Pierdomenico Baccalario - Das Volk von Tarkaan / Il popolo di Tarkaan

  • Der Jugendroman "Das Volk von Tarkaan" von Pierdomenico Baccalario wurde mir freundlicherweise vom Coppenrath-Verlag zur Verfügung gestellt, dem ich an dieser Stelle herzlich dafür danken möchte.
    Das gebundene Buch hat ein schönes buntes Coverbild in ansprechenden, kräftigen Farben, zeigt in der unteren Hälfte drei vor irgendetwas weglaufende Kinder und in der oberen Hälfte zwei recht grimmig dreinblickende, bewaffnete Kriegerköpfe im Wikingerstil. Beide Hälften sind durch eine Banderole oder Gürtel mit dem etwas erhabenen, aufgedruckten Buchtitel getrennt, wie man sie bei Box- oder Wrestlingkämpfen gewinnen kann.


    Und damit sind wir auch schon so gut wie mittendrin in einer urkomischen, turbulenten Geschichte, die uns der italienische Schriftsteller Pierdomenico Baccalario erzählt.


    Zu einer großen Jubiläumsfeier haben sich in einem italienischen Bergdorf die Veranstalter etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Während die Erwachsenen zu einer Busreise ans Meer aufgebrochen sind, ist für die Kinder - fast alle gehören zu der Pfadfindergruppe des Ortes - ein Kostümfest ausgerichtet mit einem besonderen Höhepunkt: die sehr populäre Fantasyautorin Apollonia J. Brennan soll eine Lesung aus ihren erfolgreichen Büchern verbunden mit einer Signierstunde geben und wird von einigen Fans unter den jugendlichen Leseratten sehnlichst erwartet, hat sich allerdings aufgrund eines heftig einsetzenden Schneetreibens offenbar verspätet bzw. verfahren.
    Nun ja, nicht von allen Jugendlichen wird die Lesung herbeigesehnt. Antonello, überzeugter Nichtleser, möchte viel lieber echte,coole Abenteuer erleben und hat absolut keine Lust auf die zu erwartende, aus seiner Sicht überflüssige und langweilige Feier und möchte sich am liebsten unbemerkt davor drücken, läuft aber der ziemlich chaotischen Frau Lolli fast vor das Auto und wird von ihr kurzerhand auf das Fest mitgenommen. Unterwegs zum Festplatz kreuzen allerdings Waldtiere die Fahrbahn, die eindeutig vor irgendwas auf der Flucht sind.


    Zeitgleich findet bei dem Volk der Kolosse von Tarkaan - nicht weit entfernt von Antonellos Dorf - eine wichtige Versammlung statt: Anlass ist die traurige und allmählich bedrohlich werdende Tatsache, dass den Kriegern von Tarkaan unter ihrem Häuptling Malachan keine Kinder mehr geboren werden. Man versucht gemeinsam, eine Lösung aus dieser präkeren Situation zu finden. Nun ja, nicht alle Krieger mögen ihre nicht so fürchterlich hellen Köpfe mit diesem Problem belasten, sondern zwei der Kolosse gehen stattdessen lieber auf Schneekrakenjagd, damit es nach der Versammlung auch etwas Anständiges zu Essen gibt. Und da passiert es: bei der Verfolgung einer Kraken-Spur geraten die beiden Krieger in eine Felshöhle und finden sich bei deren Durchquerung in der Nähe von Antonellos Dorf wieder, stolpern fast über die bewußtlose Schriftstellerin, die mit ihrem Auto im Schnee offenbar nicht weiterkam und gelangen durch deren voreingestelltes Navi, deren Anweisungen die Kolosse einfach befolgen, mitten auf den Festplatz von Antonellos Dorf, wo das aufgestellte Festzelt ... voller Kinder ist! Was liegt näher für die schlicht denkenden Krieger, als einen Teil der Kinder zu ihrer verborgenen Stadt zu entführen?! Die bewußtlose Schriftstellerin nehmen sie bei der Gelegenheit gleich mit und wollen sie zum Schamanen ihrer Stadt bringen, da sie eindeutig ärztliche Hilfe benötigt.
    Allerdings wird ziemlich bald klar, dass die Kolosse an ihrer Beute nicht eitel Freude haben werden, denn einige der geraubten Kinder kennen die Fantasy-Bücher der Apollonia J. Brennan sehr genau und ziehen bald ihre eigenen Schlüsse.


    Natürlich bleibt das Ganze auch in Antonellos Dorf nicht ohne Folgen und es findet sich bald ein Suchtrupp zusammen, der auch den so genannten Meister enthält, ein Junge, von dem behauptet wird, dass er 7000 Bücher gelesen hat. Zwar muß dieser sich erst einen Überblick über Apollonias Fantasy-Reihe verschaffen, da er ausgerechnet deren Bücher bislang noch nicht kennt, verfolgt aber aus den vorhandenen Indizien sehr schnell die Theorie, dass sich durch die große Fangemeinde, die die Story der Autorin hervorgerufen hat, eine Parallelwelt ausgebildet hat, die - durch welchen Auslöser auch immer - nun für kurze Zeit mit der wirklichen Welt des Dorfes verbunden ist. Genauer gesagt bis zum nächsten Sonnenaufgang.
    Bis dahin muss jeder Bewohner der jeweiligen Welten besser wieder an seinem angestammten Platz sein, damit sich die Welten wieder auf Dauer trennen können.


    Kein einfaches Unterfangen, wenn man es mit machtgierigen Schamanen, Riesenschneekraken, listigen Dieben und störrischen Kindern zu tun hat, die allesamt ihre eigenen, oft ziemlich skurrilen Ziele verfolgen. Da sind Spannung, jede Menge Situationskomik, chaotische Verwicklungen und ein Haufen frischer Ideen angesagt, die mich sehr gut unterhalten haben.


    Nach eigener Aussage am Schluß des Buches hat der Autor - vielen Fantasy-Lesern auch schon bestens bekannt als Ulysses Moore - schon in der Schule in langweiligen Schulstunden lieber fantastische Geschichten erfunden. Er hat zwar Jura und Journalismus studiert, zum Glück für die Leser hat er allerdings nicht damit aufgehört, uns mit guten Romanen weiterhin Freude zu bereiten.


    Bitte gerne mehr davon.