Umfassende Werk- und Lebensschau
Gustav Mahler, Wunderkind aus schwierigsten, familiären Verhältnissen, hat die Musik
des ausgehenden 19. Und beginnenden 20. Jh. maßgeblich geprägt. Er, der im
Alter von 6 Jahren bereits selber Klavierunterricht erteilte, wirkt nicht zuletzt
durch seine Opernreform in Wien im Umfeld der Wiener Moderne bis heute in Inszenierung
gerade der Opernwelt nach. Erst er legte, neben den gesanglichen Fähigkeiten,
einen großen Schwerpunkt auf die darstellerische Kraft der Sänger und Sängerinnen
in der Oper und entwickelte zudem in seiner Musikgestaltung einen ganz eigenen,
unverwechselbaren Ton.
Prof. Bernd Sponheuer (Universität zu Kiel) und Prof. Wolfram Steinbeck (Musikwissenschaftliches Institut der Universität Köln) legen
als Herausgeber zum 150. Geburtstag des Dirigenten und Komponisten auf knapp 500 Seiten eine umfassende und hervorragende Würdigung von Mahlers Werk, dessen Wirkung und
Interpretation vor. Dabei werden seine prägenden Lebensstationen gewürdigt und sein Lebenslauf in ausreichender Länge und Tiefe dargestellt.
Gut gelöst ist bereits die übersichtliche Zeittafel zu Gustav Mahlers Leben, die dem Buch
vorangestellt ist und einen ausschöpfenden Eindruck der wesentlichen Daten und
Geschehnisse vermittelt. Mittelpunkt aber ist, natürlich, das musikalische
Wirken und die Werke Mahlers.
Schon die Einleitung führt sodann in bester Weise an die Prägung Mahlers heran und
skizziert seinen künstlerischen Werdegang mitsamt der, von ihm aufgenommener und
weiter entwickelter, Einflüsse. Nach einem ebenfalls gut beschreibendem biographischem
Kapitel folgt ein erster Höhepunkt. Die Betrachtung der ästhetischen und
kompositorischen Aspekte von Mahlers Schaffen bietet auch dem wenig bewanderten
Musikliebhaber einen hervorragenden Einblick in den geistigen und musikalischen
„Nährboden“ der romantischen Epoche des 2. Drittels des 19. Jahrhunderts.
Besonders das Kapitel über die Musik der Wiener Moderne in ihrer Dialektik und
im Blick auf die „Leitgattungen“ Oper und Symphonie hebt die umwälzenden
Veränderungen Mahlers in Komposition und Inszenierung gerade auf dem
Hintergrund des prägenden Werkes Wagners deutlich in den Blick.
Im Hauptteil wendet sich das Handbuch dem Gesamtwerk Mahlers zu.
Sowohl die (hauptsächlich Lied-) Werke vor Fertigstellung seiner ersten Symphonie finden hier ihren
Platz, wie natürlich auch die 10 Symphonien. Wolfram Steinbeck selbst wendet
sich der „Tetralogie“ der ersten vier Symphonien Mahlers zu und legt einsichtig
den Zusammenhang zwischen den Symphonien vom „Aufbruch“ über „Erlösung“ und „Resultat“ zum „Abschluss“ dar. Wobei jede einzelne Symphonie
natürlich in ihrer je eigenen Struktur hervorragend nachvollzogen wird. Von
gleicher Qualität stellen sich die weiteren Betrachtungen zu den Symphonien dar.
Abgeschlossen wird die Werkschau durch einen Blick auf Mahlers Tätigkeit als Bearbeiter. Gut
gelungen auch die Vertiefung auf seine Reformen der Aufführungspraxis durch
einige praktische Beispiele.
Der abschließende Teil wendet sich der Rezeption und Interpretation Mahlers zu.
Hier wird die, im Blick auf Mahler, äußerst differenzierte Kritik gesammelt
beschrieben, aber auch nachvollzogen, wie sich das Verständnis von Mahlers
Musik mehr und mehr steigerte.
Hochspannend für die gegenwärtige Zeit, sich den Einfluss von Gustav Mahler auf die
Filmmusik auch unserer Tage noch zu vergegenwärtigen.
Das Buch ist weitestgehend sprachlich eingängig verfasst, bis auf einige wenige Ausnahmen
ist auch dem Laien die Werkschau und die umgebenden Einflüsse und Rezeptionen
verständlich. Jedem der Kapitel ist ein ausführliches Literaturverzeichnis
nachgestellt, dass zur Vertiefung der dargestellten Teilaspekte einlädt. Im Anhang
finden sich zudem noch ein Werkverzeichnis, eine kurze Vorstellung der beteiligten
Autorinnen und Autoren und ein hervorragendes Namensregister. Diese formalen
Aspekte machen das Handbuch leicht zugänglich.
Fazit:
Das Handbuch deckt jeden Bereich von Leben, Werk, Interpretation und Rezeption Gustav
Mahlers, seiner Bearbeitungen und Inszenierungen und seiner eigenen Werke in
verständlicher und tiefgreifender Form ab. Sowohl zur Vertiefung der
Beschäftigung mit „Gustav Mahlers Welt“, wie auch der ersten Annäherung an
diesen Ausnahmemusiker mit seiner transformierenden Kraft im Blick auf das „lange
19.Jh. der Musik“ dient das Handbuch gleichermaßen.