Hillary Jordan - Die Tränen von Mississippi / Mudbound

  • Im Mississippi-Delta liegt eine kleine Farm, die mit viel Hingabe und körperlicher Arbeit genug abwerfen kann, um eine Familie zu ernähren - Mudbound. Die Zeiten sind hart, die Weltwirtschaftskrise überwunden und der 2. Weltkrieg beendet.
    In diesem Klima entführt Henry McAllan seine Memphis-geborene Ehefrau Laura und ihre Töchter aufs Land. Die beiden verbindet weniger eine leidenschaftliche Liebe als eine kameradschaftliche Beziehung. Henry ist ein bodenständiger Charakter, der in vielem mittelmässig ist. Laura, froh durch seinen Heiratsantrag einem Leben als alte Jungfrau entgangen zu sein.


    Die Entscheidung aufs Land zu ziehen, stellt das Leben der beiden nicht nur auf den Kopf sondern auch vor einige Machtkämpfe. Dass Henrys unzufriedener und rüder Vater Pappy ebenfalls in das Heim einzieht, belastet Laura umso mehr, als Henry sich seinem Einfluss durch Landarbeit entziehen kann und sie oft mit dem alten Herren allein zurückbleibt, der jeden ihrer Schritte böse kommentiert.


    Nur einen Tag nach der Ankunft in einem unfreundlichen und heruntergekommenen Farmhaus erkranken beide Töchter und so knüpfen sie in ihrer Not Kontakt zu einem der “share-cropper”-Paare auf der Farm, den Jacksons. Hap und Florence haben sich ein Standbein unter dem vorherigen Farmbesitzer geschaffen und sind froh, nicht von Henry vom Land gewiesen zu werden.


    Florence hilft den McAllans die Krankheitsphase zu überstehen und bald wird klar, dass es zu Konflikten zwischen diesem dunkelhäutigen Ehepaar und Pappy kommen wird. Doch eine eigene Dynamik nimmt der Rassenkonflikt an, als sowohl Henrys junger Bruder Jamie als auch der Jackson-Sohn Ronsel aus dem 2. Weltkrieg zurückkehren. Die beiden kannten sich nicht, kämpfen aber jeder mit den eigenen Dämonen und dem Versuch, sich der südstaatlichen Gesellschaft wieder anzunähern. Doch beide haben im Krieg zuviel erlebt, um den übergang leicht zu schaffen. Jamie bietet Ronsel häufiger seine Fahrtdienste an und lässt ihn im Fahrerhaus seines Pick-ups sitzen, statt ihn auf die Ladefläche zu verbannen. Dieses freundliche und offene Verhalten gefährdet die “Ordung” im mississippischen Hinterland und führt zu bösem Blut...


    Ronsel berichtet über seine Zeit als einer der wenigen schwarzen amerikanischen Soldaten, die im 2. Weltkrieg an Kampfhandlungen teilnahmen. Er schwärmt von der Offenheit und Freiheit, die ihm dort entgegen gebracht wurden und empfindet Probleme sich nach Kriegsende in sein altes Leben einzufinden. Letztes Jahr habe ich Andrea Levys “Eine englische Art des Glücks” gelesen, in dem ein Kapitel davon handelt, wie beschränkt die Freiheit ebendieser Soldaten waren im Vergleich zu den jamaikanischen Truppen. Gerade vor dem Hintergrund fand ich es sehr erschreckend sich vorzustellen, wie viel Demütigung Ronsel wahrscheinlich bereits zuvor in seinem Leben erdulden musste.


    Dieser Roman hat mich kalt erwischt. Er ist ein Pageturner ohnegleichen und nur schwer zu verdauen. Aus sechs verschiedenen Perspektiven entspannt sich ein Panorama des Misstrauens, roher Gewalt, Familienzusammenhalt und dem Konflikt zwischen Anpassung und Anstand, der in einer Katastrophe endet. Schon lange habe ich nichts mehr gelesen, dass so lebhafte männliche Aggression ausstrahlt. Mehr als einmal musste ich schaudern. Zu sagen, dass ich ihn gern gelesen habe, wäre eine Lüge, doch er hat eine immense Kraft und fesselte mich sehr.


    Empfehlenswert? Ich denke schon. Er behandelt eine Ära, die wenig Raum für Empfindlichkeiten liess und das tägliche Werk zum überleben beitrug. Das darf niemals Entschuldigung für fehlende Anteilnahme, Vertrauen und Menschlichkeit sein. Gerade dies bringt diese schmerzhafte Geschichte klar zum Ausdruck. Es ist fast unmöglich beim Lesen gefühllos zu bleiben.
    Ich bin gespannt auf mehr von Hillary Jordan!


    Noch nicht auf deutsch erschienen.

    She wanted to talk, but there seemed to be an embargo on every subject.
    - Jane Austen "Pride and prejudice" - +

  • Mississippi, USA, 1946. Laura McAllan folgt ihrem Ehemann auf eine Farm, wo er eine Baumwollplantage betreiben will. Doch in diesem Südstaat gibt es zahlreiche Probleme. Laura kann sich nur schwer mit dem einfachen Leben auf der Farm anfreunden. Ihr Ehemann Henry sorgt sich regelmäßig um seine Ernte und muss ein Auge auf seine afroamerikanischen Erntehelfer haben. Sein Bruder stößt als Kriegsheimkehrer dazu. Seine Psyche hat mehr Schäden erlangt, als sein Körper und er freundet sich mit dem Sohn der Erntehelferfamilie an. Doch diese schwarz-weiße Freundschaft widerstrebt vielen im Ort.


    "Mudbound – Die Tränen von Mississippi" wurde bereits in 15 Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet. Ich war gespannt auf den Roman, da mich die USA interessieren - auch die dunklen Kapitel des Landes. Außerdem ist Rassendiskriminierung leider immer noch sehr aktuell - nicht nur in den USA.


    Der Roman wird aus der Sicht von sechs Protagonisten geschildert. Zu Wort kommen dabei Laura, ihr Mann Henry und ihr Schwager Jamie. Außerdem eine der Erntehelferfamilie mit Florence, Hap und ihrem Sohn Ronsel. Alle berichten als Ich-Erzähler, wodurch der Leser ein gutes Gesamtbild erhält und die Gedanken und unterschiedlichen Ansichten der Charaktere kennenlernt. Allerdings ist es mir nicht gelungen eine Beziehung zu einer der Figuren aufzubauen. Die Geschichte nimmt eine schlimme Wendung. Es gibt Situationen, in denen der Konflikt zwischen schwarz und weiß so grausam wird, dass man diese Ungerechtigkeit kaum aushält. Trotzdem hat der Roman mich emotional nicht abgeholt.


    Die Verfilmung des Buchs findet man seit dem 17. November auf Netflix.


    Fazit: Die Thematik des Buches ist wichtig und interessant, aber die Umsetzung hat mich leider emotional nicht abholen können.

    Broschiert: 384 Seiten
    Verlag: Pendo (2. November 2017)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3866124562
    ISBN-13: 978-3866124561
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  • Eines meiner Jahreshighlights



    „Mudbound – Die Tränen von Mississippi“ von Hillary Jordan gehört definitiv zu den Highlights meines Lesejahres 2017. Dabei bezieht sich meine Rezension hier auf die Hörbuchvariante des Romans.
    Die Kapitel werden abwechselnd in der Ich-Perspektive durch die verschiedenen Protagonisten der Handlung erzählt. Da ist natürlich Laura, die gemeinsam mit ihrem Mann Henry und ihren beiden Kindern auf eine Farm gezogen ist. Beide treten in der Geschichte als Erzähler auf. Hinzu kommen Henry’s jüngerer Bruder Jamie und drei Mitglieder der Familie Jackson (Florence, Hap und ihr Sohn Ronsel).
    Dabei steht nicht nur Lauras Unzufriedenheit mit dem Leben auf der Farm im Vordergrund. Es geht um viel mehr: Um Rassismus, Ungerechtigkeit, Familienstreitigkeiten, Kriegstraumata…
    Hillary Jordan gelingt es, die dramatische und tragische Geschichte so geschickt in Szene zu setzen, dass man die Verzweiflung einiger Charaktere hautnah miterleben kann. Nicht zuletzt tragen dazu die Sprecher des Hörbuches bei, die in ihren Rollen aufzugehen scheinen. Dabei erzählt Hillary Jordan durch die Protagonisten ihre Geschichte auf eine Art und Weise, die weder rührselig noch kitschig ist. Die Ereignisse werden dem Leser/Zuhörer einfach relativ schonungslos vor Augen geführt. Die Ungerechtigkeit, mit der man Ronsel und seine Familie behandelt, geht einem sehr nahe und man hofft einfach, dass sich für sie alles doch noch zum Besseren wenden wird.
    „Mudbound – Die Tränen von Mississippi“ hat mir sehr gut gefallen und die Geschichte wird mich sicher noch eine ganze Weile in Gedanken begleiten. Es ist eine aufwühlende, emotional bewegende und spannende Geschichte, die Hillary Jordan da erzählt und die von mir volle fünf Sterne erhält.

  • Laura ist dreißig und immer noch ohne Mann, und so langsam hat sie sich schon damit abgefunden, dass sie wohl als alte Jungfer enden wird, als sie Henry McAllan kennenlernt, der nach und nach auf seine ruhige Art ihr Herz erobert. Die Ehe der beiden ist nicht aufregend, aber glücklich und mit zwei süßen Töchtern gesegnet. Dass Henrys Familie von seinem charmanten Bruder Jamie abgesehen Laura nicht gerade mit offenen Armen empfängt und nichts von studierten Frauen hält, ist da erst einmal zweitrangig.


    Doch als Henry über ihren Kopf hinweg entscheidet, eine Farm in einem Kaff in Mississippi zu kaufen, zieht es Laura schier den Boden unter den Füßen weg. Einfach übergangen zu werden, weil sie ja nur die Frau ist, passt überhaupt nicht zu ihrem Eheverständnis. Und es kommt noch schlimmer: nicht nur, dass die Farm eine heruntergekommene Katastrophe und kaum bewohnbar ist, Henry plant auch noch, seinen unausstehlichen Vater dort mit einzuquartieren.


    Zu den Pächtern, die die Farm bewirtschaften, gehören auch Hap und Florence Jackson. Florence ist Hebamme, muss nun aber auch wohl oder übel Laura im Haus zur Hand gehen und sich die rassistischen Anwürfe von Henrys Vater gefallen lassen, der Weiße für die besseren Menschen hält.


    Als Jamie aus dem 2. Weltkrieg heimkehrt, freundet er sich mit Ronsel, dem ältesten Sohn der Jacksons, an, was schließlich eine Kette von fatalen Ereignissen in Gang setzt.


    Was wie eine gemächliche Familiengeschichte beginnt, in der Henrys eigenmächtige Entscheidung der größte Aufreger ist, erweitert sich mit dem Umzug der McAllans auf die Farm um die Erzählstimmen von Hap, Florence und Ronsel und lenkt den Blick somit aus mehreren Perspektiven auf die Segregationsthematik und den krassen Rassismus, der insbesondere im Süden der USA hemmungslos ausgelebt wurde. Es tut manchmal fast weh, zu lesen, wie die Jacksons angegriffen, beleidigt und in Notsituationen abgewiesen werden, nur weil sie die falsche Hautfarbe haben. Ganz anders wurde mir bei den wenigen Passagen, die aus Sicht der Täter erzählen, alleine schon bei deren kruden Argumenten. Widerlich und doch leider auch heute noch viel zu realistisch.


    Es ist ein fesselnd geschriebenes Buch mit differenziert gezeichneten Figuren, aber keine leichte Unterhaltung, wie man vielleicht zunächst vermutet. Vielmehr lässt es einem bleischwer ums Herz werden angesichts der sinnlosen, hirnlosen Gewalt in Wort und Tat, perfide legitimiert durch ein widerwärtiges Verständnis von "Rasse", die einige wunderbare Menschen hier erleben müssen. "Mudbound" ist "nur" ein Roman, die Hintergründe entspringen aber leider nicht der Phantasie der Autorin. Ein aufrüttelndes Buch, das sehr deutlich macht, wozu Menschen fähig sind und wie wichtig es ist, Diskriminierung nicht zu tolerieren.