Maarten 't Hart - Das Pferd, das den Bussard jagte

  • Kein Originaltitel, denn:
    Die vorliegende Auswahl wurde von Maarten 't Hart für diese Ausgabe zusammengestellt. Die einzelnen Erzählungen sind verschiedenen niederländischen Sammelbänden entnommen, die zwischen 1974 und 2002 bei Uitgeverij De Arbeiderspers, Amsterdam, erschienen sind. Die Originaltexte wurden für die deutsche Ausgabe in Absprache mit dem Autor leicht verändert. (Klappentext)


    12 Erzählungen auf 316 Seiten


    Zum Buch (Covertext):
    Ein Dame spielender Onkel, der bibelfeste Vater, der verliebte Biologe, ein Pastor auf dem Rennrad: Immer ist es Maarten ’t Hart selbst, dem wir in diesen zwölf grandiosen Geschichten begegnen, die der Autor eigens für die vorliegende Ausgabe zusammengestellt hat. Seine Orte und Landschaften, die Klänge eines Konzerts, das Summen von Wespen im April – Maarten ’t Harts ganzer Kosmos findet sich in diesen poetischen Stücken wieder und zeigt den Autor des Bestsellerromans »Das Wüten der ganzen Welt« als einen der großen niederländischen Geschichtenerzähler.


    't Harts Romane habe ich zum größten Teil mit Begeisterung gelesen. Es gefällt mir, wie er Themen entwickelt, eine Geschichte immer weiter spinnt und sie von Personen tragen lässt. Und seine beiden Steckenpferde Religion und Musik immer wieder und dennoch immer anders verarbeitet und darstellt.
    Weil er seine Romane breit anlegt, war ich seinen Erzählungen gegenüber zunächst skeptisch. Doch auch das Kurze liegt ihm. Er braucht keine 300 Seiten, um eine Person in verschiedenen Situationen vorzustellen und zu begleiten, ihm genügen 30. Es sind besondere Personen, die von irgendetwas Außergewöhnlichem bestimmt sind, Beruf (Biologe, der Bücher über Ratten schreibt oder Wespenforscher) oder Hobby (Dame-spielen), die an Herzbeschwerden leiden, an Alkoholsucht oder zur übersteigerten Selbstbeobachtungen neigen.


    Einige der Erzählungen kann man als Ergänzung zu seinem autobiographischen Roman "Gott fährt Fahrrad" lesen; man trifft die dort geschilderten Familienmitglieder und ihre Eigenarten wieder und erfährt Begebenheiten, die im Roman nicht zur Sprache kamen. Hier wie da wird vom tragikomischen Leben eines Kindes im streng puritanischen protestantischen Elternhaus erzählt.
    Einerseits macht die Religion, die fester Bestandteil des Alltags ist, nicht nur dem Heranwachsenden das Leben schwer, andererseits dient sie dazu, die Doppelbödigkeit von Erziehung und Moral der Erwachsenen zu entlarven.


    Wieder ein großes Lesevergnügen von 't Hart.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • 12 Geschichten aus dem Leben Maarten 't Harts - zumindest erwecken sie diesen Eindruck, da er fast in allen namentlich als Hauptperson in Erscheinung tritt, als Kind, Jugendlicher und Erwachsener. Dennoch bleiben Zweifel, ob tatsächlich 'nur' die Erinnerung hier die Feder führte oder nicht doch zumindest gelegentlich die Phantasie die Führung übernahm. Aber wie auch immer, schön sind die Erzählungen in jedem Fall und wer Maarten 't Harts Stil mag, wird auch hier auf seine Kosten kommen.
    Man lernt sein Leben in der niederländischen Provinz kennen, die stark religiös geprägt und (wie wohl überall) nicht frei von Bigotterie und Heuchelei ist. Beispielsweise die Kirchenältesten, die bei Hausbesuchen ein frommes Verhalten einfordern das sie selbst nicht einhalten können oder das Misstrauen mancher Kirchenmitglieder dem neuen Pastor gegenüber, der zwar grandiose Predigten hält, aber ein derart unkonventionelles Verhalten an den Tag legt, dass irgendetwas nicht mit ihm stimmen kann. Ungewöhnliche Menschen werden beschrieben, die durch eigentümliche Verhaltensweisen (Onkel Job mit seinen 'Trauerbesuchen'), besonderen Fähigkeiten (der Onkel der noch nie ein Damespiel verlor) oder aussergewöhnlichen Kenntnissen (der alte Mann mit seinem Klassikwissen) herausragen oder einfach durch Skrupellosigkeit (Onkel Klaas, der bescheisst wo's geht). Ebenso wie Erlebnisse, die den Autor stark berührten und vielleicht noch immer beschäftigen, wie seine Empfindsamkeit beim sommerlichen April (Ist der Weltuntergang nahe?), die Verliebtheit während eines Kongresses und das daraus resultierende Nachdenken über die Ehe, seine Gesundheitsprobleme sowie die Auswirkungen, die sein Buch über Ratten auf eine Leserin hatte. Allen gemeinsam ist ein melancholischer Grundton, der aber immer wieder durch die amüsante Schilderung des Erlebten unterbrochen wird.
    Maarten 't Hart gelingt es in den meist sehr ruhigen Erzählungen, dass einem beim Lesen diese seine Welt ganz nahe rückt und man das Gefühl hat, direkt an seiner Seite zu stehen.

    :study: Das Eis von Laline Paul

    :study: Der Zauberberg von Thomas Mann
    :musik: QUALITYLAND von Marc-Uwe Kling