Franz Kafka - Brief an den Vater

  • Wieder ein an anderer Stelle verschwundenes Buch siehe hier
    Franz Kafka


    Kopie von Marie


    Brief an den Vater


    Nachdem mir gesagt wurde, dass Kafkas Werke nur zu verstehen sind, wenn man die Beziehung zu seinem Vater kennen würde (so eng verknüpft sind Psychologie und Germanistik :wink: ), gebe ich mit diesem Tipp jedem die Chance, sich dem Verständnis für Kafkas Literatur zu nähern.


    aus der Amazon-Kurzbeschreibung (korrigiert):
    Der nie abgeschickte "Brief an den Vater" (1919) gilt als Schlüssel zum dichterischen Werk Franz Kafkas (1883-1924). Dieses eindrucksvolle Zeugnis eines dramatischen Vater-Sohn-Konflikts kann als ein ganz besonderes Dokument der Weltliteratur bezeichnet werden. Anklage und Selbstanalyse zugleich, vermittelt es dem Leser Einblick in das komplizierte Seelenleben des Autors. In eindringlichen Worten, denen man sich kaum entziehen kann, rechnet Kafka mit seinem autoritärem Vater ab, der ihm als übermächtiger Tyrann erschien: "Manchmal stelle ich mir die Erdkarte ausgespannt und Dich quer über sie hin ausgestreckt vor."


    Kafka hat den in seiner Handschrift mehr als hundert Seiten langen Brief 1919 in einer Pension in Schelesen geschrieben. Er hat den Brief nie abgeschickt oder ihn dem Vater übergeben. Mit 36 Jahren hat er sich daran gemacht, in Form eines Briefes mit dem Vater "Frieden zu schließen", den für sein gesamtes Leben so wichtigen Konflikt mit dem Vater schreibend zu bewältigen. Dabei versteht er seine Darstellung niemals als bloße Anklage, sondern ist immer bemüht die Schuldlosigkeit des Vaters festzuhalten. Zwei zu unterschiedliche Wesen, ein von Anfang an übermächtiger Vater, dem weder das Kind noch der erwachsene Mann ebenbürtig werden konnten - so hören sich seine Entschuldigungen an.



    Ich habe dieses Buch noch nicht gelesen, kann also nichts dazu sagen, aber aus Gründen der Vollständigkeit möchte ich es hier vorstellen.


    Marie

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

  • Brief an den Vater


    ZUM BUCH: Franz Kafka hat den "Brief an den Vater" im Alter von 36 Jahren, fünf Jahre vor seinem Tode, geschrieben. Er stand damals, im Jahre 1919, auf der Höhe seines literarischen Schaffens. Um so erstaunlicher erscheint es, daß Kafka in diesem Zeitpunkt ausgereifter künstlerischer Produktionsfähigkeit einen solchen "schrecklichen Prozeß" mit seinem Vater führt in Gestalt eines Riesenbriefes, in dem alle Qualen seiner Kindheit noch ebenso unbewältigt und beklemmend anwesend sind wie ehedem.
    Kein Wunder, daß sich die psychoanalytische Forschung dieses erstaunlichen "Falles" Kafka in zahlreichen Abhandlungen und Büchern annahm und auch das gesamte dichterische Schaffen Kafkas unter dem Blickpunkt des sogenannten "Ödipus-Komplexes" sah, analysierte und aufzuhellen suchte, in ihm den Schlüssel zu allen "Rätseln" und Dunkelheiten dieser Dichtung der Weltliteratur in Händen zu halten glaubte. (Kurzbeschreibung bei amazon)


    ANMERKUNGEN: Nachdem ich mich durch das intensive Gesamtwerk Kafkas durchgelesen hatte, wuchs der Wunsch, dann auch mehr über die Person zu wissen. Denn sicherlich sind in seinen Büchern Werk und Person (nun, wie in anderen Abstufungen wohl bei allen Schriftstellern) eng, ja sehr eng miteinander verbunden. Bei den verschiedenen Briefausgaben (an Milena, an Felice) lernte ich viel. Nun aber endlich las ich auch den nie abgeschickten „Brief an den Vater“! Vielleicht gerade deswegen noch offener als er gewesen wäre? Zur selben Zeit weist die stetige Zurücknahme der eindeutigen Verurteilung des väterlichen Verhaltens durch zugegebene entschuldigende Gründe für dessen Verhalten auch darauf hin, inwieweit Kafka gewissen Abstand, oder „Respekt“ (wenn man es denn so nennen will) zum Vater bewahrt hat, bzw. seine Autorität auch verinnerlicht hat?!


    Für alle, die sich mit dem Schriftsteller und dem Werk auseinandersetzen wollen, eine sehr wichtige Lektüre. Denn letztlich sagt dieser Text nicht so sehr oder vor allem etwas über den Vater, sondern mag das Innenleben Kafkas widerspiegeln.


    Auf der ihm gewidmeten Webseite auch hier ein Artikel über das Verhältnis zur Familie:
    http://www.franzkafka.de/franzkafka/die_familie/457289


    Kurz, aber sehr prägnant fand ich auch die Ausführungen unter: http://www.franzkafka.de/franz…brief_an_den_vater/457393


    Hier der Link zur Leserunde vor Jahren, in der man mehr Kommentare und Eindrück zum Buch lesen kann:
    Brief an den Vater

  • Bitte, Vater, verstehe mich recht, das wären an sich völlig unbedeutende Einzelheiten gewesen, niederdrückend wurden sie für mich erst dadurch, dass Du, der für mich so ungeheuer maßgebende Mensch, Dich selbst an die Gebote nicht hieltest, die Du mir auferlegtest. Dadurch wurde die Welt für mich in drei Teile geteilt, in einen, wo ich, der Sklave lebte, unter Gesetzen, die nur für mich erfunden waren und denen ich überdies, ich wusste nicht warum, niemals völlig entsprechen konnte, dann in eine zweite Welt, die unendlich von meiner entfernt war, in der Du lebtest, beschäftigt mit der Regierung, mit dem Ausgeben der Befehle und mit dem Ärger wegen deren Nichtbefolgung, und schließlich in eine dritte Welt, wo die übrigen Leute glücklich und frei von Befehlen und Gehorchen lebten. (S. 18)


    Ich kannte bisher nur kurze Auszüge aus dem berühmten Brief, aber die hatten mir längst Lust auf mehr gemacht. Und nun habe ich ihn komplett gelesen und bin einfach begeistert! :pray:


    Es ist, wie ich finde, definitiv kein Buch zum Nebenherlesen, weil Kafka äußerst genau beschreibt und oft viele Informationen in einen einzigen Satz packt. Man muss sich also Stück für Stück durch diese Retrospektive der Ereignisse und Entwicklungen durcharbeiten. Er untersucht seine Familie - denn obwohl es primär um die Beziehung zum Vater geht, greift er auch die restlichen Beziehungen auf - in aller Ausführlichkeit, beleuchtet Aspekte, die einen tiefen Blick in sein Innenleben erlauben und für besseres Verständnis in Bezug auf sein Werk sorgen. Tatsächlich durfte ich immer wieder Parallelen zwischen Kafkas Beschreibung und der Verwandlung aufdecken, was für mich ein wahres Vergnügen auf der einen Seite war, auf der anderen wurde einem die Tragik von seinem Familienleben erst so richtig bewusst. Die Mutter zum Beispiel scheint in jedem Fall diejenige zu sein, die gern etwas tun würde, hinter der Dominanz des Ehemannes jedoch untergeht. Bemerkenswert und erschreckend fand ich, dass Kafka im Brief davon erzählt, wie sein Vater ihn um den Tisch herum gejagt hat, und man genau dies in der Verwandlung wiederfindet. Auch kann man ab und zu Insektenmotive entdecken, wenn man darauf achtet.


    Sprachlich ist der Brief aufgrund der oft längeren Sätze nicht ohne Weiteres zum Weglesen geeignet. Man merkt aber, dass da ein Schriftsteller am Werk war, denn der Brief ist wirklich schön geschrieben. Abgesehen von den erwähnten Motiven greift Kafka auch gerne zu Gleichnissen, Vergleichen und Metaphern. Hier zum Beispiel geht es für ihn um seine Heiratsversuche, die er als unüberwindbare Hürden angesehen hat, und allgemein um wichtige Schritte im Leben:


    Es ist so wie wenn einer fünf niedrige Treppenstufen hinaufzusteigen hat und ein zweiter nur eine Treppenstufe, die aber so hoch ist wie jene fünf zusammen; der Erste wird nicht nur die fünf bewältigen, sondern noch Hunderte und Tausende weitere, er wird ein großes und sehr anstrengendes Leben geführt haben, aber keine der Stufen, die er erstiegen hat, wird für ihn eine solche Bedeutung gehabt haben, wie für den Zweiten jene eine, erste, hohe, für alle seine Kräfte unmöglich zu ersteigende Stufe, zu der er nicht hinauf und über die er natürlich auch nicht hinauskommt. (S. 61f.)


    Fazit:
    Wer sich für Kafka interessiert und seine Werke aus einem anderen Blickwinkel betrachten möchte, dem kann ich dieses Büchlein nur ans Herz legen. Ich freue mich, dass ich noch alle möglichen Werke und Geschichten von ihm vor mir habe, sodass ich auf Spurensuche gehen kann. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :jocolor: Verschwundene Reiche: Die Geschichte des vergessenen Europa // Norman Davies (Projekt)



    You cannot open a book without learning something. - Konfuzius

  • Vor Jahrzehnten las ich mit großer Begeisterung Kafkas Romanfragmente und ein paar Erzählungen. Seine Briefe hingegen hatten mich bisher nicht sonderlich interessiert - ja, nach der Lektüre von Canettis Kommentar zu den Briefen Kafkas an Felice war ich noch eher abgeschreckt von Kafkas ständiger weinerlichen Klage, seinen Gefühlsschwankungen, seinem geringen Selbstbewusstsein.

    Trotzdem habe ich nun diesen berühmten Brief an den Vater vom SUB befreit - glücklicherweise! Die Sprache, der Schreibstil, wie hervorragend Kafka schreiben kann - das bietet trotz des vorwurfsvollen Themas und der unterwürfigen Erklärungsnot ein großes Lesevergnügen. Und ganz, ganz sicher ist die hier beschriebene Beziehung zu seinem Vater auch hilfreich, um seine Werke besser zu verstehen. Als Mensch wäre mir Franz Kafka vermutlich nicht sehr sympathisch gewesen, daher interessieren mich seine Korrespondenz und Biographien auch weiterhin nicht. Aber dieser Brief drängt mich förmlich danach unbedingt in naher Zukunft wieder seine Erzählungen und Romane zu lesen - nach vielen Jahren mal wieder und mit dieser Vater-Sohn-Beziehung im Bewusstsein - sicherlich unter einem anderen Blickwinkel / Verständnis.