Inhalt (Klappentext):
Felix Kannmacher wächst mit drei Brüdern im Ostseestädtchen Freiwalde auf. Felix' Vater, ein strenger Schulmeister, verehrt den Philosophen Immanuel Kant, die Mutter wird von wechselnden Stimmungen und bald auch von Wahnideen beherrscht. Der erste Bruder ertrinkt, der zweite veranstaltet Hahnenwettkämpfe, der dritte zieht freiwillig in den beginnenden Krieg. Felix flüchtet sich ins Klavierspiel - immerhin wurde ihm eine Zukunft als Konzertpianist prophezeit.
Das Klavier verstummt, als seine Mutter die Saiten als kriegstauglichen Rohstoff zur Sammelstelle bringt. Felix verschenkt sein Herz an Emilie, die Tochter des Apothekers. Doch auf die hat auch sein älterer Bruder ein Auge geworfen. Felix bleibt nur Emilies widerspenstige Schwester Alma. Kurz vor der Doppelhochzeit nimmt er Reißaus.....
Autor:
Jan Koneffke wurde 1960 in Darmstadt geboren. Er studierte Philosophie und Germanistik in Berlin und verbrachte nach einem Villa-Massimo-Stipendium sieben Jahre in Rom. Heute lebt er als Schriftsteller und Publizist in Wien und Bukarest. Er erhielt unter anderem den Leonce-und Lena-Preis für Lyrik, den Friedrich Hölderlin-Förderpreis und den Offenbacher Literaturpreis.
Bereits erschienen: Was rauchte ich Schwaden zum Mond (Gedichtband), Paul Schatz im Uhrenkasten (Roman), Eine Liebe am Tiber (Roman), Abschiedsnovelle und der Jugendroman Die Sache mit Zwille.
Allgemeines:
Seitenzahl: 317
Geschrieben in 5 Kapiteln:
I. Eine nie vergessene Geschichte
II.Vernunft und Wahnsinn 1898 - 1919
III. Doppelhochzeit 1920 -1926
IV. Ein Spiel mit dem Teufel 1926 - 1945
V. Um den Staub zu ehren
Unsere Meinungen:
cheriechen:
Ein Buch, das mich vom ersten Abschnitt bis zur letzten Seite gefangen nahm, gleichzeitig unterhalten als auch berührt hat!
Jan Koeffke erzählt mit Leichtigkeit die Geschichte der Familie Kannmacher und deren vergrabener Geheimnisse über eine lange Periode vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis in den August 1968. Dabei verbindet er Zeitgeschichte und Einzelschicksale auf faszinierende Art und Weise. Ohne zu sehr ins Unwirkliche abzugleiten, baut er einige magisch-mystische Momente in seinen Roman ein, die ihm damit zusätzliche Würze verleihen.
Die handelnden Figuren in der Geschichte lassen an Skurrilität nichts vermissen, ohne je unglaubwürdig oder überzogen zu wirken. Ihr Agieren beeindruckt derart, dass ich als Leserin gerne eingegriffen hätte. Dabei bleiben die Motive der Personen meist vage und offen, was viel Raum zum Nachdenken lässt. Zwar gibt es "Gute" und "Fieslinge", dennoch schwankte ich auch bei den total Fiesen zwischen Verachtung und Mitleid.
Schuld und Schicksal - große Themen:
Die Fragestellungen: Was ist unser Schicksal? Inwieweit ist unser persönliches Schicksal abhängig von familiären Geschehnissen und politischem Zeitgeschehen? In welchem Ausmaß sind wir für unser persönliches Schicksal selbst verantwortlich? werden vielschichtig beleuchtet.
Spannende Unterhaltung, humorvoll, herzergreifend und mit Tiefgang -große Klasse!
Conor:
Der Roman "Eine nie vergessene Geschichte" spielt auf zwei Zeitebenen. Die Rahmenhandlung ist im Jahre 1968 angesiedelt, dort erfährt der Leser gleich zu Beginn von dem Ich-Erzähler, dass seine Großeltern bei einem Autounfall tödlich verunglückt sind.
Die Haupthandlung umfasst die Zeitspanne von 1898 bis zum Kriegsende 1945, beginnend mit Leopold und Clara Kannmacher und ihren vier Söhnen Julius, Ludwig, Friedrich und Felix.
Während Leopold sich ganz dem Studium der Kant'schen Philosophie verschrieben hat, verfällt Clara immer mehr in den Wahn und glaubt, Felix sei ein Schlangenkind. Julius ertrinkt und Friedrich, der sich freiwillig gemeldet hat, fällt im Krieg.
Felix ist musikalisch begabt und verarbeitet seine Erlebnisse im Klavierspiel. Er verliebt sich in Emilie, aber heiraten wird sie Ludwig. Als er Emilies Schwester Alma heiraten soll, nimmt Felix Reißaus und folgt einem dubiosen Musiker, schließlich wurde ihm eine musikalische Karriere vorausgesagt.
Jan Koneffke schafft es mit seiner Sprache, den Leser zu fesseln, Symphatien und Antipathien gegenüber den Protagonisten zu entwickeln und dabei den geschichtlichen Hintergrund zu beleuchten.
Mich hat der Roman gefesselt von der ersten bis zu letzten Seite.
Wirbelwind:
"Jan Koneffke zeichnet das Bild einer untergegangenen Welt voller Menschen, die an der Geschichte Schaden nehmen - aber auch an ihren eigenen Vorstellungen."
Ein Roman steht und fällt mit seinen Figuren und Jan Koneffke sind sie mehr als gut gelungen. Alle haben ihre ganz speziellen Eigenarten und Charaktere, die mich auch in den Lesepausen gedanklich noch beschäftigten. So manche Handlung sorgte in mir für Revolte, ärgerte mich oder regte zur Diskussion an. Ich wurde mitgerissen, hatte Mitleid, war empört, aber vor allem fasziniert von dieser Familiengeschichte. Mehr als einmal hätte ich zu gerne ins Geschehen eingegriffen, und besonders Felix zur Seite gestanden, ihm geholfen, ihn verteidigt, ihn ermutigt. Wieder einmal komme ich zur Erkenntnis wie wichtig es ist miteinander zu reden, sonst kommt es schlimmer als es ist, wie schon der Postkutscher Weidemann im Buch stets zu sagen pflegt.
Ein aufregendes, fesselndes, beeindruckendes Buch, locker und leicht zu lesen, aber mit viel Tiefgang und auch Dramatik. Unbedingt zu empfehlen!
Fazit: Wir haben das Buch zusammen in einer MiniLeserunde gelesen und finden es spitze!
Liebe Grüsse
cheriechen
Conor
Wirbelwind