Reinhard Kaiser-Mühlecker - Magdalenaberg

  • Mit dem Magdalenaberg, einer Anhöhe nahe seines Heimatdorfes Pettenbach in Oberösterreich verbinden Joseph nicht nur Kindheitserinnerungen. Das Gefühl, auf der Friedhofsmauer zu sitzen und die nackten Füße an der Wand zu reiben während er in die Landschaft blickt, spürt er immer noch. Hier ist die Zeit stehengeblieben.
    Heute lebt Joseph zurückgezogen in Hallstatt, hin und wieder kommt er zurück in seine Heimat, doch immer stattet er dem Magdalenaberg einen Besuch ab, nicht zuletzt deshalb, weil sein vor 3 Jahren verstorbener Bruder dort begraben ist. Mittlerweile ist Joseph über 30 und möchte sein Studium mit einer Dokumentation über die Geschichte des Instrumentenbaus abschließen. Als ihn seine Freundin Katharina nach 2-jähriger Beziehung verlässt, fragt er nicht nach dem Grund, akzeptiert das Ende. Doch in seinem Kopf sammeln sich die losen Erinnerungssplitter an seine Kindheit, seine Beziehung zu seinem Vater, der lieber mit den Pflanzen als mit den Menschen spricht, seinem Bruder Wilhelm, der „zum Nichtreden veranlagt“ war, das sonntägliche Ministrieren das jäh ein Ende fand, überhaupt zu Ende gehende Lebensabschnitte ohne eigenes Zutun werden zum Mittelpunkt seines Denkens.


    Reinhard Kaiser-Mühlecker hat schon mit seinem Erstlingsroman „Der lange Gang über die Stationen“ Aufsehen erregt. Sein Stil wurde damals als „moderner Heimatroman“ bezeichnet, eine Bezeichnung, die ich sehr zutreffend finde. Auch „Magdalenaberg“ besticht durch die ruhige, unaufgeregte Erzählweise, die dennoch dramatisch wirkt. Die Entwicklung des Protagonisten manifestiert sich im Innehalten, im Nachdenken und wird begleitet von detaillierten Beschreibungen der bäuerlichen Umgebung, von kleinen Beobachtungen und wunderschönen Metaphern. Dieses Büchlein ist eine Offenbarung für Genussleser, und sei genau diesen wärmstens ans Herz gelegt!


    Reinhard Kaiser-Mühlecker: (amazon.de)
    Reinhard Kaiser-Mühlecker wurde 1982 in Kirchdorf an der Krems geboren und wuchs auf dem elterlichen Hof in Eberstalzell, Oberösterreich, auf. Er studierte Landwirtschaft, Geschichte und Internationale Entwicklung in Wien. Als Literat war er 2007 Stipendiat des Herrenhauses Edenkoben. 2008 debütierte er mit dem Roman «Der lange Gang über die Stationen», für den ihm unter anderem der Jürgen-Ponto-Literaturpreis und das Hermann-Lenz Stipendium verliehen wurde

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Späten ausdrücklichen Dank an Rosalita für diesen mehr als ausgezeichneten Hinweis, dem ich nun endlich nachgehen konnte. Gerne will ich durch das Hervorholen des Freds neu aufmerksam machen auf diesen zweiten Roman des Autors aus dem Jahre 2009.


    Mit viel Begeisterung hatte ich diesen Schriftsteller mit dem « Langen Gang über die Stationen » kennengelernt und wurde nun bestätigt, dass es sich um jemanden handelt, den ich gerne im Auge behalten will. Seine oben so gut beschriebene « Welt » ist zwar irgendwie zurückhaltender, diskreter als vieler Stoff so genannter moderner Bücher, doch in einer Sprache gehalten, die man nur geniessen kann und sollte. Und dann findet man einige sprachliche, aber auch inhaltliche Perlen !


    Der tollen Rezension von Rosalita füge ich nur einige Beobachtungen hinzu :
    Josef ist also der Ich-Erzähler. Das Buch kommt ohne betitelte oder numerierte Kapitel aus, jedoch sind alle paar Seiten Abschnitte durch eine Leerzeile voneinander abgetrennt. Wer nun allerdings glaubt, dass diese Abschnitte jeweils eine feste chronologische oder thematische Einheit bilden geht fehl. Wie von Rosalita angedeutet kommt es zu Rückblicken und Einschüben, Zeitsprüngen und Ortswechsel, die manchmal auf den ersten Blick nicht erkennbar sind, bzw. überraschen können. Nach und nach gibt uns der Autor, und manchmal wie beiläufig, erst konkrete Hinweise, Schlüsselinformationen auf dieses und jenes, und man müsste sich eine chronologische Folge erst herausschreiben und dabei sehr aufmerksam lesen.


    Dieser, wenn auch nicht komplizierter, aber doch aufmerksam zu verfolgender Gedankenstrom steht in gewisser Spannung zur scheinbaren Einfachheit der Sprache, die mir sehr gut gefällt. Ab und zu könnte man bemerken, dass etwas zu häufig, zu systematisch Dopplungen und Synonyme gebraucht werden.


    Die verschiedenen Beziehungen : zum Vater, zur Freundin Katharina, zu den Mitministranten aus der Kindheit, zum langjährigen Freund Thomas und besonders dem verstorbenen Bruder Wilhelm werden sehr fein beschrieben. Trotz dieser Beziehungsthemen hat man manchmal den Eindruck von dem Ich-Erzähler Joseph, dass er sich in einer gewissen Abgetrenntheit bewegt.


    Ein m.E. ausgezeichnetes Buch für – wie Rosalita es sagte - Genußleser !