Leutnant Theodor Lohse, nach dem 1. Weltkrieg "degradiert" zum Hauslehrer, sehnt sich zurück an Macht und Gewalt, wie auf dem Schlachtfeld. Als Leutnant, als Befehlender, wurde er zum ersten Mal aus seinem dumpfen, kleinbürgerlichen Duckertum gerissen - und da möchte er wieder hin. Beim jüdischen Bankier angestellt zu sein, von seiner Familie nicht den Respekt und Gehorsam zu erhalten, den er sich erwartet, das schmerzt ihn. Folglich orientiert er sich an der Subkultur der Kriegsveteranen, die den Krieg als den Ihren ansahen und die Niederlage nie verwunden haben. Helden seiner Jugend sind die Kriegsherren des Krieges, sind solche Gestalten, wie General Ludendorff, der ihn auf einen langen Fanbrief antwortet, wenn auch nur kurz, aber umso militärischer und umso erhabener für Lohse, der sich just auch weiter noch im Krieg befindet - gegen den "inneren Feind". Und gegen diejenigen, die seiner Karriere etwas im Wege stehen.
Und so sabotiert er, so mordet er und so steigt er auf. Schafft es in das an Platz knappe Reichsheer, lässt streikende Landarbeiter mit Maschinengewehren niedermähen, zeigt sich herz- und kompromisslos. Und so wird er groß, wird richtiger Bürger. Hebt sich am ab vom Pöbel.
Arbeiter schlichen mit krankem Schattenschritt zur Arbeit wie längst Gestorbene, die den Fluch ihres irdischen Tagewerks weiterschleppen müssen [...]; brach einer nieder auf hartem Pflaster, raubte ihm der andere den Rock im Weitergehen; Krankheit wälzte sich durch die Häuser der Armen, über staubige Höfe, lag in den lichtarmen Stuben, drang durch die Haut; Geld rann durch die Finger der Satten, ihrer war die Macht, Furcht vor den Hungrigen nährte ihre Grausamkeit; Fruchtbarkeit ihrer Güter blähte ihren Stolz; sie tranken Champagner in lichterfüllten Palästen; sie ratterten in Automobilen von Geschäft zur Freude, von der Freude zum Geschäft; Fußgänger starben unter den Rädern; rasende Chauffeure flitzten weiter; die Totengräber streikten; die Metallarbeiter streikten; vor den Nahrungsmitteln hinter glänzenden Spiegelscheiben reckten sich ausgedörrte Hälse, flackerten Augen, aus den Höhlen getretene, kraftlose Fäuste ballten sich in zerrissenen Taschen.
Und so läuft es. Richtig faszinierend an Roth war seine politische Hellsicht - selbstverständlich endet das alles im Putschversuch. So wie Hitler, kurze Zeit nach dem Buch, auch auf die Feldherrenhalle marschiert. Und so wie da, unterstützte die Faschisten auch ein beträchtlicher Teil des Bürgertums.
Wie ein lächelnder Mörder ging der Frühling durch Deutschland. Wer in den Baracken nicht starb, den Foltern entging, von den Kugeln der Nationalen Bürgerliga nicht getroffen wurde und nicht von den Knüppeln des Hakenkreuzes, wen der Hunger nicht zu Hause traf, wen die Spitzel vergessen hatten - der starb unterwegs, und die schwarzen, großen Rabenschwärme kreisten über seinem Leichnam.
Ich kenn eigentlich kein Buch, dessen Sätze so gut zum Inhalt passen. Überwältigend kurze Sätze, das ganze Buch eine Marschmusik zum Morden, mit Tönen, so grausam, dass einem die kalte Wut kommt. So historisch, dass man schier verzweifeln möchte.