Susan Haskins - Mary Magdalen: Myth and Metaphor

  • (Auf deutsch ist das Buch als "Maria Magdalena - Ihre wahre Geschichte" :shock: erschienen ... nicht von dem reißerischen Titel abschrecken lassen!)


    Maria Magdalena ist eine der faszinierendsten Frauengestalten der Bibel, nicht zuletzt deshalb, weil man so gut wie nichts über sie weiß, und weil sie in den Evangelien als einzige Frau nicht als Ehefrau, Tochter oder Mutter eines Mannes eingeordnet ist, sondern immer beim eigenen Namen genannt wird.


    Weit verbreitet ist heute noch die Annahme, sie sei eine Sünderin, gar eine Prostituierte gewesen. Damit tut man ihr schon seit Jahrhunderten Unrecht, denn dieses Klischee beruht auf einer Verwechslung bzw. der Verschmelzung mehrerer Figuren aus den Evangelien, die immer stärker in den Köpfen der Menschen Einzug hielt, je mehr die katholische Kirche im Lauf ihrer Geschichte die Frau an den Rand drängte, ja sogar rein aufgrund ihres Geschlechts im Frühmittelalter als Wurzel aller Sünde und allen Übels darstellte.


    Susan Haskins ist hier etwas Großartiges gelungen: ein fundiertes Sachbuch über diese Frau, die zu den wüstesten Spekulationen Anlass gegeben hat, mit zahlreichen Bilddokumenten und Quellenangaben zu schreiben, das sich keinen Augenblick lang trocken und langweilig liest. Die bunten Mythen und Theorien, die sich um Maria Magdalena ranken, werden zwar teils sogar sehr ausführlich geschildert, aber genauso sorgfältig demontiert. Neben den zahlreichen Phantastereien, die zum Thema auf dem Markt sind, ist dieses Werk wohltuend objektiv.


    Unter vielen Verweisen auf zeitgenössische Kunstwerke aus Malerei, Musik und Literatur zeigt Susan Haskins nicht nur, wie sich die Wahrnehmung der biblischen Gestalt im Laufe der Jahrhunderte immer wieder verändert und verschoben hat, sondern beschreibt auch sehr anschaulich die generelle Entwicklung der Rolle von Frauen innerhalb der katholischen Kirche. Hierbei ist sie (zu Recht) kritisch, aber nie wird der Tonfall reißerisch. Die angeführten Beispiele und Zeitdokumente sprechen für sich.


    Wer sich weiter mit dem Thema beschäftigen möchte, findet am Ende des Buches ein Literaturverzeichnis sowie sehr ausführliche Anmerkungen, die schon vorn im Buch durch Fußnoten gekennzeichnet sind und nicht nur Quellenangaben umfassen, sondern auch viel Wissenswertes. Knapp 100 Bilder zeigen die verschiedensten Darstellungen der Magdalena in der Kunst, zusätzlich wird im Text auf sehr viele Kunstwerke verwiesen, was mir großen "Appetit" auf ausführliche Recherchen gemacht hat.


    Sehr empfehlenswert!


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Danke für die Rezi, das klingt sehr interessant.

    nicht zuletzt deshalb, weil man so gut wie nichts über sie weiß,


    Woher hat denn die Autorin ihre Informationen, wenn man so gut wie nichts über MM weiß? Es gibt doch sicher nicht viele objektive Quellen aus dieser Zeit?

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Als Quellen bezüglich der Biographie verwendet die Autorin nur das, was aus der Bibel bekannt ist, sowie die gnostischen, kirchlich nicht anerkannten Evangelien (Thomas, Philippus etc.) und ein paar Schriftrollenfunde wie Nag Hammadi oder Qumran (unter Vorbehalt).


    Das Buch ist nicht in erster Linie eine MM-Biographie, sondern beschäftigt sich vielmehr mit dem, was man aus den dürftigen Erwähnungen im Evangelium alles so zurechtgebastelt hat.

  • Das Buch ist nicht in erster Linie eine MM-Biographie, sondern beschäftigt sich vielmehr mit dem, was man aus den dürftigen Erwähnungen im Evangelium alles so zurechtgebastelt hat.


    OK, das ist ja auch sehr interessant (und empörend ;) ).

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Danke für die Vorstellung! Das hört sich wirklich interessant an, zumal Du ja ausdrücklich betonst, dass es nicht um eine einseitige oder reißerische Phantasterei handelt, wie sie leider, leider sehr verbreitet sind in so manchen "historischen Romanen"...


    Ich fühlte mich an einen Film erinnert, den ich desletzt tief betroffen sah, "Mary" von Abel Ferrara (mit Juliette Binoche). Okay, hier handelt es sich ja wieder um ein Kunstwerk und Fiktion, doch da hat sich der Szenarist in weiten Teilen des Filmes viel Mühe gegeben, den aktuellsten theologischen Entdeckungen Rechnung zu tragen. UND einen guten Film zu machen. Wer also anspruchsvolles Kino liebt: nur zu!