Forte, Dieter - Auf der anderen Seite der Welt

  • Ein Gedankenflug, der so vorbeischwebt …


    „Unser Hans“ hat den Ersten sowie Zweiten Weltkrieg überlebt, ist immer noch schwer tuberkulös, und fährt wieder mit dem Zug in ein Lungensanatorium. Genau wie im „Zauberberg“ ist der Protagonist ein junger Mann für den nun im Sanatorium die Zeit stillsteht. Das erste Kapitel ähnelt so sehr der großen Vorlage, verspricht bestimmt dadurch auch einen guten Absatz, dass es dem Leser fast unheimlich wird oder aber empört ist! Doch ab dem zweiten Kapitel weicht dann der Autor vom vorgefassten Weg ab, und entwickelt eigene Strategien.


    Der namenslose Protagonist „er“ kommt nach einer endlos langen Bahnfahrt auf einer Nordseeinsel an. Seine Eltern, erfährt der Leser in Rückblenden, sind erleichtert dem zum Tode verurteilten los geworden zu sein. So jung, dass noch kein Leben hinter ihm liegt, wird er nun in der Todesklinik aufgenommen. (Alles ein wenig zu pathetisch.)
    Sein Zimmergefährte, ein alter Mann, weiht ihn in die Gepflogenheiten des Kliniklebens ein. Es gibt eine Parallelwelt, die verbotenen Raucher auf der Toilette im Gang, eine andere verlässt regelmäßig unerlaubt das Sanatorium und trifft sich in der Kneipe. Der ganze Roman ist gekennzeichnet, dass es die verschiedensten Ebenen gibt: Das Leben in der Anstalt, die Erzählwelt des Alten, die Außenwelt, die vorbeizieht, Mischa, der Zweite Weltkrieg, das Wirtschaftswunder … Und alle werfen ihre Phrasen und Gedankenfloskeln in den losen Raum. Das Werk weist keine richtige Handlung auf immer nur ein paar Fetzen, als ob man nachts schlaflos im Bett liege und die Gedanken im Kopf kreisen. Natürlich sind diese Fetzen kunstvoller ausformuliert:


    „ Das Meer lag in der tiefen Nacht in einem schweren ruhigen Atem, in einer Stille wie vor der Geburt, während das herausgestoßene, abbrechende Todesatem eines Menschen den Tag erwartete, das Licht weit hinter dem Meer, das wie ein jahrtausendealter schwarzer Stein unter den Sternen schlief.“


    So beginnt jedes neue Kapitel, aber es stellt sich mir die Frage, wie viel Kunst ein Werk verträgt um nicht später arg gekünstelt zu wirken?


    Für mich persönlich ist dieser Roman zum überlaufen voll mit diesen Phrasen, der Autor konnte mich weder mit dem „Muster“ noch mit „Auf der anderen Seite der Welt“ überzeugen, beide Romane sind mir zu aufgemotzt und abgekupfert.


    Dieter Forte wurde 1935 in Düsseldorf geboren und lebt heute in Basel. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Basler Literaturpreis, den Bremer Literaturpreis, die Heinrich-Heine- Ehrengabe und den Hans-Erich-Nossack-Preis. Über seine Arbeit gibt der Materialienband „Vom verdichten der Welt. Zum Werk von Dieter Forte“ Auskunft, herausgegeben von Holger Hof.