Jan Seghers: Die Akte Rosenherz

  • Klappentext


    Niemand, der damals am Tatort war, wird den Fall je vergessen. In einer
    heißen Augustnacht des Jahres 1966 wird in Frankfurt eine Prostituierte
    auf brutale Weise ermordet. Sofort macht das Wort von der "zweiten
    Nitribitt" die Runde. Und wirklich: Auch im "Fall Rosenherz" bleibt der
    Täter unerkannt.
    Vierzig Jahre später. Ein nebliger Morgen im Stadtwald.
    Hauptkommissar Marthalers schwangere Freundin Thereza wird bei einem
    Überfall schwer verletzt. Und der Polizist erhält einen Tipp: Er soll
    den alten Fall noch einmal unter die Lupe nehmen. Doch damit legt
    Marthaler sich mit mächtigen Gegnern an, die ihre frühen Sünden
    vertuschen wollen. Die "Akte Rosenherz" soll geschlossen bleiben.



    Eigene Beurteilung



    "Nitribitt reloaded"


    "Die Akte Rosenherz" ist bereits der vierte Band des Autors Jan Seghers ( Matthias Altenburg) um den Frankfurter Kriminalkommissar Marthaler. Für mich war es jedoch das erste Buch, das ich von diesem Schriftsteller gelesen habe.
    Die Handlung des ersten, ziemlich kurzen Teils spielt im August 1966 in Frankfurt. Die Edelprostituierte Karin Niebergall, geborene Rosenherz, wird mit 16 Messerstichen ermordet, allerdings wird die Bluttat nicht beschrieben, sondern die Umstände des Auffindens der Leiche und die Aufnahme der Ermittlungen.


    Die Handlung der weiteren Teile spielt im Jahr 2005. Marthaler beschäftigt sich mit alten ungeklärten Kriminalfällen, wird aber auch in einen aktuellen spektakulären Kunstraub hineingezogen, bei dem seine schwangere Lebensgefährtin Thereza lebensgefährlich verletzt wurde. Als die Ermittlungen zeigen, dass der Kunstraub möglicherweise im Zusammenhang mit dem immer noch ungeklärten Mordfall Rosenherz steht und ein Hinweisgeber ermordet wird, setzt Marthaler alles daran, den 40 Jahre zurückliegenden Mordfall aufzuklären. Mysteriöserweise ist die Akte Rosenherz jedoch aus dem Archiv verschwunden. Glücklicherweise befindet sich eine Kopie davon im Besitz der jungen Journalistikstudentin Anna Buchwald, die am Fall Rosenherz ihr ganz persönliches Interesse hat. Gemeinsam decken Marthaler und Buchwald die damaligen Vorgänge und das wahre Motiv für die Ermordung der Prostituierten auf.
    Der Autor ist offensichtlich vom Mordfall Rosemarie Nitribitt zu diesem Roman inspiriert worden, jedoch erweitert er den Kriminalfall noch um die interessante Perspektive des Kunstdiebstahls und schlägt damit eine Brücke von den "gutbürgerlichen (oder spießbürgerlichen?)" 60er Jahren in die Gegenwart. Die Handlung ist gut konstruiert und schlüssig, nach einem etwas ruhigeren Einstieg wird der Roman zunehmend spannender und lässt auch gesellschaftskritische Untertöne (Korruptheit von Beamten, Katzbuckeln gegenüber gesellschaftlich Hochgestellten) nicht vermissen. Lediglich die Figur der Anna Buchwald scheint mir etwas überzeichnet: sie ist mir etwas zu sehr Superwoman. Ein paar ihrer detektivischen Leistungen und ihr Verhalten am Ende des Romans sind für mich nicht ganz glaubwürdig.
    Ansonsten bietet "Die Akte Rosenherz" fesselnde Unterhaltung, besonders für Leser, die gern Kriminalromane mit Rückblenden in die Vergangenheit lesen. :thumleft:
    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

    Einmal editiert, zuletzt von €nigma ()

  • Für mich war es jedoch das erste Buch, das ich von diesem Schriftsteller gelesen habe.


    So gings mir auch, denn meine Bücherei besitzt nur diesen einen Band.


    Verknüpfungen zwischen einem alten Fall und neuen Ereignissen lese ich in einem Krimi gern, und daher gefiel mir die Geschichte und ihr Aufbau recht gut. Getrübt wurde das Vergnügen allerdings von dem drögen Aufsatzstil des Autors und dessen umständlicher Art, in einer Sache auf den Punkt zu kommen.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Mit "Die Akte Rosenherz" legt der Frankfurter Schriftsteller, Kritiker und Essayist Matthias Altenburg, der sich für seine Kriminalromane den Künstlernamen Jan Seghers gegeben hat, seinen mittlerweile vierten Roman um den Frankfurter Hauptkommissar Robert Marthaler vor. Marthaler ist ein überaus sympathischer Kommissar, und glaubte der Verlag noch bei dem ersten und zweiten Buch vor einigen Jahren ihn im Klappentext mit Henning Mankells Wallander vergleichen zu müssen, hat er diesen Hinweis nun gestrichen. Und das ist gut so, denn Seghers Kommissar Robert Marthaler braucht keinen Vergleich. Er ist ein nachdenklicher Mensch, bei man nie vergessen sollte, warum er eigentlich zur Polizei gegangen ist. Im ersten Band der Serie "Ein allzu schönes Mädchen" wird in einer Nebenbemerkung darauf hingewiesen. Damals, erst kurz mit seiner Frau Katharina verheiratet, wird diese bei einem Bankraub angeschossen und überlebt diese Verletzung nicht. Robert Marthaler trauert lange, und versucht - es ist ihm selbst wohl kaum bewusst- diese Energie in die Lösung seiner Fälle fließen zu lassen, als er nach seiner Ausbildung bei der Frankfurter Polizei beginnt.


    Dabei ist er kein typischer Polizist. Die reaktionäre politische Einstellung vieler "Bullen" ist ihm fremd. Marthaler ist ein zutiefst bürgerlicher Mensch. Er lebte lange zurückgezogen, und ist nicht fanatisch auf seinen Beruf fixiert.


    Schon im ersten Buch, das ich schon erwähnt habe, lernt Robert Marthaler am Rande von Ermittlungen in Prag in einem Cafe eine junge Frau kennen, Tereza, eine Kunstwissenschaftlerin. Die dort geknüpften zarten Bande werden im zweiten Buch fortgeführt, allerdings gerät die Beziehung durch einen dreijährigen Auslandsaufenthalt von Tereza, die in Barcelona eine attraktive Aufgabe übernommen hat, in eine Krise.


    Doch Tereza kehrt zurück, und ihre Beziehung wird enger. Im letzten Buch hatte Robert Marthaler lange keine Zeit ihr zuzuhören, zu sehr fesselte ihn der neue Fall, in den er sich, wie bei den vorhergehenden auch, regelrecht verbissen hatte. Dabei hatte sie ihm doch eine überaus freudige Neuigkeit und große Veränderung ihres gemeinsamen Lebens mitzuteilen ...


    Jan Seghers lebt in Frankfurt und kennt die dortigen politischen Verhältnisse genau. Wie er zum Beispiel den derzeitigen hessischen Innenminister Volker Bouffier charakterisiert, ist allererste Sahne:
    "Er versuchte sich ein Bild von dem Mann zu machen, der sein oberster Vorgesetzter war, der im gleichen Alter war wie er selbst und der ihm doch so unendlich fremd vorkam. Das schmutzigblonde Haar des Ministers war in der Mitte sorgfältig gescheitelt und reichte an den Seiten bis knapp über die Ohren. Er wirkt wie ein Bauernbursche, dachte Marthaler. Ein Bauernbursche, den man in einen Anzug gesteckt hat und der nun bemüht ist, niemanden merken zu lassen, dass ihm dieser Anzug nicht passt, Er lächelt wie ein unsicherer Mensch, der die Macht eines Amtes braucht, weil er ohne sie verloren wäre. Marthaler wusste, wie unberechenbar Menschen waren, bei denen sich Rücksichtslosigkeit und Unsicherheit trafen. Und dass der Minister nur wenig Skrupel kannte, hatte er in der Vergangenheit schon öfter bewiesen."


    Dieses Zitat ist ganz typisch nicht nur für die Sichtweise von Robert Marthaler, sondern auch für die seines Schöpfers Jan Seghers, der mit einer subtilen Sprache an den Zuständen in seiner Stadt, die er liebt wie keine zweite und an den Verhältnissen in seinem Land Kritik übt.


    Im vorliegenden vierten Band der Reihe hat Robert Marthaler mittlerweile von seiner Frau Tereza erfahren, was sie ihm im letzten Buch vergeblich mitzuteilen versuchte: sie ist mit einem Kind von ihm schwanger. Tereza soll im Rahmen ihrer kunsthistorischen Tätigkeit für ein Frankfurter Museum ein wertvolles Gemälde auf den Frankfurter Flughafen bringen. Der Transport wird überfallen, Tereza wird schwer verletzt, ob sie ihr Kind behalten kann, bleibt lange offen. Selbstverständlich wird Robert Marthaler sofort von den Ermittlungen ausgeschlossen. Doch er beginnt, im stillen Einvernehmen mit seinen Vorgesetzten, alleine und auf eigene Faust zu ermitteln. Ein obdachloser Ex-Häftling namens Bruno gibt kurz vor seinem Tod den entscheidenden Tipp: zwischen dem aktuellen Kunstraub und einem vierzig Jahre alten Verbrechen an einer Edelprostituierten gibt es eine Verbindung. Marthaler will die "Akte Rosenherz" wieder öffnen, die aber ist verschwunden. Im Besitz hat sie seit langer Zeit die Journalistin Anna Buchwald. Deren Beziehung zu dieser Akte und dem Fall bleibt bis kurz vor dem Ende des wahnsinnig spannenden Buches unklar, aber sie ist bereit mit Robert Marthaler zusammenzuarbeiten. Immer weiter geraten die beiden in ein Netz aus Intrigen, Korruption und Gewalt. Und ein ehemaliger Chef Marthalers hat noch eine Rechnung offen...


    Mittlerweile hat sich die Reihe mit den Büchern von Jan Seghers zu einer der besten auf dem deutschsprachigen Markt gemausert und man darf auf das nächste Buch schon heute gespannt sein.