Per Olov Enquist - Der Besuch des Leibarztes / Livläkarens besök

  • Wenn alle historischen Romane nur annähernd so eindrucksvoll und authentisch geschrieben wären, es würde mein Lieblingsgenre!


    Kurz vor der Französischen Revolution kommt es in Dänemark zu einer dänischen Revolution, der Struenseezeit.
    Christian VII., der König von Dänemark, wird in Angst und Schrecken gehalten. Demut übt er seit Kindesbeinen, Geistesverwirrtheit wird ihm nachgesagt und ist aufgrund dessen gut zu händeln. Das Land wird immer am König vorbei regiert, es sind andere die die Fäden in der Hand haben.
    Für Nachwuchs sorgt dann die Schwester des britischen Königs, Christian und Mathilde werden verheiratet und ein Thronfolger wird ihnen als Pflicht auferlegt.


    Die Geschichte beginnt 1768 als der König eine Europareise plant und der deutsche Arzt Struensee als dessen Leibarzt eingestellt wird. Der Arzt gewinnt schnell das Vertrauen des eingeschüchterten Königs. Beide entdecken, dass sie Anhänger der Aufklärung sind, und diese Auffassung in die Welt streuen möchten. Struensee bekommt von Christian eine Generalvollmacht, alle seine Pläne kann er damit direkt durchsetzen, und das sind: Pressefreiheit, Einsparung der Staatskosten, Truppenhalbierung, und vor allem die Abschaffung der Leibeigenschaft.
    Doch zum Verhängnis dieser revolutionären Gedanken wird ein kleines, aber feines Missgeschick. Denn Christian überlässt dem arbeitswütigen Arzt auch sein Eheweib …


    Mitte bis Ende des 18. Jh´s steckt Kant der Menschheit einen Floh ins Ohr, nämlich dass die Vernunft/Logik das Maß aller Dinge ist: „Die Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“ Vor allem auch ohne Gott. Dieser neue Gedanke entflammt die Welt, es kommt in Europa zu Revolutionen, bei denen auch Köpfe rollen.


    Wieder einmal hat mich Per Olov Enquist überzeugt, ich habe mir gleich ein anderes Werk von ihm bestellt, denn ich werde sicherlich noch einiges von ihm lesen. Eine Empfehlung.


    Per Olov Enquist wurde 1934 in einem Dorf im Norden Schwedens geboren. Er studierte Literaturwissen an der Universität Uppsala. Wurde Dozent in Los Angeles, lebte aber auch eine gewisse Zeit in Paris. Allerdings brachte diese Weltenbummelei auch eine Alkoholabhängigkeit mit sich. Als Totalabstinenzler lebt der Autor heute wieder in Stockholm. Für seinen Roman „Der Besuch des Leibarztes“ bekam er den Deutschen Bücherpreis.

  • Dieses Buch habe ich abgebrochen, obwohl es mich von der Thematik interessiert und ich auch ein anderes Buch über das Thema gelesen hatte. Aber der Schreibstil von Enquist sagte mir überhaupt nicht zu.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Dann bist du wohl über seinen teilweise derben Zynismus gestolpert, den ich so mag, wenn es angebracht ist :wink:


    Das ist möglich. Ich kann mich nicht mehr an Einzelheiten erinnern, weil es schon Jahre her ist, aber ich weiß noch, dass ich sehr enttäuscht war, weil mich das Buch inhaltlich sehr angesprochen hatte. Glücklicherweise war es nur aus der Bücherei entliehen.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Deine Begeisterung gibt zu denken...


    Allerdings hat mir "Levis Reise" vom selben Autor gar nicht zugesagt. Zu spröde, langatmig.


  • Allerdings hat mir "Levis Reise" vom selben Autor gar nicht zugesagt. Zu spröde, langatmig.


    Man muss ihn evtl. mögen, den Autor. "Der fünfte Winter des Magnetiseurs" hat auch einen besonderen Flair, beschreibt das Buch doch so ironisch wie der geneigte Mensch sich so schön verarschen lässt :wink: Und auch heute gibt es ja einige Heilpraktiker, die genau nach dieser Methode vorgehen. "Kapitän Nemos Bibliothek" war sehr tief und gefiel mir am besten. "Levis Reise" und "Das Buch von Blanche und Marie" stehen noch hier. Man muss nicht alles hintereinander weg lesen, aber hier und da ein Enquist tut (mir) gut :wink:

  • Bei meiner Lektüre von Enquists "Der Besuch des Leibarztes" hat der Zufall gleich mehrfach zugeschlagen.
    Zuerst griff ich einfach blind in meinen Sub (eine Verzweiflungstat bei einer seltsamen Leseflaute). Als ich im letzten Drittel des Buches angelangt war, schlug mein Liebster an einem verregneten Sonntag vor, ins Kino zu gehen u konnte sich aber für keinen Film entscheiden. Nochmals zufällig entdeckte ich die Verfilmung "Die Königin u ihr Leibarzt", der auf der Berlinale mit zwei silbernen Bären gekürt wurde.
    Es wurde eine seltsame aber hochinteressante Verquickung Buch - Film - Buch, etwas, was ich eigentlich nicht mag, mir hier aber viel Freude gemacht hat.
    Ich geriet regelrecht in ein historisches Dänemarkfieber, denn schon allein die Fakten sind sehr interessant: Das relativ frühe Aufflackern aufklärerischer Ideen, ihre sehr leidenschaftliche Umsetzung (mit zu wenig Weitblick u realistischem Kalkül..) u ihr Untergang. Im Film geht es noch ein wenig weiter u es wird angedeutet, wie die Kinder der Königin die Reform weiter voran treiben.
    Per Olov Enquist schreibt eine sehr eindringliche u gefühlvolle Geschichte rund um die Fakten, eine Geschichte, die mir unter die Haut ging. Die handelnden Figuren sind allesamt in ihrer Tragik und Entwicklung gut nachvollziehbar.
    Sogar die Geisteskrankheit des Königs in all ihrer bizarren Verzerrung irgendwie schlüssig.
    Wunderschön u ganz nach meinem Geschmack ist die symbolträchtige Verquickung der Geschehnisse mit Naturerscheinungen, dem Nebel, dem bleigrauen Wasser u den (für die Königin sehr wichtigen) Vögeln.


    Der Film unterschied sich in den Details, aber auch in der Perspektive u Herangehensweise an den Stoff etwas.
    Als ich ein wenig im Internet recherchiert hatte, wurde mir klar, warum das so sein muss:
    Den Machern des Filmes ist es nicht gelungen, Enquist die Rechte am Buch abzukaufen. Vielmehr hat er wohl auch noch gegen diese Version der Verfilmung des Stoffes geklagt.
    Wie auch immer: Für mich beides toll u eine Empfehlung wert - ein sehr lesenwertes Buch u ein sehenswerter Film.
    Würde mich freuen, wenn hier noch bald jemand seine Meinung dazu schreibt...
    Liebe Grüße
    Cheriechen :winken:

    "Wie wenig du gelesen hast, wie wenig du kennst - aber vom Zufall des Gelesenen hängt es ab, was du bist." Elias Canetti

  • Würde mich freuen, wenn hier noch bald jemand seine Meinung dazu schreibt...


    Vielleicht kann ich mich noch dazu aufraffen, den Film anzusehen, da mich die Themarik nach wie vor sehr interessiert. Aber das Buch war für mich einfach nur :bewertung1von5: und :thumbdown: - und das kommt bei mir selten vor.

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    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Aber das Buch war für mich einfach nur :bewertung1von5: und :thumbdown: - und das kommt bei mir selten vor.

    Erstaunlich, oft hatten wir ja schon den gleichen Geschmack..
    Manchmal frage ich mich, ob das eine Buch, das mir jetzt so gut gefällt zu einem anderen Zeitpunkt in einer anderen Stimmung eine Chance bekommen hätte?

    "Wie wenig du gelesen hast, wie wenig du kennst - aber vom Zufall des Gelesenen hängt es ab, was du bist." Elias Canetti

  • Manchmal frage ich mich, ob das eine Buch, das mir jetzt so gut gefällt zu einem anderen Zeitpunkt in einer anderen Stimmung eine Chance bekommen hätte?


    Es kommt immer auf die innere Stimmung an. Momentan lese ich Bücher wie aus weiter Ferne, erreichen tun sie mich kaum und ich neige zum abbrechen. Dann mache ich das einfach, vielleicht kommt für das ein oder andere Buch eine bessere Zeit :wink:

  • Manchmal frage ich mich, ob das eine Buch, das mir jetzt so gut gefällt zu einem anderen Zeitpunkt in einer anderen Stimmung eine Chance bekommen hätte?




    Es kommt immer auf die innere Stimmung an. Momentan lese ich Bücher wie aus weiter Ferne, erreichen tun sie mich kaum und ich neige zum abbrechen. Dann mache ich das einfach, vielleicht kommt für das ein oder andere Buch eine bessere Zeit :wink:

    Ja, mir geht es zur Zeit ähnlich! Und angesichts der vielen Bücher, warum sollte man sich selbst quälen! Wir sind doch alle Genießer..... :wink:

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  • Dieses Buch habe ich abgebrochen, obwohl es mich von der Thematik interessiert und ich auch ein anderes Buch über das Thema gelesen hatte. Aber der Schreibstil von Enquist sagte mir überhaupt nicht zu.

    Keine Ahnung, ob Du das Buch mittlerweile doch noch gelesen hast, aber ich kann mich Dir anschließen. Es ist schon Jahre her, dass ich mit meinen Bücherwürmern zusammen dieses Buch gelesen habe, aber schlussendlich haben wir es ziemlich auseinander genommen. Beginnend mit dem Stil, dem zusammenhanglosen Springen zwischen Präsens und Präteritum, und endend in diversen Widersprüchen in der Figur Struensees und seinen Handlungen blieb nur noch eine knapp mittelmäßige Bewertung und Begeisterung bei uns übrig. Die Diskussion allerdings war interessant, denn zunächst war ich damals die einzige, die dem Buch kritisch gegenüberstand - aber meine Fragen und Einwürfe sorgten dafür, dass die anderen anfingen, kritischer hinzuschauen. War spannend in dieser Hinsicht.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

    :study: Mike Dash - Tulpenwahn


  • @Squirrel
    Ich habe es nicht gelesen und mache generell einen Bogen um die Bücher dieses Autors.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998