Siegfried Lenz - Fundbüro

  • Inhalt (von Amazon.de)


    Die Geschichte eines jugendlichen Außenseiters: ein einnehmender, souverän erzählter Roman voll menschlicher Anteilnahme und liebenswertem Witz.


    Henry Neff verspürt trotz seiner jugendlichen 24 Jahre keine Lust, auf der Karriereleiter nach oben zu kommen. Attraktive Angebote schlägt er aus und sucht statt dessen Unterschlupf im Fundbüro eines Hauptbahnhofs. Er findet Gefallen an seinem neuen Arbeitsplatz, »man lernt nicht aus, und man hört nicht auf zu staunen«, stellt er zufrieden fest.


    Meine Einschätzung


    Es ist ein eindrucksvoller Roman, bei dem sich hinter der Fassade allerlei Gesellschaftskritik verbürgt - es geht um Ausländerfeindlichkeit und den Verlust von Arbeitsplätzen bzw. die Angst vor diesen Verlust.
    Es ist schwer, den Roman zeitlich einzuordnen - von der Atmosphäre her, von der Beschreibung des Bahnhofes, der Menschen würde ich auf die 50er/ 60er Jahre tippen, aber es kommen auch Themen wie die EU-Osterweiterung vor und auch Laptops :scratch: .
    Ich habe die Lektüre sehr genossen, es ist in vielerlei Hinsicht ein wahrer Lenz, sowohl von der Sprache, als auch von ironischen Einspielungen, die man im ersten Moment nicht gleich erkennt.


    Obwohl es so scheint, als würde er ein idyllisches Märchen entwerfen, sind es gerade nebensächliche Kleinigkeiten, die zum einen zum Nachdenken anregen und zum anderen die Märchen-Fassade zum Bröckeln bringen.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: .


    Bine

  • Danke an Casoubon für die Vorstellung! Ein Lenz ist für mich fast immer sicherer Lesegenuß... So dann auch hier.


    Dieser Henry hört nicht auf zu staunen, was Leute alles „verlieren können“: „Wie viel wird verloren!“ Aber auch dann die zunächst von den Mitarbeitern stammenden Feststellungen: „Wie viele geben sich mit ihren Verlusten ab!“, wobei doch „nicht alles ersetzbar ist“.
    Henry wird angesichts des Umgangs mit den verlorenen Gegenständen langsam lernen, dass Gegenstände ihre Wichtigkeit, ihren Wert haben können und ihre „Geschichten erzählen“, so „nutzlos“ sie auch erscheinen mögen.
    Was aber vordergründig von Gegenständen gesagt wird findet wie eine Ausweitung auf andere Bereiche. Casoubon sprach es an.
    Parallel zur Erfahrung von Verlust, sei es Arbeitsplatz oder auch Sicherheit, steht aber auch die Gegenerfahrung positiver Art: eine relativ gute Atmosphäre im Fundbüro (bis zur Bedrohung durch Stellenabbau), und ebenso die Beschreibung einer schönen Freundschaft mit dem baschkirischen Mathematiker.


    Der Roman wurde 2003 geschrieben, und ich würde ihn zeitlich aufgrund gewisser Themen und Realitäten schon recht eindeutig in die Nachwendezeit situieren.