Original: Вишневый Сад (russisch, 1903, Uraufführung 17.1.1904)
ZUM INHALT:
Am Anfang steht die Rückkehr der Gutsbesitzerin Ljubov Ranjewskaja mit Tochter und verschiedenen Mitläufern auf ihr Gut. Nach dem Tode ihres fünfjährigen Sohnes war sie fünf Jahre zuvor nach Frankreich geflüchtet, wo sie von ihrem Geliebten ausgenommen wurde. Sie lebt(e) mit ihrem Umfeld weitgehend noch im großen Stile, über ihre Mittel hinausgehend. Nun, zurück, liegt als Drohung zur Begleichung der Schulden der Verkauf des Kirschgartens an. Doch die Betroffenen entwinden sich den konkret zu fällenden Entscheidungen und stehen dann eines Tages vor der Übernahme durch den Sohn ehemals Leibeigener, der das Ganze rein spekulativ und als Kapitalanlage sieht. Die nostalgische Beziehung zu einem Ort der Kindheit und Natur entzieht sich diesem Lopachin ganz. Er wird das Gut ersteigern und dort eine Datschenkolonie einrichten...
BEMERKUNGEN:
Ein paar sicherlich unzureichende Worte zu einem großen Klassiker:
Der Kirschgarten als Ort und Stück ist eingebettet in die Veränderungen der russischen Gesellschaft um die Jahrhundertwende (vom XIX. zum XX.) und bezeichnet das Ende einer Epoche: die Aufhebung der Leibeigenschaft liegt eigentlich schon um die 40 Jahre zurück, und für die Hauptpersonen des Stückes eigentlich auch ein gewisser Lebensstil. Die Gutsbesitzerin will noch gar nicht recht wahrhaben, wo sie denn nun wirklich steht, und was ihr der neue Status nicht mehr erlaubt. Also: Wie erlebt man solche Veränderungen, wie geht man damit um? Das Stück spielt in einem Zeitrahmen zwischen Mai und Oktober desselben Jahres. Alle Personen des Stückes (circa ein Dutzend) verkörpern – so scheint mir - verschiedene Möglichkeiten der Annahme, des Widerspruches, der Nostalgie, der Instrumentalisierung, der Gleichgültigkeit etc. Mag die Übernahme des Besitzes durch quasi einen Sohn ehemaliger Leibeigener sogar – ohne Tschechow hier hellseherische Fähigkeiten zu unterstellen – als ein Zeichen der kommenden Umwälzungen verstanden werden, in denen die ehemals Unterdrückten Besitz übernehmen? Doch dabei scheinen, zumindest in diesem Stück, andere Werte draufzugehen: eine persönliche Beziehung zum Boden, und durch diesem als Symbolort, zur Vergangenheit und der Kindheit insbesondere.
Lange wird der Verlust als solcher wahrgenommen (oder auch beiseite geschoben), erst der letzte Akt bringt eine gewisse Annahme, Versöhnung mit scheinbar Unvermeidlichem?!
Nach all den genossenen Kurzgeschichten des bekannten russischen Autors wollte ich mich doch an ein Theaterstück wagen, ist er doch nach Shakespeare vor allem als meist gespielter Dramatiker bekannt. Natürlich sollte man solche in Stück besser live und in Farbe genießen, doch leider habe ich kaum Möglichkeit, ins Theater zu kommen. Da bietet dann auch die schriftliche Version eine willkommene Einführung!
Ein Autor zum Entdecken und Wiederentdecken!
ZUM AUTOR:
Anton Pawlowitsch Tschechow kommt am 29. Januar 1860 im südrussischen Taganrog zur Welt. Nach dem Abitur 1879 studiert er in Moskau Medizin und veröffentlicht ab 1880 zahlreiche Erzählungen in Zeitungen und Zeitschriften, zunächst unter dem Pseudonym Tschechonte. Er praktiziert nach Abschluss des Studiums nur kurze Zeit als Arzt und widmet sich bald ganz dem Schreiben. Der Schriftsteller setzt sich mit großem Engagement für Arme und Kranke ein und stiftet mehrere Schulen. Er zählt mit seinen Stücken "Die Möwe", "Onkel Wanja", "Drei Schwestern" und "Der Kirschgarten" neben Shakespeare zu den am meist gespielten Dramatikern.. Kurz nach der Uraufführung des "Kirschgartens" starb er 44-jährig bei einem Kuraufenthalt in Badenweiler im Schwarzwald an Lungentuberkulose, an der der Schriftsteller seit 20 Jahren leidet. Tschechow gilt bis heute als unübertroffener Meister der Kurzprosa. Er trug maßgeblich zur Formung der modernen Novelle und Short Story bei. Bis heute ist er der weltweit am häufigsten aufgeführte Dramatiker nach Shakespeare. (ausführlicher Artikel unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Anton_Pawlowitsch_Tschechow )
Ich habe das Stück in der weiter unten verlinkten enormen und wundervollen Zusammenstellung von 13 Stücken Tschechows gelesen. Darin befand sich „Der Kirschgarten“ in der Übersetzung von Vera Bischitzky. Nun mag solch eine Anthologie sehr mächtig erscheinen (obwohl mir der Preis sehr günstig erscheint). Darum verlinke ich mal eine Reclamausgabe. Da allerdings kann ich nicht den Übersetzer ausfindig machen.
Verlag: Reclam, Ditzingen (1997)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3150076900
ISBN-13: 978-3150076903