Pat Barker – Niemandsland / Regeneration

  • Originaltitel: Regeneration

    „Niemandsland“ ist der Auftakt einer Trilogie, die sich mit dem 1. Weltkrieg und dessen Auswirkungen auf britische Soldaten nach der Schlacht an der Somme (1917) beschäftigt. Exemplarisch herausgegriffen wird Siegfried Sassoon, der tatsächlich gelebt hat und mit einem Brief auf sich aufmerksam macht, in dem er die britische Regierung des Volksverrats anklagt und sie der Kriegstreiberei beschuldigt. Statt ihm einen Prozess zu machen, schickt man ihn in die Nervenheilanstalt Craiglockhart in Schottland, wo der Arzt Dr W. H. R. Rivers ihn wieder “kriegsfähig” machen soll. Zwischen den beiden entsteht eine Freundschaft, die diese so unterschiedlichen Charaktere voller Respekt zu einander stehen lässt. Obwohl sie verschiedene Ziele verfolgen – Sassoon erhofft ein baldiges Kriegsende, Rivers muss berufsbedingt die psychisch und körperlich zutiefst erschütterten Männer soweit wieder herstellen, dass sie ihren Kriegsdienst erneut aufnehmen.


    Neben diesen beiden Hauptcharakteren lernt man auch Billy Prior kennen – einen jungen Mann, der trotz schwerem Asthma eingezogen wurde und im Krankenhaus unter Amnesie leidet. Als man sein Schicksal erfährt, wundert man sich, dass er nicht noch stärker beeinträchtigt ist. Insgesamt hatte ich während des Lesens das Gefühl, dass Pat Barker viel lieber die Geschichte von Billy erzählen wollte als die Siegrfrieds. Doch diese Ambiguität ist nur ein Bauchgefühl...


    Was ich hier gelesen habe, hat mich sehr bewegt und in den Schlaf verfolgt, weil alles so plastiscch geschildert wird. Es ist ein universelles, zeitloses Thema. Der Fokus liegt auf der Kameradie zwischen den Männern an der Front, ihren Erfahrungen, die mitunter so grausam sind, dass sie sie verdrängen und krank machen. Und über allem der stark ausgeprägt Dienstwillen, gesund zu werden und zurück ins Geschehen zu gehen, obwohl ihr Körper eindeutige Signale aussendet, dass die dem erneuten Stress und dem Kampf um Leben und Tod nicht gewachsen sind.


    Rivers Betrachtung bringt ein psychologisches Element in die Handlung, das den Leser fragen lässt, wie er selbst mit der Verantwortung seiner Profession umgeht. Es gibt bestimmte Hinweise, dass er mindestens ebenso leidet wie seine Patienten...


    Die Trilogie wird fortgesetzt mit den Bänden

    Das Auge in der Tür (The Eye in the Door) und
    Die Strasse der Geister (The Ghost Road)

    She wanted to talk, but there seemed to be an embargo on every subject.
    - Jane Austen "Pride and prejudice" - +

  • Liebe Fezzig, deiner Rezi ist nichts hinzu zu fügen. Diesen ersten Teil habe ich inzwischen auch gelesen und kann deine Begeisterung und Erschütterung sehr gut nachvollziehen, ich habe auch so empfunden. "Im Westen nichts Neues" und "Heeresbericht" schildern schon sehr eindringlich das Geschehen im ersten Weltkrieg. Aber Pat Barker öffnet mit dieser psychischen Ebene dem Leser die Seelen der Protagonisten.


    Die Geschichte um Billy Prior hat mich auch sehr bewegt und war mir mindestens so wichtig wie die von Siegfried Sassoon. Ich freue mich auf die folgenden zwei Bände.