freuden der Kindheit und vor allen Dingen der Pubertät seines Protagonisten erzählt, ist wahre Kunst und zeigt ein erzählerisches Talent, von dem man in den nächsten Jahren sicher noch mehr hören und lesen wird.



    Die Lektüre dieses mit lockerer Feder geschriebenen Romanes ist wegen seiner sprachlichen Brillanz und seiner inneren Komik ein wahres Vergnügen. „Jetzt wird’s ernst“ zeigt ohne moralischen Impetus, dass es auch Spaß machen kann, sich in der Jugend Dinge hart zu erarbeiten.

  • Auf der Rückseite meiner Ausgabe ist die überschwängliche Kritik aus der Zeitschrift "Neon" abgedruckt, was bereits etwas darüber aussagen könnte, an welche Zielgruppe sich das Buch richtet.


    Es ist ein Coming - of - age - Roman in bester Tradition: Ein bißchen "Tschick" (zwei Außenseiter mit schwierigen Familien werden beste Freunde, man erlebt chaotische Dinge, ein Mädchen stellt die Freundschaft auf die Probe), ein bißchen "Meyerhoff durch alle Bände" (Vater mit schrägem Berufsethos, der doch für sein Kind da ist, Tod, untalentierter Junge möchte ans Theater), ein bißchen "Auerhaus" (Schule, Feten, Alkohol).
    Das kann gut klappen, auch für Leser, die die 30 überschritten haben. Warum habe ich aber Mayerhoff vier bis fünf Sterne, Tschick vier und Seethaler nur drei gegeben?


    Drei Sterne bedeuten bei mir solide Unterhaltung, nicht mehr und nicht weniger. Mehr vergebe ich für besonders gute Ideen, interessante Sprache. Das ist auf jeden Fall hier vorhanden. Aber bei diesem Buch gibt es für mich leider auch einige Mankos.


    Erstens ist die Geschichte sehr vorhersehbar, besonders ab der zweiten Hälfte. Dort gibt es v. a. ein Kapitel, dessen Pointe man gefühlt schon hundert Mal irgendwo gehört oder gelesen hat. Dieses Seiten habe ich daher nur überblättert.
    Zweitens ist es eines der Bücher, bei denen man das Gefühl hat, das es sich um ein Drehbuch zu einem Film handeln könnte. Klamauk, der ohne Weiteres für den erfolgreichsten deutschen Film 2018 reichen würde.
    Vor allem eine Szene (nach der Theaterprobe in der Gesamtschule) fiel für mich unter die Kategorie "Fremdschämen", nicht im Bezug auf die Charaktere, sondern im Bezug auf den Autor, der sich das einfallen lässt.
    Dabei gibt es auch sehr feinen, trockenen Witz in dem Buch, warum braucht es da die Holzhammermethode a la "Fack ju Göthe"?


    Die Stellen, die wie in "Ein ganzes Leben" trotz Dreck, Elend und Ekel poetisch oder subtil daher kommen (klasse das Zusammentreffen mit einem Obdachlosen) wurden m.E. durch das "Gag-Feuerwerk", das sich durch den Rest des Buches zieht, niedergewalzt.


    Schade, aber da es natürlich nur meine subjektive Meinung ist, glaube ich, dass das Buch grundsätzlich vielen Lesern gefallen könnte. Denn unterhaltsam schreiben, das kann Seethaler.

  • Zum Autor:

    Robert Seethaler, 1966 in Wien geboren, wurde 2007 für seinen Roman »Die Biene und der Kurt« mit dem Debütpreis des Buddenbrookhauses ausgezeichnet. Er erhielt zahlreiche Stipendien, darunter das Alfred-Döblin Stipendium der Akademie der Künste. Der Film nach seinem Drehbuch »Die zweite Frau« wurde mehrfach ausgezeichnet und lief auf verschiedenen internationalen Filmfestivals. 2008 erschien sein zweiter Roman »Die weiteren Aussichten«. »Jetzt wirds ernst« wurde 2010 veröffentlicht, darauf folgte 2012 der Bestseller »Der Trafikant«. Robert Seethaler lebt und schreibt in Wien und Berlin. (von der Kein & Aber-Verlagsseite kopiert)


    Allgemeine Informationen:

    Erstmals erschienen 2010

    Neu aufgelegt im April 2018 bei Kein & Aber in der Pocketreihe mit buntem Schnitt, hier: gelb

    Aus der Perspektive eines namenlosen Ichs erzählt

    303 Seiten


    Meine Meinung:

    Ein schriftstellernder Schauspieler (oder schauspielernder Schriftsteller?) schreibt einen Roman über Kindheit, Jugend und Ausbildungsjahre eines Jungen, der Schauspieler wird. Muss ein solches Buch nicht zwingend autobiographisch sein?


    Es muss nicht, auch wenn vielleicht hier und da sicher (und für den Leser nicht erkennbar) Erfahrungen des Autors eingeflossen sind. Man hofft für ihn, dass es nicht unbedingt die Anfangsszene ist, in der der Jungschauspieler im Kostüm eines Baumes ins Publikum stürzt.


    Das Leben eines einfachen normalen Jungen / jungen Mannes besonders schildern ist Seethalers Spezialität. Was dem Autor vortrefflich gelingt: Die Waage zu halten zwischen Nähe und Distanz zwischen Protagonist und Leser. Auch wenn es so aussieht, als lasse der Protagonist – vor allem, wenn er wie hier als „Ich“ erzählt – den Leser an jeder Regung teilhaben, so bleibt er dennoch nicht völlig durchschaubar.


    Immer wieder erfreut Seethalers Sprache, bildhaft, anschaulich und originell ohne manieriert zu wirken. Er befindet sich in der guten Tradition von deutschsprachigen Autoren, die auf niveauvolle Art bestens unterhalten.


    Mein persönlicher Favorit bleibt nach wie vor „Ein ganzes Leben“, doch „Jetzt wirds ernst“ kann ich ebenso empfehlen.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ich bin positiv überrascht. Ich hätte niemals gedacht, dass mir das Buch so gefallen könnte. Da ich nicht mehr in der Lage bin, anständige Rezensionen zu verfassen, versuche ich eine vereinfachte Wiedergabe meiner Gedanken dazu. Das Buch ist einfach schön, lustig und traurig zugleich. Für mich enthielt es die berührendste Szene, die ich jemals gelesen habe (immerhin unter 1000 Büchern). Ich musste an zwei Stellen Rotz und Wasser heulen. Emotional hat mich das Buch richtig gebeutelt. Aber es ist dadurch ein Lieblingsbuch geworden, ein Buch, das ich weiterempfehlen werde. Ein Jahreshighlight und ein Seelentröster. Ich habe es sehr gerne gelesen.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::love:

  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Robert Seethaler, Jetzt wirds ernst“ zu „Robert Seethaler - Jetzt wirds ernst“ geändert.
  • Irre ich mich oder wurde/wird Seethaler mit den Jahren ernster? Hier soll's zwar ernster werden, und mit einigem Willen erkennt man auch hinter der "Komödie" das Tragische, aber es überwiegt halt doch das Element "lustig". Für mich. Und in diesem Genre dann auch ganz nett, aber vielleicht nicht viel mehr.


    Ich bin jedoch - dumme Randbemerkung - ganz erstaunt, wie oft der Autor das Wort "wabern(d)" unterbringt. Ich musste mir den Sinn da erschliessen. Viele Reihungen, Parallelismen unterstreichen die sprühende Phantasie ebenfalls. Was mir gefällt ist, wenn Realitätsbeschreibungen und phantasievolles Drehen und Losspinnen ineinander übergehen und der Autor anfängt überzuquillen.

  • Der namenlos bleibende Erzähler wächst in einer unscheinbaren Kleinstadt auf, versucht irgendwie die Schule zu ertragen, verliert früh seine Mutter und soll wie der Vater Friseur werden, um eines Tages dessen Salon zu übernehmen. Doch sein Herz gehört dem Theater, und er träumt davon, Schauspieler zu werden, ein unerhörter Wunsch, mit dem der Vater so gar nichts anfangen kann.


    Eigentlich hat das Buch alle Zutaten eines guten Coming-of-Age-Romans - die spießige Kleinstadt, die kleinbürgerlichen Eltern, den Jungen, der von einer Karriere als Künstler träumt und der Enge in den Köpfen entfliehen will, der schon als Kind anders tickt als die anderen in seiner Umgebung und dadurch immer wieder auffällig wird, die erste Verliebtheit, die ersten ungeschickten Gehversuche im Schultheater.


    Doch leider hat es Seethaler (dessen „Ein ganzes Leben“ ich grandios fand) trotz der schönen Grundideen gar nicht geschafft, mich zu begeistern. Im Klappentext wird das Buch als zärtlich, komisch oder verzaubernd beschrieben, aber ich habe es nicht so empfinden können. Zuallererst hat mich schon gestört, dass der Erzähler keinen Namen hat, die Stadt nicht geographisch eingeordnet wird und man auch nicht so richtig weiß, in welcher Zeit das Buch spielt. Es hängt dadurch merkwürdig im luftleeren Raum, doch ich hätte darüber schätzungsweise hinwegsehen können, wenn mir der Rest gefallen hätte.


    Aber der Protagonist benimmt sich das komplette Buch hindurch wie ein Kleinkind, liegt entweder irgendwo heulend auf dem Boden, macht mutwillig Dinge kaputt oder prügelt sich, später säuft er dann auch noch in rauhen Mengen. Kurz, ich konnte mit ihm nicht warm werden, geschweige denn, seine Beweggründe für das, was er tut, wirklich nachvollziehen, und die ganze Geschichte wirkte irgendwie konstruiert, gekünstelt und überzeichnet auf mich.


    Sehr schade, aber das war gar nicht mein Fall.

  • Vor allem eine Szene (nach der Theaterprobe in der Gesamtschule) fiel für mich unter die Kategorie "Fremdschämen", nicht im Bezug auf die Charaktere, sondern im Bezug auf den Autor, der sich das einfallen lässt.

    Ich glaube zu wissen, welche Du meinst, und bin völlig Deiner Meinung.