Der Termin bei Harald Schmidt stand sicher schon vor Bekanntwerden der Plagiatsvorwürfe fest. Von daher konnte Schmidt nicht wirklich "draufhauen" ohne zukünftige Gäste zu vergraulen. Des Weitern ist der Umgang mit Jugendlichen (und das ist Helene Hegemann) im Fernsehen auch nicht besonders leicht. Schwieriges Thema. Man weiß auch nicht, wie stark ihr Vater Einfluss in die Kulturszene hat.
Das Buch selbst habe ich vor einigen Wochen im Neuheiten Regal des Buchladens meines Vertrauens (von einem alten Schulfreund geführt) gesehen und mal durchgeblättert bzw einige Passagen gelesen. Habe es als Feuchtgebiete-Abklatsch jedoch wieder weggelegt. Da jedoch eine Bekannte von mir sich das Buch in Folge der positiven Kritiken gekauft hat, überlege ich, es mir auszuleihen und komplett zu lesen. Kaufen würde ich es nicht.
Ich hatte schon einen Bericht über Helene Hegemann in der Sendung "Kulturzeit" auf 3Sat gesehen und fand ihr Auftreten sehr unsympathisch. Eloquenz konnte ich auch keine erkennen. Sie stammelte bei Harald Schmidt wirres zeug vor sich hin. Das alleine ist nicht schlimm, da so wahrscheinlich jeder junge Mensch in aller Aufregung reagieren würde (Es haben schon ganz andere bei Harald Schmidt gesessen und aufregungsbedingt nur rumgestottert, und die waren wesentlich älter). Aber sie konnte ja nichtmal aus ihrem "eigenen" Buch zitieren. Das fand ich schon peinlich.
Eigenes wird Helene Hegemann in dem Buch nicht viel verarbeitet haben. Allein die Tatsache, dass der Club Berghain eine zentrale Rolle spielt, macht sie unglaubwürdig. Mindestalter für den Einlass ist dort 21 und an der Tür wird rigoros aussortiert. Inhaltlich wird vieles wirklich so sein. Da ich selbst seit Anfang der 90er einen EInblick in die Technoszene habe, kann ich bestätigen, dassvieles so geschieht, wie von Helene Hegemann beschrieben. Auch hier in der Gegend gibt es Clubs wie das Berghain und darin passiert im "normalen" Clubbetrieb vieles, dass sehr stark auch in den Fetischbereich geht (Dark Room, Unisex-Toiletten...). Allein deshalb wird das Alter sehr streng kontrolliert. Ansonsten würden hohe Strafen drohen. Selbst erlebt hat sie sowas niemals.
Leid tun mir jedoch die vielen begabten Autoren, die keinen Verlag finden. Es gibt sicherlich viele talentierte Jungautoren (mit Jung ist nicht zwingend das Alter des Autoren gemeint), die wunderbare Werke geschrieben haben, die niemals jemand lesen wird. Aber sobald jemand mit Fäkalsprache niederster Art um sich wirft, wird es ein Bestseller. Eine merkwürdige Welt in der ich da lebe.
Und an die schreibende Zunft des Feuilleton: Wenn Sie diese krasse, provokative und aufbegehrende Sprache mögen, dann fahren sie doch mal wochenends in einer deutschen Großstadt U- bzw S-Bahn und setzen sich in die nähe von Gruppierungen Jugendlicher, Sie werden ihre Freude haben.