Nichts: Was im Leben wichtig ist von Janne Teller hat auch mich fasziniert, und das weit über die zwei Stunden hinaus, die ich zum Lesen gebraucht habe. Für mich ganz eindeutig, wie hier im Thread bereits erwähnt, und wie es auch im Klappentext zu lesen ist, eine Parabel; eine Parabel, die für mich fast universell umsetzbarbar wirkt: die Darstellung des Verhaltens, mit Eifer bzw. Genuss von anderen Opfer abzuverlangen oder ihnen einen fremden Willen aufzuzwingen, noch dazu in den verschiedensten grausamen Formen, wirkt unglaublich und abstoßend auf uns – obwohl genau dies so oft in der Weltgeschichte und in den verschiedensten Bereichen der Aktualität wiederzufinden ist.
So deutlich wie in Nichts: Was im Leben wichtig ist hatte ich persönlich mir bisher noch keine Antwort auf die Frage gegeben, warum der Mensch eigentlich immer wieder Unterdrückung und Gewalt am Mitmenschen sucht und verübt (ob im Arbeitsleben, im Privatleben, im religiös institutionalisierten Leben, in so manch einer Situation aus Politik und Wirtschaft, in internationalen Konfrontationen …) – in ihrem Buch versucht Janne Teller eine sehr deutliche und einleuchtende Möglichkeit als Antwort zu geben. Die von ihr gewählte Form der Parabel mit der klug eingesetzten kontinuierlichen Steigerung der Ereignisse zwingt den Leser nicht, die von ihr aufgestellte These bedingungslos zu akzeptieren, regt jedoch mit hoher Effektivität zum Nachdenken an.
Bleibt jedoch immer noch die Frage stehen, warum Schüler der siebten Klasse? Reagieren junge Menschen in diesem Alter wirklich so? Auch ich glaube, die Antwort hierauf lautet Nein, oder (glücklicherweise) nur in Ausnahmefällen Ja.
Weil das Buch als Parabel gedacht ist, spielt es meiner Meinung nach keine Rolle, ob jede der Handlungen der Kinder realistisch ist. Sie sind in der Realität angesiedelt, das reicht. Aus dem gleichen Grund sind die individuellen Merkmale der Kinder wenig ausgeprägt; es geht nicht darum, wer irgendetwas macht, sondern um die einzelnen Handlungen und deren Steigerungen. Und wie eine gute Idee aus dem Ruder läuft, sobald Zwang und Macht ins Spiel kommen. ... Hätte die Autorin die Protagonistenrollen mit Erwachsenen besetzt, wäre eine dicke Moralkeule sichtbar. So aber bewahrt die "kindliche Unschuld" das Buch davor, allzu plakativ zu sein.
Ähnlich wie Marie bin ich der Meinung, dass Janne Teller gar nichts anderes übrig blieb, als junge Menschen für die Rolle der Protagonisten in ihrer Parabel zu wählen: hätte sie erwachsene Menschen gewählt, hätte man sich beim Lesen zu sehr auf die Handlung selbst fixiert und über die jeweiligen Charaktere geurteilt. Damit wäre die Erzählform Parabel, die in Nichts so wichtig ist, hinfällig geworden: auf diese Weise hätte die Autorin bloß eine Erzählung/Novelle mit Grausamkeits-Elementen, wie es derer schon so viele gibt, vorgelegt.
Da es hier aber nicht um die Geschehnisse im eigentlichen, konkreten Verlauf der Handlung geht, sondern um eine, wie schon gesagt, mögliche Antwort auf die Frage nach der Begründung für Unterdrückung und Gewalt im Wesen des Menschen geht, musste sie zwangsläufig die Geschehnisse auf das zum Teil fast naive Niveau und Alter der Schüler einer siebten Klasse bringen.
Bei jeder Parabel wird immer das eine oder andere kleine Element zu finden sein, das man als nicht ganz zutreffend oder störend in der Umsetzung empfindet, in diesem Fall das Alter der Protagonisten. Für meine Begriffe jedoch hat die Verfasserin einen äußerst interessanten und attraktiven Gedanken auf eine fantastische Art und Weise umgesetzt. Ich bin restlos begeistert, auch wenn ich dieses Buch vom Gefühl her Kindern im Alter von vierzehn Jahren nicht in die Hand drücken würde. Dagegen würde mich brennend interessieren, wie etwas ältere Jugendliche (17-Jährige?) auf Janne Tellers Nichts: Was im Leben wichtig ist reagieren.