Klabund: "Wo andre gehn, da muß ich fliegen"
ein Lesebuch, herausgegeben von Matthias Wegner
Als Klabund war er einer der bekanntesten Dichter der zwanziger Jahre: Alfred Henschke,
1890 in Crossen an der Oder geboren, 1928 viel zu früh an einem chronischen Lungenleiden
gestorben. Heute erscheint dieser liebenswerte Poet, Erzähler und Bühnenautor wieder sehr
gegenwärtig: verträumt und verzweifelt, leidenschaftlich und respektlos, melodisch und
abrupt, spiegelt seine Poesie das nervöse Lebensgefühl einer Epoche, die sich emphatisch
über sich selbst amüsierte, aber am Rande des Abgrunds wußte.
(Klappentext)
In diesem wunderbaren Buch sind Gedichte und eine Auswahl von Klabunds Prosa
enthalten. Es enthält Liebesgedichte, Chinesische Gedichte, Lieder von Lust und Laster,
garstige Weihnachtslieder, Geschichten von Liebe und Krieg, deutliche Worte, deutsche
Literaturgeschichte (in einer Stunde) und das Spiel in 5 Akten " Der Kreidekreis".
Lebenslauf
Geboren ward Klabund,
Da war er achtzehn Jahre
Und hatte blonde Haare
Und war gesund.
Doch als er starb, ein Trott,
War er zwei Jahre älter,
Ein morscher Luftbehälter,
So stieg er aufs Schafott.
Er bracht ein Zwilling um...
(Das Mädchen war vom Lande
Und kam dadurch in Schande
Und ins Delirium).
Dieses Buch ist so liebevoll zusammengestellt von Matthias Wegner, dass ich es nicht
mehr aus der Hand legen kann. Man erfährt so viel von dem Poeten und Erzähler
Klabund. Durch die Auswahl der Gedichte und Erzählungen wird klar, wie zerrissen und
verzweifelt Klabund war. Aber es wird auch ganz deutlich, welche Lebenslust in diesem
Mann, der so früh sterben musste, steckte. Klabund, der die Frauen liebte (und ich
wünschte, ich hätte ihn gekannt!) und der seine große Liebe im Sanatorium
fand, sie heiratete und mit ihr ein Kind bekam. Dann starb erst seine Frau und einige
Monate später sein Kind. Dieser Mann, der neben seiner chronischen Lungenkrankheit
noch solche Schicksalsschläge hinnehmen musste, schreibt Gedichte, die voller Gefühl
sind, aber auch deutliche Worte enthalten über Krieg und menschliche Schwächen.
Er schrieb Tagebuch in der Zeit, als er im Gefängnis saß (aus politischen Gründen)
und verfasste Offene Briefe an Kaiser Wilhelm II und die Nationalsozialistische
Freiheitspartei Deutschlands. Er war unbequem und wegen Gotteslästerung ange-
klagt. In seiner kurzen Lebenszeit hat er so viel geschrieben und so viel gelebt!
In seine 38 Jahre hat er Leben und Liebe für ein ganzes langes Dasein gepackt.
Ich mag diesen Autor sehr und das Buch auch.
Wer Lyrik liebt, sollte Klabund lesen.
Morgensternchen