Originaltitel: The girl of his dreams
Siebzehnter Band der Guido Brunetti-Reihe
Covertext:
Ein Mädchen treibt tot im Canal Grande und wird von niemandem vermisst. Brunetti aber geht die Elfjährige bis in die Träume nach. Aus einem venezianischen Palazzo kommt sie nicht, wohl aber aus einer Wagenburg auf dem Festland.
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Der Fall um das ermordete – oder vielleicht doch nur bei einem Raubzug aus dem Haus gestürzte? – Roma-Kind nimmt im siebzehnten Buch rund um Donna Leons weltberühmten Commissario Brunetti, Das Mädchen seiner Träume, nur eine Nebenrolle ein – und wird ohnehin erst nach rund 150 Seiten aufgegriffen. Vorrangig geht es diesmal um die durch den Tod von Brunettis Mutter ausgelösten Fragen über Sinn und Unsinn der katholischen Kirche, vermeintlich kriminellen Machenschaften, Vorurteile der Gesellschaft (inklusive derer von Brunetti selbst) und die Krankheiten des italienischen Staats. Dabei wird wieder einmal deutlich, warum die Wahl-Venizianerin Leon ihre Bücher zwar in alle Weltsprachen, aber nicht ins Italienische übersetzt wissen will: Sie hätte wohl wirklich keine ruhige Minute mehr.
Ansonsten ist Das Mädchen seiner Träume wieder ein typischer Leon-Roman, in dem man minutiös erfährt, was die Brunettis essen, wie sie ihren Kaffee am liebsten mögen etc. pp. Diese eigentlich schwer erträgliche Detailverliebtheit wird durch eine durch Christa E. Seibicke bewundernswert flüssig aus dem Amerikanischen übertragene Sprache mehr als wett gemacht.
Das Buch beginnt mit einer Friedhofsszene - Brunettis Mutter wird beerdigt - und endet mit einer Friedhofsszene, in der das tote Mädchen beerdigt wird. Allerdings: So richtig lebendig wirds zwischen beiden Szenen nicht. Eher sterbenslangweilig.
Ich habe nichts gegen Familienromane - wenn "Familienroman" draufsteht und wenn die Personen sich entwickeln. Aber Brunetti samt kollegialem und familiärem Gefolge ist seit x Bänden statisch. Die Kinder - seit Jahren in der Pubertät. Die Ehe - immer noch glücklich wie im ersten Band. Patta - immer noch derselbe Opportunist wie im ersten Band. Signorina Elettra - ihr Hackerkönnen reicht bis in geheime Archive kirchlicher Personalabteilungen.
Donna Leons Fähigkeit, Seiten zu schinden ohne etwas zu erzählen, ist beachtlich. Jede Ampel, die Brunetti passiert, wird kommentiert: Bei Rot steht er, bei Grün darf das Auto weiterfahren. (Auf diesem Niveau bewegen sich die meisten Informationen.)
Bevor Brunetti sich dem Fall des toten Mädchens widmet, recherchiert er (wenn man das, was er macht, überhaupt recherchieren nennen kann) einen wahnsinnig aufregenden Betrugsverdacht um einen Sektenprediger. Dass sich diese Geschichte in Wohlgefallen auflöst wie der Zucker im Kaffee, den Brunetti auf jeder zweiten Seite trinkt (der Weg zur jeweiligen Bar wird selbstverständlich eingehend beschrieben), wundert auch nicht mehr.
Zwei literarische Ermittler, die noch Potenzial hätten, beenden in diesem Jahr ihren beruflichen Werdegang (Kurt Wallander und John Rebus). Brunetti macht weiter. Solange es noch Idioten wie mich gibt, die jedes Jahr wieder den neuesten Band lesen und sich jedes Jahr wieder beschweren, dass die Reihe immer schlechter und langweiliger wird, gibts keinen Grund, ihn in Pension zu schicken.