John Boyne - Das Haus zur besonderen Verwendung/The House of Special Purpose

  • Seitenzahl: 558
    Org. Titel: The House of Special Purpose


    Inhalt (Klappentext):
    Russland 1915: In einem kleinen Dorf verhindert der sechzehnjährige Bauernsohn Georgi ein Attentat auf ein Mitglied der Zarenfamilie. Zar Nikolaus II. ruft Georgi daraufhin nach St. Petersburg, wo er ihn zum Leibwächter seines einzigen Sohnes ernennt, der nicht nur als Thronfolger in ständiger Lebensgefahr schwebt. Georgi weicht dem kleinen Zaren fortan nicht mehr von der Seite - und findet in ihm einen Freund. In den prunkvollen Sälen des Winterpalais begegnet er auch der Zarentochter Anastasia. Sie verlieben sich, wohl wissend, dass diese Liebe nicht sein darf. Doch Georgi und Anastasia gelingt es, unentdeckt zu bleiben. Bis die Revolution ausbricht und Anastasia und ihre Familie an einen geheimen Ort verschleppt werden - ins "Haus zur besonderen Verwendung".


    Autor:
    Die Bücher von John Boyne, geboren 1971, wurden bisher in mehr als 40 Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Der internationale Durchbruch gelang Boyne mit seinem Roman "Der Junge im gestreiften Pyjama", der in vielen Ländern auf den Bestsellerlisten stand, für das Kino verfilmt und von der Kritik als "ein kleines Wunder" gefeiert wurde. John Boyne lebt in Dublin.



    Meine Meinung und Bewertung:
    Das Schicksal der letzten Zarenfamilie, insbesondere das von Anastasia, hat schon zahlreiche Autoren und Filmemacher inspiriert - nun auch John Boyne. Dennoch empfinde ich das Buch nicht als Abklatsch bereits Dargebotenem, denn es ist kein historischer Roman im klassischen Sinne, sondern eher eine historische Fiction. John Boyne schafft somit etwas Neues. Es erzählt die Lebensgeschichte von Georgi und seiner großen Liebe, eine Liebe, die im Normalfall keine Chance gehabt hätte, ein zauberhaftes, modernes Märchen. Dabei wechselt er ständig den zeitlichen Ablauf, erzählt von Freunden, vom Eheleben mit seiner Frau Soja, das nach der Flucht in Frankreich und England stattfindet. Das stört den Lesefluss keinesfalls, sondern gibt der Geschichte stets neue Impulse, verknüpft Vergangenheit mit dem Heute. Und sie endet auch nicht 1981 mit dem Tod von Soja, sondern bietet stattdessen eine heimliche Zukunft. Dabei versteckt er eine Pointe, deren Aufdeckung er sich bis zum Schluß aufhebt. Obgleich ich sie schon früher ahnte, ist sie eine Art zusätzlicher Kick .
    Der Roman ist leicht und flüssig zu lesen, quält sich durch keine Längen, bietet immer wieder neue Perspektiven, ist aufregend, lebhaft und spannend bis zur letzten Seite. Historische Vorkenntnisse sind nützlich, aber kein Muß, denn John Boyne versteht es gekonnt den Leser in Zeit und Ort zu versetzen. Während vieles seiner Fantasie entspringt, verändert er keine historischen Daten.
    Fazit: Eine wunderschöne Geschichte mit einem sympathischen "Akteur", gefühlvoll ohne schmierig zu werden, dramatisch und berührend zugleich. Ein Buch zum Träumen, perfektes Lesekino.
    Meine Bewertung: von mir erhält das Buch begeisterte :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::thumleft:


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: Ralf Günther, Der Gartenkünstler

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Donnerwetter, bist Du schnell! Ich fange erst morgen damit an und kann die Rezi erst in knapp 2 Wochen einstellen, weil wir morgen verreisen und ich dann 11 Tage ohne Internetzugang bin. :shock:
    Es freut mich, dass Deine Beurteilung so gut ausfällt, da habe ich offensichtlich einen richtigen Urlaubsgenuss vor mir.
    Ich bin in der russischen Geschichte nicht mehr so fit und kann ja diesmal auch nicht bei wikipedia recherchieren. Meinst Du, dass ich ein Sachbuch zur russischen Geschichte mit in den Urlaub nehmen sollte, oder versteht man auch so alle Zusammenhänge? :-k

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Hallo €nigma!
    Ein Sachbuch über russische Geschichte in den Urlaub mitnehmen - ich glaube das ist unnötig, denn Boyne erklärt und beschreibt gut. Solltest du da wirklich noch etwas vertiefen wollen, reicht das auch danach.
    Dann bin ich mal gespannt, ob dir das Buch genau so gut gefällt wie mir. Doch zunächst wünsche ich dir einen tollen Urlaub! Ich muß mich noch ein wenig gedulden, wir fahren erst am 31. August. :)


    Liebe Grüsse :winken:
    Wirbelwind


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  • Frühlingswiese auch dir viel Vergnügen beim Lesen!


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


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    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Doch zunächst wünsche ich dir einen tollen Urlaub!

    Danke!
    Ich werde jetzt mal meinen Koffer packen und schauen, ob das Sachbuch noch reinpasst. ;)

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  • Meine Rezi:


    Ein schönes, teilweise trauriges und toll beschriebenes Buch!


    In der Geschichte geht es um Georgi, der mit seiner Familie in einem kleinen Dorf in Russland lebt. Er führt ein bescheidenes Leben in ärmlichen Verhältnissen. Als eines Tages der Vetters des Zar durch das Dorf Kaschin reitet, bewahrt Georgi diesen, mehr oder weniger durch Zufall, vor einem Attentat. Sein bester Freund ist im Begriff den Vetter des Zar zu töten. Georgi kann diese Tat jedoch verhindern, rettet das Leben des Vetters und macht sich dadurch jedoch verantwortlich für die Hinrichtung seines besten Freundes. Mit dieser Schuld wird er nur schwer fertig. Als ihm durch den Zar sodann angeboten wird, als Leibwächter für diesen zu dienen, nimmt Georgi das Angebot an und kann sein Glück kaum fassen, aus seinem trostlosen Dasein in Kaschin entfliehen zu können. Georgi lebt sodann im Winterpalais des Zar und kümmert sich um dessen einzigen Sohn, den Nachfolger des Zar. Er lernt dort auch seine große Liebe Anstasia kennen, die jüngste Tochter des Zar. Eine Beziehung der beiden ist jedoch ausgeschlossen, da Georgi nicht wohlhabend ist. Die beiden führen eine heimliche Liebesbeziehung. Georgi nimmt seine Aufgabe sehr ernst, bekommt dafür Anerkennung und das Vertrauen des Zar und lebt fortan ein recht glückliches und zufriedenes Leben. Es herrscht jedoch Krieg und zum Ende des Buches hin muss der Zar abdanken. Er und seine Familie werden vom Winterpalais fortgeschickt. Georgi ist plötzlich auf sich allein gestellt. Er macht sich auf die lange Reise zu Fuß durch Russland und sucht den Zar und seine Familie und seine große Liebe Anastasia.


    Das ganze Buch ist kapitelweise in verschiedene Jahresabschnitte geteilt. Man liest ein Kapitel im frühen 19. Jahrhundert, aus Georgis Jugend beim Zar und mit jedem Kapitel springen die Zeiten weiter. Erzählt wird das Buch aus der Sicht von George rückblickend. Dies war eine sehr schöne und angenehm zu lesende Art und Weise, finde ich. Am Ende des Buches überschlagen sich die Ereignisse, sowohl in der Gegenwart im Jahr 1981, wo Georgi ein alter Mann ist, als auch in seiner Erzählung von früher, als er die Familie des Zar endlich gefunden hat. Das Buch hat ein sehr trauriges Ende, womit ich nicht gerechnet hätte, aber alles in allem hat das Ende so genau auf die Geschichte gepasst.


    Die Personen des Buches sind schön dargestellt, ich hatte während des Lesens genaue Vorstellungen, der einzelnen Personen, der Orte oder auch der Gefühlslage und der Schicksalsschläge der Personen vermittelt bekommen. Der Schreibstil ist einfach und gut verständlich geschrieben, finde ich. Ein schönes Buch, eine tolle Geschichte und ein trauriges Ende. 4 Sterne

  • Hallo €nigma!
    Ein Sachbuch über russische Geschichte in den Urlaub mitnehmen - ich glaube das ist unnötig, denn Boyne erklärt und beschreibt gut. Solltest du da wirklich noch etwas vertiefen wollen, reicht das auch danach.
    Dann bin ich mal gespannt, ob dir das Buch genau so gut gefällt wie mir. Doch zunächst wünsche ich dir einen tollen Urlaub! Ich muß mich noch ein wenig gedulden, wir fahren erst am 31. August. :)


    Liebe Grüsse :winken:
    Wirbelwind


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    Ich bin noch im Urlaub, nehme mir aber trotzdem die Zeit für diesen tollen Roman. Absolut empfehlenswert!


    Rezi folgt nach unserer Rückkehr nach Bayern.


    Gruß aus Bremerhaven!

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  • "Das Haus zur besonderen Verwendung" des irischen Schriftstellers
    John Boyne (*1971) erzählt in zwei alternierenden Handlungssträngen die
    Lebensgeschichte des russischen Bauernsohns Georgi Daniilowitsch
    Jatschmenew.


    Im Jahr 1915 rettet der sechzehnjährige Georgi dem Vetter des Zaren
    Nikolaus II das Leben, indem er er ein Attentat vereitelt. Zur Belohnung
    wird er in die Leibgarde des Zaren aufgenommen und als Begleiter, bzw.
    Beschützer des elfjährigen Zarewitsch Alexei eingeteilt. Georgi lernt
    auch die vier Töchter des Zaren kennen und verliebt sich in die jüngste,
    Anastasia. In Russland bahnt sich infolge der zunehmenden
    Unzufriedenheit des darbenden russischen Volkes ein gesellschaftlicher
    Wandel an, es kommt zur Revolution und Absetzung des Zaren durch die
    Bolschewiken. Die Zarenfamilie schwebt in höchster Gefahr.


    Der zweite Erzählstrang setzt im Jahre 1981 ein und bewegt sich durch
    gut sechs Jahrzehnte zurück bis ins Jahr 1919, als Georgi und seine
    ebenfalls aus Russland stammende Frau Soja heirateten.Der Leser gewinnt
    nach und nach das Bild eines unsteten Lebens, das das Ehepaar
    Jatschmenew über Paris schließlich nach London geführt hat, wo Georgi
    und Soja trotz einiger Schicksalsschläge ein weitgehend
    zufriedenstellendes Leben führen, auch wenn ihr Heimweh niemals ganz
    erlischt.


    Der Aufbau des Romans mit den zwei sich aus gegensätzlichen
    Richtungen aufeinanderzubewegenden Erzählungen ist genial und hält das
    Interesse des Lesers wach, da man unbedingt wissen möchte (oder auch
    bereits ahnt), wie die verschiedenen Lebensabschnitte des Protagonisten
    zusammenhängen.


    Die Charakterisierung der Figuren ist sehr gelungen: Sie werden
    facettenreich mit ihren guten und weniger guten Eigenschaften
    dargestellt. Der Leser kann sich gut einfühlen.


    Der Erzählstil ist ansprechend und flüssig zu lesen, an dieser Stelle
    gebührt nicht nur dem Autor, sondern auch dem Übersetzer Fritz
    Schneider ein Lob.


    "Das Haus zur besonderen Verwendung" ist ein anspruchsvoller
    historischer Roman der Extraklasse, den ich geschichtlich interessierten
    Lesern dringend empfehlen möchte.
    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :thumleft:

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    (Francis Bacon)
    :study:
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  • Ich kann mich der allgemeinen Begeisterung nur anschließen...und da mich die Romanows schon immer interessiert haben, war dieses Buch erst recht ein Volltreffer für mich. :thumright:


    Meine Rezi für Vorablesen:


    Der fünfzehnjährige Georgi Daniilowitsch ist ein sogenannter "Muschik", ein Junge aus einer ganz gewöhnlichen, bettelarmen Bauernfamilie. Gemeinsam mit seinen Eltern und den drei Schwestern lebt er in dem kleinen russischen Dorf Kaschin ein recht ereignisloses Leben. Bis zu dem Tag, der sein Schicksal entscheidend verändern soll. Ein Vetter des Zaren reitet an jenem Tag mit seiner Gefolgschaft durch das Dorf. Alle Bewohner Kaschins säumen die Straßen, um ihn zu sehen und zu feiern. Doch einer hat Gegenteiliges im Sinn: Ausgerechnet Georgis Freund Kolek, Sohn eines den Zaren zutiefst verachtenden Mannes, zielt mit einer Pistole auf den vorbeireitenden Romanow. Georgi bemerkt als Einziger rechtzeitig, was vor sich geht und wirft sich, ohne groß darüber nachzudenken, dazwischen. In erster Linie will er seinen Freund vor einer großen Dummheit bewahren, doch als er mit einer Wunde an der Schulter wieder erwacht, ist Kolek längst gehängt worden und Georgi gilt als Held, der einem Mitglied der Zarenfamilie das Leben gerettet hat, unter Einsatz des seinigen. Zum Dank wird Georgi an den Hof nach St. Petersburg beordert, wo er fortan Leibwächter und Gefährte des elfjährigen Thronerbens Alexei sein soll. Anfangs ist der Junge von all dem Prunk überwältigt, doch bald schon hat er sich in seiner neuen Umgebung eingewöhnt und verehrt seine Arbeitgeber, die Zarenfamilie, von denen er auch recht private Einblicke mitbekommt. Doch besonders eine hat es Georgi angetan und bald schon ist er unsterblich in sie verliebt: Anastasia, die jüngste Tochter des Zaren...


    Die Geschichte von Georgi wird parallel auf zwei Handlungsebenen erzählt; abwechselnd erfahren wir über Georgis Erlebnisse mit den Romanows in der ferneren Vergangenheit und über das Leben mit seiner Ehefrau Soja in der näheren Vergangenheit, wobei letzteres rückwärts erzählt wird. Das ist ein cleverer Kniff des Autors, um nicht zu Beginn schon zu viel auf einmal zu enthüllen. Erst nach und nach setzt sich das Puzzle zusammen. Wer natürlich die historischen Fakten sowie die Mythen über die Romanow-Familie kennt, wird schnell einige entscheidende Zusammenhänge erkennen, doch das mindert das Lesevergnügen nicht im Geringsten - eher im Gegenteil.


    Gekonnt lässt der Autor historische Figuren und Begebenheiten zu neuem Leben erwachen und verwebt sie mit fiktivem. Desto weiter die Geschichte fortschreitet, desto mehr gerät der Leser in den Sog der Handlung und fiebert mit den liebgewonnenen Figuren mit. Am Ende klappt man das Buch nachdenklich zu und muss erstmal tief durchatmen. John Boyne hat mit "Das Haus zur besonderen Verwendung" eine spannende, atmosphärische und teilweise auch melancholische Geschichte geschaffen, die einen auch nach dem Lesen nicht so schnell loslässt.



    Einige Szenen haben mich besonders beeindruckt und werden mir noch länger im Gedächtnis bleiben:


    ...um nur einige Beispiele zu nennen.


    Ich vergebe 4 1/2 hochverdiente Sternchen: :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: / :bewertung1von5::applause::applause:


    Ich habe mir John Boynes andere Bücher, die noch nicht auf deutsch erschienen sind, bereits bei Amazon angesehen und da ist auch das ein oder andere dabei, was sehr interessant klingt. Da kommt vielleicht bald das nächste von ihm auf meinen SuB. ;)

  • Mein herzlicher Dank gilt zuerst dem Arche Verlag, der mir freundlicherweise ein Exemplar dieses Buches für eine Rezension zur Verfügung stellte.
    Der Roman "Das Haus zur besonderen Verwendung" von John Boyne ist ein wahres Meisterstück der Erzählkunst. In zwei, zeitlich gegenläufigen Handlungssträngen beschreibt der irische Autor, der in Deutschland vor allem durch den Roman "Der Junge im gestreiften Pyjama" bekannt wurde, das Schicksal zweier Menschen aus völlig unterschiedlichen sozialen Gesellschaftsschichten und gibt uns gleichzeitig einen zwar fiktiven, aber nichtsdestotrotz tiefen Einblick in eine historisch bedeutsame Zeit: das Leben der letzten Zarenfamilie Romanow und deren gewaltsamer, blutiger Untergang im "Haus zur besonderen Verwendung".


    Auf der Internetseite des Verlags findet sich unter www.zurbesonderenverwendung.de sehr viel interessantes Zusatzmaterial über die historischen Ereignisse samt Bildmaterial, Zeittafel, Leseprobe und Info über den Autor, was ich sehr bemerkens- und lobenswert finde und mir bei vielen anderen, vor allem historischen Romanen ebenfalls wünschen würde. Denn auf diese Weise kann der wissbegierige Leser doch ein wesentlich runderes Lesevergnügen erleben.


    Der junge Georgi Daniilowitsch verhindert im Alter von 16 Jahren durch sein beherztes, geistesgegenwärtiges Eingreifen ein tödliches Attentat auf einen Verwandten des letzten russischen Zaren, Nikolaus II, und wird deshalb damit belohnt, aus Kasin, seinem Heimatdorf in Russland, an den Hof des Zaren geholt zu werden, wo er zum persönlichen Leibwächter des ständig kränkelnden einzigen Sohnes des Zaren, Alexej, avanchiert. Durch seine Position erhält Georgi - und der Leser natürlich ebenfalls - sehr private Einblicke in das Leben der Zarenfamilie, wie es gewesen sein könnte.
    Boyne hat mit diesem Protagonisten Georgi eine Figur geschaffen, die sehr authentisch wirkt, aber als Kind zumindest immer auch einen Tick erwachsener rüberkommt als Jugendliche vergleichbaren Alters z.B. heute. Von der überschwänglichen Fülle am Zarenhof - immerhin soll Nickolaus II. der mit Abstand reichste Mann der Welt gewesen sein - beeindruckt aber nicht erschlagen, bewahrt er sich sehr wohl eine kritische, realistische Betrachtungsweise des ganzen Prunkes und frische, natürliche Neugier.


    Folgerichtig verliebt er sich in die jüngste Tochter des Zaren. Auch auf ihr lastet als jüngste von vier Schwestern, durch deren Heirat mit anderen Herrschersöhnen der Zar ein Weltreich aufzubauen gedachte, am wenigsten Druck, so dass sie im Prinzip am freiesten von allen Zarenkindern war. Wunderschön arbeitet Boyne im Roman auch das übermäßige Beschütztwerden des Thronfolgers Alexej heraus, das Frömmeln bzw. den religiösen Wahn der Zarewna, den Machtwahn des Zaren, der die Zeichen der Zeit bis zum bitteren Ende geflissentlich übersieht.
    Kurzum: Ohne zuviel dem eigenen Leseerlebnis vorwegnehmen zu wollen, würde ich sagen, dem Leser dieses Romans dürften einige politische Hintergründe und deren unausweichliche Folgen klarer vor Augen stehen und verständlicher geworden sein.


    Leider wurde die wirkliche Anastasia - wie auch auf der Webseite des Arche Verlags dokumentiert - zusammen mit ihrer Familie im Haus zur besonderen Verwendung von den Bolschewiken ermordet und die zarte, alle Standesunterschiede überwindende, romantische Liebesgeschichte, ebenso wie die gemeinsame Flucht ins Ausland und die Reise nach St. Petersburg zu den "Weißen Nächten" bleibt nur eine Fiktion. Doch die schriftstellerische Freiheit erlaubt eben gerade dieses erdachte "Was wäre, wenn...?" und wenn das auch noch von einem wahren Meister seines Faches geboten wird, wie es John Boyne zweifelsohne ist, dann läßt man sich als Leser gerne bezaubern und in eine historische Epoche (ver)führen, die ihresgleichen sucht.


    Danke für dieses wundervolle Buch.

  • In diesem Roman greift John Boyne die Legende um das Überleben der Zarentochter Anastasia auf. Er erzählt sie aus der Sicht seines Protagonisten Georgi, dieser berichtet auf einer Handlungsebene über die letzten Jahre der Zarenherrschaft in Russland, auf einer weiteren über sein Leben nach den Geschehnissen in Jekaterinburg bis hinein in die Gegenwart und der Leser erlebt förmlich mit, wie aus Georgi und Soja GeorgiundSoja wurden, wie sie selbst nannten, um die Nähe zu demonstrieren, die beide verband. John Boyne hält sich genau an die historisch vorgegebenen Eckpunkte und verknüpft Realität mit Fiktion. Denn wissenschaftlich ist spätestens seit den 1990er Jahren bewiesen, was in jener Nacht im Haus zur besonderen Verwendung geschah. Aber trotzdem ist dieser Roman etwas Besonderes. Er führt den Leser durch Krieg und Revolution ohne Action-Szenen und lässt uns an einer großen Liebe teilhaben, ohne dabei ins Kitschige abzudriften. Es herrschen die leiseren und besinnlicheren Töne in diesem Buch, das mich sehr berührt hat. Immer wieder gibt es Anspielungen auf Tolstois „Anna Karenina“, so z.B. der erste Satz in Boynes Roman oder die Eislaufszene. Sehr gut hat mir auch der Aufbau des Romans gefallen, die zwei Handlungsstränge, die sich immer mehr annähern, um sich dann zu gegebenen Zeitpunkt zu vereinen. Die vielen Zeitsprüngen bauten eher Spannung auf, als sie beim Lesen hinderlich gewesen sein könnten. Es wirkte auch nicht störend, dass ich schon sehr zeitig den Ausgang des Romans hätte vorhersagen können. Die Geschichte war so abwechslungsreich und interessant und sprachlich eindrucksvoll geschrieben, dass es eine Freude war, sie zu lesen. Der Charakter des männlichen Protagonisten Georgi war fein herausgearbeitet und glaubhaft beschrieben. Besonders seine Naivität, mit der er nach St. Petersburg kam und wie er die ihm fremde, luxuriöse Welt entdeckte, schilderte der Autor meisterlich. Die Charaktere der Zarenfamilie, das ist mein einziger kleiner Kritikpunkt, waren mir persönlich etwas zu weich, zu menschenfreundlich, zu volksnah.


    Mein Fazit: „Das Haus zur besonderen Verwendung“ ist ein ausgesprochen schöner Roman, der besonders durch seine Sprache besticht. Wenn die Realität auch nicht so war, wie im Roman geschildert, hätte sie doch genau so gewesen sein können.

  • Über sechzig Jahre ist es her, dass der mittlerweile 82-jährige Georgi Daniilowitsch Jatschmenew seinem Heimatland Russland, gemeinsam mit seiner Ehefrau Soja, den Rücken kehrte. Sojas Lebensweg nähert sich nach all den Jahren dem Ende, denn sie ist unheilbar an Krebs erkrankt. Deshalb lässt Georgi die Vergangenheit noch einmal Revue passieren und blickt dabei auf ein ereignisreiches Leben zurück. Obwohl Georgi als Sohn einer einfachen Bauernfamilie geboren wurde, gelangte er in das unmittelbare Umfeld der letzten Zarenfamilie. Im Alter von sechzehn Jahren konnte er ein Attentat auf ein Mitglied der Zarenfamilie verhindern und wurde deshalb nach St. Petersburg berufen, um dort in der Leibgarde zu dienen. Bereits bei seiner ersten Begegnung mit den Töchtern des Zaren, verlor er sein Herz an Anastasia.


    Meine Meinung


    "Das Haus zur besonderen Verwendung" ist eine fiktive Erzählung. Die Handlung beschäftigt sich mit dem Schicksal der letzten Zarenfamilie. Dazu wird die Ich-Perspektive, aus Georgis Sicht, verwendet. Im Jahre 1981 muss der 82-jährige Georgi von seiner Ehefrau Soja Abschied nehmen, da sie unheilbar an Krebs erkrankt ist. Seine Gedanken schweifen in die Vergangenheit. Stück für Stück blickt er dabei immer weiter zurück, lässt wichtige Stationen im gemeinsamen Leben Revue passieren, um sich schließlich an den Beginn ihres gemeinsamen Lebens zu erinnern. Unterbrochen werden diese Rückblicke durch die Erinnerungen des ganz jungen Georgi, der, durch sein beherztes Eingreifen, ein Attentat auf ein Mitglied der Zarenfamilie verhindern konnte und damit sein ganzes Leben änderte. Dieser Erzählstrang beginnt im Jahre 1915 und endet mit der Ermordung der Zarenfamilie im Jahre 1918. Die beiden Handlungsstränge wechseln ab, um am Ende zusammenzulaufen.


    In den Erinnerungen des jungen Georgi kann man zunächst einen Blick auf das ganz normale, harte Leben einer russischen Bauernfamilie werfen und erfährt, wie es in den Dörfern zuging und welche Stimmung dort herrschte. Nach seiner Aufnahme in die Leibgarde des Zaren lernt Georgi die andere Seite Russlands kennen. Die Zarenfamilie lebt im Reichtum und wohnt in prächtigen Palästen. Der Erzähler Georgi wirkt sehr sympathisch und schildert die Begebenheiten und Handlungsorte so detailliert, dass man sich die prunkvolle Kulisse gut vorstellen kann. Da Georgi der Zarenfamilie vollkommen ergeben ist und man das Geschehen mit seinen Augen betrachtet, zeichnet er ein freundliches und angenehmes Bild der Familie und stellt ihre Lebensweise nicht in Frage. Er wagt allerdings nicht daran zu denken, was der Zar mit ihm tun würde, wenn er von seiner Liebe zu Anastasia erführe. Der Starez Grigori Rasputin und sein unheilvoller Einfluss auf die Zarin, wird von Georgi äusserst misstrauisch betrachtet. Die historische Ereignisse der damaligen Zeit verschmelzen mit Georgis Erinnerungen und werden so in die Handlung eingeflochten.


    Die Rückblicke des alten Georgi beschreiben das Leben im Exil und die gemeinsamen Jahre mit seiner Ehefrau Soja. Die beiden haben schon einiges überwunden und besonders Soja scheint vom Schicksal arg gebeutelt. Die Liebe des Ehepaars zueinander ist dabei allgegenwärtig und beim Lesen spürbar. Die beiden abwechselnden Handlungsstränge lassen die Erzählung durchgehend interessant wirken und machen neugierig auf die Auflösung.


    Durch John Boynes wundervollen Schreibstil fällt es leicht in das ereignisreiche Leben Georgis einzutauchen und seine große Liebe zu Soja nachzuempfinden. Lange Zeit hat mich kein Buch so sehr gefesselt wie "Das Haus zur besonderen Verwendung". Dem Autor gelingt es die großen Gefühle glaubhaft zu vermitteln, ohne dabei zu dick aufzutragen. Obwohl man weiß, welches Schicksal die Zarenfamilie im Haus zur besonderen Verwendung erwartet, hofft man beim Lesen auf ein Wunder. Ich vergebe begeisterte fünf Bewertungssterne und empfehle die Lebensgeschichte von Georgi, Anastasia und Soja gerne weiter.



    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Nach dem Lesen des Buches Das Haus zur besonderen Verwendung habe ich einen neuen Autor für mich entdeckt. Er hat es geschafft dem Leser einer Mischung aus Geschichte, Liebe und Spannung nahezubringen, und dem Ganzen eine eigene Note gegeben. Schön fand ich, dass man der Zarenfamilie so nahe gekommen ist und diese intensiv kennengelernt hat. Er hat versucht die "menschlichen" Züge der Familie darzustellen und zu zeigen, dass die damalige Zeit nicht nur für Normalbürger schwer war, sondern auch für die Zarenfamilie. Ich finde auch nicht, dass er sie "zu menschennah" dargestellt hat, denn im Endeffeckt könnte es genauso gewesen sein.
    John Boyne schreibt sehr anspruchsvoll, benutzt eine schöne Sprache, die hervorsticht, sich aber keinesfalls schwer lesen lässt. Die Charaktere sind auch schön ausgearbeitet, man lernt ihre Schwächen und Stärken kennen und wie sie mit ihren Schicksalen umzugehen versuchen.
    Gelungen fand ich auch die Zeitsprünge im Buch. So konnte der Leser die Gegenwart kennenlernen, wurde aber in unterschiedliche Zeiten in die Vergangenheit zurückgeworfen. Nach und nach ergab sich dann ein stimmiges Bild wie das Leben von Grigori und Soja ausgesehen hat.
    Insgesamt enspricht das Buch den Geschichtlichen Ereignissen, auch wenn eine Portion Fiktion nicht fehlt. Aber es ist eben kein Nacherzählen geschichtlicher Ereignisse, sondern etwas Eigenes und Neues. Für dieses wunderbare Buch vergebe ich :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: !

  • Das Schicksal der jüngsten Tochter des letzten Zaren von Russland beschäftigt immer noch Historiker und Autoren - John Boyne erschafft mit seinem Liebes-Roman eine weitere phantasievolle Variante, was mit ihr hätte passiert sein können...


    Georgi ist ein Bauernsohn in einem elenden kleinen Dorf irgendwo in Russland. Sein Schicksal entscheidet sich an dem Tag, als er ein Attentat auf den Vetter der Zaren verhindert. Als Dank wird er zum Begleiter und Leibwächter des Zarewitsch Alexei, des Thronfolgers, ernannt und kommt an den Hof in Sankt Petersburg. Die Pracht und Fülle des dortigen Lebens überwältigt ihn anfänglich beinahe.


    Schon am Tag seiner Ankunft begegnet er auch den vier Töchtern des Zaren, von denen vor allem Großherzogin Anastasia, die Jüngste, ihm sofort ins Auge fällt - und umgekehrt! Die beiden beginnen eine völlig unstandesgemäße Beziehung, von der natürlich niemand wissen darf, denn eine Verbindung zwischen den beiden scheint völlig unmöglich.


    Aus Sicht von Georgi wird der Leser durch die turbulenten Jahre während des Zweiten Weltkriegs in Russland, den Beginn der Revolution und das Ende der Zarenherrschaft geführt, wobei der Autor sein Hauptaugenmerk aber deutlich mehr auf die privaten Geschehnisse legt und den großen Geschichtskontext nur beiläufig ab und zu einfließen lässt.


    In einem anderen Erzählstrang wird in Zeitsprüngen das Leben von Georgi und seiner Frau Soja im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts in Frankreich und England beschrieben. Dem Leser ist schnell klar, wer Soja ist, obwohl ich mich unwillkürlich immer wieder gefragt habe, ob das denn wirklich sein kann. Mit der endgültigen Aufklärung muss man dann auch bis zum Ende des Buches warten.


    Als historischen Roman kann man das Buch wahrscheinlich gar nicht bezeichnen, dazu ist es doch zu frei erzählt. Es ist eher eine Liebesgeschichte vor dem großen Rahmen der Geschichte des frühen 20. Jahrhunderts und als solche gut und flüssig zu lesen.

  • Um die letzten Tage der Romanow-Dynastie rankten sich immer schon Legenden und Verschwörungstheorien: War Rasputin wirklich nur der private Beichtvater und Ratgeber der Zarin oder mehr? Fiel er einem Komplott im Auftrag höchster Stellen zum Opfer? Sagte vielleicht eine der Frauen, die sich als Großfürstin Anastasia ausgaben, am Ende doch die Wahrheit?


    Mit Georgi erschafft Boyne einen Beteiligten und Beobachter, den er in die undurchschaubare Szenerie wirft und seine Geschichte erzählen lässt, eine ebenso schmerzliche wie liebevolle und spannende Geschichte. Aber Georgi ist nicht nur Zeitzeuge der russischen Historie zwischen Zarenherrschaft und stalinistischen Säuberungen, sondern auch des 2. Weltkriegs und der Nachkriegsära.


    Nach der Flucht vor den Bolschewiken zunächst in Paris gestrandet ziehen Georgi und seine russische Ehefrau Soja nach London. Obwohl sie Arbeit finden, eine Tochter bekommen und jahrzehntelang in England leben, bleiben das Heimweh und das Gefühl, Fremde zu sein.


    In die beiden versetzt nebeneinander herlaufenden Hauptstränge (Kindheit bis Flucht; Sojas Krankheit bis zu ihrem Tod) flicht der Erzähler Ereignisse aus anderen Zeiten seines Lebens ein, den Tod der Tochter, die beruflichen Aufgaben und Begegnungen, den Aufenthalt in Paris und die Hochzeit, Bombenangriffe auf London, u.a. So setzt sich aus den Bildern verschiedener Lebensphasen Georgis gesamte Biographie zusammen, sicher kein typisches, aber ein exemplarisches Leben im 20. Jahrhundert.


    Auch wenn die Pointe für einen aufmerksamen Leser keine große Überraschung bereithält, sondern seine Vermutungen bestätigt, laufen alle Handlungslinien konsequent darauf zu: Eine exzellente literarische Konstruktion.


    Fazit:
    Ein sehr gut aufgebautes, lebendig und spannend erzähltes Buch mit sorgfältig recherchiertem historischem Hintergrund.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Danke an alle für die tollen Rezensionen. Ihr habt mich nun mit eurer Begeisterung sehr neugierig gemacht und das Buch wandert ganz schnell auf meine Wunschliste. Ich hoffe, ich werde auch bald in diesen geschichtlichen Genuss kommen und bin vom Autor John Boyne danch evtl. auch so begeistert. :)

    "Neue Bücher rochen nach Druckerschwärze, nach Leim, nach Erwartungen. Alte Bücher dufteten nach Abenteuern, ihren eigenen und jenen, von denen sie erzählten. Und gute Bücher verströmten ein Aroma, in dem das alles steckte, und dazu noch ein Hauch von Magie."
    Kai Meyer


  • @ Engel: Gut, dass du diesen Thread hervorholst und mich so daran erinnerst, dass ich meine Meinung dazu hier noch gar nicht gepostet habe. Das werde ich gleich ändern und schon hast du noch eine begeisterte Meinung mehr, die dich dazu bringen könnte, dir das Buch so schnell wie möglich zu kaufen. :wink:


    Es gibt Bücher, die aus mir als Langschläferin eine Frühaufsteherin machen. Die mich guten Gewissens vom Lernen abhalten, die mich alles um mich herum vergessen machen. So ein Buch ist "Das Haus zur besonderen Verwendung".


    Schon von der ersten Seite an war ich völlig eingenommen von dem wunderbaren Stil des Autors. John Boyne versteht es, mit Wörtern ein Kunstwerk zu erschaffen. Jedes Wort ist wohlgewählt, passt zu seinen Vorgängern und Nachfolgern. Dabei schafft der Autor eine Atmosphäre, die gefangennimmt und nicht mehr loslässt. Ich habe jede Leseunterbrechung verflucht, denn dieses Buch übt einen Sog aus, dem ich nicht widerstehen konnte.


    Dabei ist der Stil des Autors eher nüchtern und sachlich. Aber er schafft es, beim Leser dafür umso mehr Emotionen zu verursachen. Ich habe mit den Charakteren des Buches gelebt und mich dabei wie ein Teil von ihnen gefühlt. Ich wollte ihnen nicht mehr von der Seite weichen, ihnen ein Freund sein und mehr von ihrem Leben erfahren. Georgi und Anastasia, der Zar und der Zarewitsch, Georgis Schwester Asja: Sie alle waren mir sofort sympathisch. Aber es gibt in diesem Buch auch Charaktere, die mir überhaupt nicht sympathisch waren. Insgesamt wirkten sie jedoch alle authentisch, wurden dem Leser umfassend beschrieben, sodass sie vor meinem inneren Auge Gestalt annehmen konnten. John Boyne verwendet viel Mühe darauf, den Lebensweg seiner Charaktere umfassend zu zeichnen: Freunde, Beruf, Eheleben, alles beschreibt er ebenso genau wie die Orte, an denen die Handlung spielt: Russland, Paris, England.


    Der Aufbau des Buches hat mich ebenfalls sehr fasziniert. Zwei Handlungsstränge laufen aufeinander zu und treffen sich in der Mitte. Ich habe noch kein Buch gelesen, bei dem die Erzählweise ähnlich ist, und sie hat mich sofort fasziniert. Dazu ist die Handlung des Romans sehr packend und ergreifend. Ich habe ein Wechselbad der Gefühle erlebt, denn zusammen mit dem Ich-Erzähler Georgi durchläuft der Leser Momente des Glücks, der Trauer, des Hasses, der Liebe. John Boyne schafft es, eine Geschichtsstunde abzuhalten, die kurzweilig und dabei doch interessant und lehrhaft ist. Auch Leser ohne Hintergrundwissen werden gut in die Geschichte Russlands eingeführt. Mir hat es große Freude bereitet, von John Boyne auf eine lebhafte und spannende Weise unterrichtet zu werden.

    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


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  • Also jetzt bin ich wohl restlos überzeugt. :D Danke auch dir gaensebluemche, für deine Meinung zu diesem Buch. Ich hatte zuerst die Befürchtung, da es in Russland spielt, dann noch historisch und über die Zarenfamilie, es wäre vielleicht etwas zu trocken und daher nichts für mich, aber dem scheint nicht so. John Boyne´s Erzählstil möchte ich nun wirklich gerne Kennenlernen und habe mir hier eben schon einmal das Jugendbuch "Der Junge im gestreiften Pyjama" bereitgelegt und möchte es vielleicht heute noch lesen.

    "Neue Bücher rochen nach Druckerschwärze, nach Leim, nach Erwartungen. Alte Bücher dufteten nach Abenteuern, ihren eigenen und jenen, von denen sie erzählten. Und gute Bücher verströmten ein Aroma, in dem das alles steckte, und dazu noch ein Hauch von Magie."
    Kai Meyer