Juan Rulfo - Pedro Páramo

  • Juan Rulfo "Pedro Páramo" (auch der Originaltitel)
    Suhrkamp Taschenbuch, 2010
    167 Seiten
    Aus dem Spanischen von Dagmar Ploetz


    Klappentext:


    "Comala ist ein wüster Steinhaufen inmitten einer sonnenverbrannten Einöde. Die einen arbeiten sich zu Tode, um überleben zu können, die anderen beuten das Volk aus, betrügen, unterdrücken und morden. Pedro Páramo, Großgrundbesitzer und Dorftyrann, hat in dem heruntergekommenen Dorf "Ordnung" geschaffen. Doch die Toten geben keine Ruhe und reden in ihren Gräbern weiter von seinen Untaten. Kein anderer Schriftsteller hat so viel Einfluss auf nachfolgende Generationen in Südamerika ausgeübt wie Juan Rulfo. Sein einziger Roman ist ein dunkles Epos von Tod und Gewalt, das bis heute nichts von seiner Wucht verloren hat und jetzt in einer Neuübersetzung von Dagmar Ploetz vorliegt."


    Autor (von der Suhrkamp-Seite):

    "Der mexikanische Schriftsteller Juan Rulfo wurde 1917 in Sayulo geboren. Schon im Alter von zehn Jahren wurde er zur Vollwaisen und verbrachte seine restliche Kindheit in einem Internat in Guadalajara.
    Nach zahlreichen Reisen durch Mexiko und kleinen Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften erschien 1953 sein Erzählband Der Llano in Flammen und bald darauf sein Roman Pedro Páramo, der seinen Ruhm als einer der bedeutendsten Schriftsteller Lateinamerikas begründete. Der Roman gilt als ein Schlüsseltext der lateinamerikanischen Literatur.
    Nach seinen Veröffentlichungen zog sich Rulfo vom Schreiben zurück und ..."


    Leseeindrücke:


    Dieses Buch war für mich ein intensives Leseerlebnis. Im Klappentext steht:


    "In der Verbindung von lakonischem Realismus und bildhaften Traumszenen liegt die Kraft dieses Romans, der die sprachlosen Gewaltverhältnisse der lateinamerikanischen Wirklichkeit in Literatur überführt, in eine Prosa von strenger Schönheit."


    Diese Worte beschreiben die Sprache des Romans sehr gut. Die Atmosphäre ist sehr eigenartig, melancholisch, unwirklich und gleichzeitig unglaublich realistisch, besonders, wenn die Natur beschrieben wird: man spürt den heißen Wind auf der Haut, hört den Regen.


    Es gibt keinen roten Faden. Juan Preciado beschreibt, wie er nach Comala kommt und den ersten Menschen antrifft, der ihm Auskunft über den Ort und seinen Vater, den er aufsuchen will, gibt. Danach kommt er zu Dona Eduviges, bei der er wohnt. Nach und nach trifft er immer mehr Menschen, aber die Art, wie sie reden, ist rätselhaft. Nur in Bruchstücken erfährt er (und wir) Dinge über seinen längst verstorbenen Vater, über seine Mutter, über die zweite Frau Pedro Páramos.


    Mittendrin gibt es Passagen, von denen man beim Lesen nicht weiß, wer da erzählt. Das klärt sich am Ende der Passage oder auch erst viele Seiten später. Plötzlich geht einem ein Licht auf, nach und nach wird ein fast rundes Ding aus dem fragmenthaft anmutenden Text - fast, wie gesagt.


    Ich denke, es ist kein Spoiler, wenn ich sage, dass die Menschen, die wir erzählen hören, fast alle tot sind, wir befinden uns in einem Geisterdorf. Der Autor wechselt aber den Erzählstil immer wieder so, dass wir einmal in dem Geisterdorf, dann wieder im lebendigen Comala, wie es war, sind. Ein Abschnitt beschreibt ein Geschehnis so, als würde es gerade passieren, während im nächsten Abschnitt die Protagonisten schon aus ihren Gräbern berichten.


    Zu betonen gilt noch, dass dies kein Buch ist, in dem es nur um Gewalt geht, auch, wenn der oben zitierte Text das vermuten lassen mag. Es geht auch um Liebe. Pedro Páramo, der scheinbar gewissenlos Menschen ihr Land wegnimmt, hat mich mit seiner Sehnsucht nach Susana, seiner Jugendfreundin, sehr berührt, ebenso Susana mit ihrer Sehnsucht nach ihrem verstorbenen ersten Mann. Auch andere Aspekte des Romans gehen unter die Haut, es gibt einen Abschnitt, in dem der Leser erfährt, woher Susanas Verrücktheit kommt und da läuft es einem kalt den Rücken herunter.


    Da ich nicht weiß, wann der Roman spielt und mich auch nicht mit Mexiko und seiner politischen Vergangenheit auskenne, kann ich nicht den ganzen Kontext des Romans erschließen. Ich denke, mit einem gewissen Hintergrundwissen erschließt sich einem das Buch viel besser. Nichtsdestotrotz war die Lektüre wie gesagt sehr intensiv und ich kann sie nur weiterempfehlen.


    Hier noch ein kleiner Textauszug, um die schöne Sprache des Autors zu zeigen:


    "Es gab keine Luft. Ich musste die Luft wieder einsaugen, die aus meinem Mund kam, hielt sie mit den Händen auf, bevor sie sich verflüchtigte. Ich spürte sie kommen und gehen, und es war jedesmal weniger. Bis sie so dünn war, dass sie meinen Fingern für immer entschlüpfte.
    Ich sage, für immer."


    Die Taschenbuchausgabe enthält das Nachwort von Marquez, welches in der gebundenen Ausgabe zu finden ist, leider nicht, aber das von Juan Rulfo: "Pedro Páramo - dreißig Jahre danach".


    Abschließend noch die Stimmen vom Klappentext:


    "Ich konnte nicht einschlafen, bevor ich 'Pedro Páramo' nicht zum zweiten Mal gelesen hatte. Selten zuvor hat ein Buch mich so bewegt." Gabriel García Márquez


    "'Pedro Páramo' ist nicht nur ein Meisterwerk der Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts, sondern eines der Bücher, die den stärksten Einfluss auf die Weltliteratur in diesem Jahrhundert ausgeübt haben. Susan Sontag


    (4,5/5)

  • Vielen Dank für die ausführliche Rezi! Das klingt sehr interessant!
    :winken:

    "Wie wenig du gelesen hast, wie wenig du kennst - aber vom Zufall des Gelesenen hängt es ab, was du bist." Elias Canetti

  • Ich habe dieses Buch erst vor kurzem gelesen und es hat mir wirklich sehr gut gefallen. Vorallem, da es eine echte Abwechslung war. Manche Dinge hat man nicht sofort verstanden und des Öfteren fragt man sich, ob nun ein Lebender oder ein Toter vor einem steht, wirklich sehr schön und mitreißend. :D

    "There are many reasons why novelists write – but they all have one thing in common: a need to create an alternative world."
    - John Fowles -


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  • Etwas in der Art habe ich noch nie gelesen, aber es klingt sehr interessant, der kleine Textauszug hat mich schon sehr begeistert.
    Ich werde das Buch mal auf meine Wunschliste stellen und sehen, wann ich mich daran wage, denn es ist wie gesagt etwas, was ich bisher noch nie gelesen habe. :D

    „Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.”
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    "Nichts ist unmöglich, allein unserem beschränkten Geist erscheinen manche Dinge unbegreiflich."
    Marc Levy


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