1.Teil: Das Unglück + 2.Teil: Die Flucht (Seiten 5-137)

  • Dann mach ich einmal den Anfang. Ich hab jetzt bis S. 45 gelesen und finde das Buch liest sich super. Lore ist mir total sympatisch - ich bin sooo gespannt wie es weitergeht.


    Übrigens finde ich die Beschreibung des Opa klasse, ich kann ihn mir so richtig gut vorstellen. :loool:

  • Ich werde heute Abend,(nachdem der Nikolaus u.Besuch verschwunden sind u.die Kinder im Bett liegen) mit dem Buch anfangen.
    Es liegt hier schon erwartungsvoll auf dem Wohnzimmertisch und lacht mich ständig aus den Augenwinkeln an. Übrigens finde ich,hat dieses Buch ein sehr schönes Cover, welches mir schon mehrmals in Buchhandlungen, Supermärkten oder im Internet ins Auge gefallen ist. Und ein schönes Cover kann schon viel über ein Buch aussagen :wink:. Mal schauen, ob ich diesbezüglich Recht behalte. :loool:
    Werde gleich noch ein Gläschen Sekt auf eine schöne Leserunde mit Euch trinken... :drunken: Prost
    Liebe Grüße Engel :winken:

    "Neue Bücher rochen nach Druckerschwärze, nach Leim, nach Erwartungen. Alte Bücher dufteten nach Abenteuern, ihren eigenen und jenen, von denen sie erzählten. Und gute Bücher verströmten ein Aroma, in dem das alles steckte, und dazu noch ein Hauch von Magie."
    Kai Meyer


  • Übrigens finde ich,hat dieses Buch ein sehr schönes Cover, welches mir schon mehrmals in Buchhandlungen, Supermärkten oder im Internet ins Auge gefallen ist.

    Das Cover stellt sicher Lore dar... aber im Moment bringe ich das Bild noch nicht mit meinem Kopfkino zusammen. Mal sehen.


    Was das Lesetempo angeht, werde ich im ersten Teil etwa 20 Seiten am Tag lesen. Das ist zwar nicht viel und es fällt mir auch schwer, aber da ja jeder von Mario eingeteilte Abschnitt etwa eine Woche dauern soll, kommt das ja ungefähr hin.
    Ich habe die ersten drei Kapitel des ersten Teils gerade gelesen. "Dezembersturm" ist mein erster Iny-Lorentz-Roman, deswegen war ich besonders gespannt. :cheers:


    Was mir sehr gut gefallen hat, war der Anfang. Man wurde gleich in die Geschichte hineingeworfen und musste sich erst einmal in die Situation hineinfinden, in der man plötzlich war. Dadurch war das erste Kapitel ungeheuer spannend, finde ich. Die Namen den Geschichten zuzuordnen, hat mir viel Spaß gemacht. Und es geht gleich spannend weiter - wobei ich auch schon mal als positiv anmerken möchte, dass verschiedene Kapitel verschiedene Perspektiven erzählen. :thumleft: Jetzt am Anfang ist es dadurch auch einfacher, die verschiedenen Charaktere besser kennen- und verstehen zu lernen. Ottokar mag man dadurch zwar trotzdem nicht, aber man lernt ihn und seine Beweggründe besser kennen.


    Das sind so die allgemeinen Eindrücke, die ich beim Lesen hatte. Nun möchte ich auf ein paar Sachen noch genauer eingehen, die mir auf diesen wenigen Seiten aufgefallen sind. Vielleicht fällt mir manches auch nur deswegen auf, weil ich von den Autoren bisher noch nichts gelesen habe, aber warum auch immer, es ist eben so. ;)
    Was ich toll finde, ist, wie die Figuren und auch die Atmosphäre beschrieben werden. Ohne dass man das Gefühl hätte, dass ausschweifend beschrieben wird, kann man sich von den Menschen und der Stimmung und Umgebung immer ein gutes Bild machen. Der Anfang des Romans ist schon ein sehr gutes Beispiel dafür:

    Zitat

    Die Finger des Großvaters bohrten sich in Lores Schulter.
    Sie stöhnte vor Schmerz auf, hob den Kopf und sah sein bleiches, schmerzverzerrtes Gesicht über sich. Erschrocken fragte sie sich, womit sie den alten Herrn so sehr verärgert haben mochte. Dann erst bemerkte sie, dass er angestrengt durch das Fenster blickte. Dort teilte ein schnurgerader, scheinbar endlos langer Karrenweg den vom Licht der tiefstehenden Abendsonne beschienenen Forst. In einer halben Stunde würde die Dämmerung den Wald in Schatten tauchen, aber noch war es hell genug, um die stattliche Kutsche des Freiherrn von Trettin auf Trettin zu erkennen, die sich, von vier Pferden gezogen, dem alten Jagdhaus näherte (S. 7)

    Wenn man am Anfang eines Romans gleich ein ganz genaues Bild vor Augen hat, fällt es mir immer viel leichter, in die Geschichte einzutauchen. Das hat mir deswegen besonders gut gefallen.


    Bisher lässt sich ja vor allem etwas zum Großvater, zu Ottokar und zu Lore etwas sagen, wobei Lore bisher einfach eine Fünfzehnjährige ist, die gern ihren etwas kauzigen Großvater besucht. Der Großvater erscheint mir im Moment schon mal sehr interessant. Er ist sehr eigen, und sein Starrsinn kommt bereits auf den ersten Seiten sehr gut zur Geltung. Das gefällt mir total. Ich hoffe, dass er bis zum Schluss eine große Rolle spielen wird (auch wenn der Klappentext anderes vermuten lässt...). Dass er sich jedenfalls trotz aller Umstände von seinem Neffen nicht unterkriegen lässt, macht ihn mir sympathisch.
    Ottokar hat mich dann doch sehr entsetzt. Erst habe ich ihn nur als raffgierig eingestuft, aber als aus seinem "Weckdienst" bei Lores Eltern dann Brandstiftung wird und er in Kauf nimmt, dass seine Cousine und ihre Familie sterben - das war schon sehr schlimm. Man wusste ja zum Glück, dass Lore nicht zu Hause war. Ich fand deswegen auch das folgende Kapitel, in dem Lores Heimweg beschrieben wird, spannend, weil man immer darauf gewartet hat, wann sie das Haus ihrer Eltern und den Brand bemerken würde...


    Das also sind meine ersten Eindrücke. Ein toller Romananfang! :thumleft: Mir dieses Buch in so kleine Portionen einzuteilen, wird wirklich nicht einfach.

  • Ich freue mich, dass die Leserunde begonnen hat und ich bemühe mich, mir Zeit und Buch sinnvoll einzuteilen :wink: .


    Ich habe jetzt das erste Kapitel gelesen und finde das Buch bis jetzt toll. Es ist nicht mein erstes Iny Lorentz - Buch, sondern mein drittes. Die Einführungen der Personen gefallen mir sehr gut. Man taucht sofort in die Geschehnisse und in die Atmosphäre ein. Ich habe sofort ein Bild vor Augen. Von Lore, von Ottokar von Trettin und von Wolfhard von Trettin. Wirklich ein toller Romananfang!


    Was mir noch auffällt und was mich sehr fasziniert: Das Buch spielt in Ostpreußen um 1875. Die Sprache ist der Zeit angepasst, was leider nicht in jedem historischen Roman so ist. Mir gefällt das sehr gut. Insbesondere ist mir auch aufgefallen, dass die Sprache der Figuren eine andere ist, als die der Figuren in "Die Wanderhure". Das zeigt mir, dass das Autorenpaar nicht an einem Schreibstil festklebt, sondern die Sprache an die jeweilige Zeit anpassen kann. :thumleft:


    Ich freue mich auf's zweite Kapitel.

    "Liebe die Kunst in dir und nicht dich in der Kunst" - Stanislawski


    :study: J.K. Rowling - Harry Potter und die Heiligtümer des Todes

  • Das Buch spielt in Ostpreußen um 1875. Die Sprache ist der Zeit angepasst, was leider nicht in jedem historischen Roman so ist. Mir gefällt das sehr gut.

    Das stimmt, das ist oft wirklich etwas nervig. Aber hier passt es. Gleich am Anfang wird das sehr deutlich, als Lore den Großvater nicht mit "Euch" anspricht, und eine Rüge dafür erwartet. Da du sagst, dass die Sprache in "Die Wanderhure" anders war, habe ich eine Frage an die Autoren: Recherchieren Sie die Sprachgepflogenheiten und -eigenarten der jeweiligen Zeit, über die Sie schreiben? Und wenn ja, wie und wo?

  • Hallo,
    auch ich bin mittlerweile mit Kapitel 1 fertig - muss aber gestehen, dass ich mit dem Erzählstil bisher nicht warm geworden bin.


    Ich finde, die große Streitszene zwischen Ottokar und dem Großvater wirkt irgendwie bemüht, als würden sie den Text von einem Blatt ablesen, und sich nicht wirklich in ihre Wut hineinsteigern. Etwas verwundert bin ich auch über die Umgangsformen, die ich in einem Buch zu dieser Zeit bedeutend förmlicher erwartet hätte - warum duzt Ottokar den Kutscher? Und der Großvater den Pastor? Und warum hält der Kutscher seinem Herrn nicht die Tür auf? Ich beziehe mein "umfangreiches" Wissen natürlich nur aus anderen Büchern zu dieser Zeit bzw. Fernsehproduktionen wie dem "Gutshaus", aber da lief es zumindest auf: "Marie, bringen Sie ein Glas Wein!" o.ä. hinaus...


    Wikipedia jedenfalls meint: "Am Ende des 20. Jahrhunderts gilt im gesamten deutschsprachigen Raum die Regel, dass in erster Linie nur Familienangehörige und enge Freunde (siehe Duzfreund) geduzt werden. Fremde werden grundsätzlich gesiezt, es sei denn, es handelt sich um Kinder."

    LG schnakchen


    P.S. ich gehe mal davon aus, dass wir uns hier Spoiler sparen?

  • Habe auch noch das kurze zweite Kapitel gelesen.


    Oh Mann...Ottokar scheint ja nicht gerade ein angenehmer Zeitgenosse zu sein. Bin sehr gespannt wie es weitergeht.

    "Liebe die Kunst in dir und nicht dich in der Kunst" - Stanislawski


    :study: J.K. Rowling - Harry Potter und die Heiligtümer des Todes

  • Hallo,
    nun hat mich die Handlung doch in ihren Bann gezogen und ich habe die restlichen Abschnitte bis Seite 137 in einem Rutsch durchgelesen - sehr zur Empörung meines samstäglich vernachlässigten Freundes. ;)


    Ganz kurz meine Eindrücke: sehr gut gefallen haben mir die geschilderten Szenen zwischen Lore und ihrem Großvater, ihr Umgang miteinander und ihr Bemühen, den jeweils anderen stets zu schützen. Weniger überzeugen konnten mich bisher dagegen Ottokar und Malwine, die vor lauter Bosheit wie das Klischee der fiesen Verwandten wirken. Aber ich hoffe darauf, dass Ottokar noch ein paar Facetten mehr erhält bzw. dass seine Sicht der Dinge erklärt wird, wie @ Strandläuferin ja meinte.

    Jetzt am Anfang ist es dadurch auch einfacher, die verschiedenen Charaktere besser kennen- und verstehen zu lernen. Ottokar mag man dadurch zwar trotzdem nicht, aber man lernt ihn und seine Beweggründe besser kennen.

    Was mich etwas gestört hat, ist der ständig wiederkehrende Begriff "Dorf-/Landtrampel", der über mehrere Seiten wiederholt wird. Auch habe ich mir vergeblich versucht vorzustellen, wie man in einer fahrenden Kutsche Silhouetten aus Packpapier ausschneiden kann, und wo das Papier und die Schere herkamen.


    Abgesehen davon finde ich die Geschichte aber mittlerweile wirklich spannend und leide mit Lore in ihrer Schiffskajüte mit... Ich werde ganz schnell weiterlesen, denn ich hoffe ja noch auf die Klärung einer ganzen Menge offener Fragen, wie...



    LG schnakchen

  • So, nun habe ich mir das Buch besorgt, da es immer noch nicht angekommen ist. Egal!!


    Der Grossvater ist ja pfiffig :thumleft:
    Haette nicht gedacht, dass er (zu damaligen Zeien) schon so raffinierte Plaene schmiedet, um das Geld seiner Tochter beiseite zu schaffen.
    Aus anderen historischen Romanen weiss ich, dass Toechter es meistens sehr schwer hatten.
    Hier nicht, ein Vater der seine Tochter vom geldgierigen Neffen schuetzen will.
    Super Einstellung :thumleft: Sofort sympathisch.


    Ottokar(wo bekommt man solche Namen? - erinnert mich eher an Autocar) ist ein Widerling.


    Ich habe auch gestutzt als Lore die falsche Anrede an ihrem Grossvater gewaehlt hat. Wauh! Um dann die ganze Zeit Eure zu benutzen.
    Heftig sag ich nur.
    Die Beziehung zwischen Lore und ihrem Opa find ich auch klasse! Sie scheint doch was besonderes zu sein.


    Der Schreibstil ist mir sehr vertraut (nicht mein erstes Iny Lorentz Roman), fluessig zu lesen, angenehme Wortwahl, keine Schnoerkeleien und veraltete Woerter.
    Ich gehe davon aus, dass auch diesmal ein sehr spannendes und interessantes Buch ist.
    bin gespannt aus Weiteres.

  • so nun konnte auch ich entlich mit dem Buch anfangen zu lesen.
    Musste vorher noch ein anderes schnell zu Ende lesen. Da ich mich voll und ganz auf "Dezembersturm" konzentrieren möchte.



    Aber muss schon sagen nach den ersten Seiten bin ich schon sehr begeistert. Ist sehr gut und flüssig geschrieben. Ich glaube ich lese die ganze Nacht durch wenn ich nicht aufpasse :D

  • So, die ersten Seiten sind gelesen und nun möchte ich gerne die ersten Eindrücke loswerden.
    Hierbei handelt es sich übrigens um meinen 1. Iny Lorentz Roman und kann daher leider keine direkten Vergleiche zu anderen Romanen der Autoren heranziehen.
    Ich bin zuerst einmal sehr angenehm überrascht, daß es sich so schön flüssig lesen lässt. Auch war ich direkt gefangen von den verschiedenen Charakterdarstellungen und von der Handlung.
    Ein Schmunzeln kam mir über die Lippen, nachdem ich die Beschreibung des Erscheinungsbildes und der Charakterzüge von Ottokar Freiherr von Trettin vernommen habe. Daher konnte ich den Ekel, Hass und Zorn, welcher Wolfhard von Trettin ihm gegenüber empfand, absolut nachempfinden und die Situation spielte sich klar vor meinen Augen ab, wie Ottokar mit seinem Gehstock rumfuchtelte, während sein Onkel vor Wut nach dem Gewehrschrank schielt. 8-[
    Lore und besonders ihr Großvater sind mir nach den ersten drei Kapiteln schon ans Herz gewachsen und nun freue ich mich nach diesem gelungenen Auftakt auf die Geschichte :cheers:


    An den Namen Ottokar muß ich mich doch erst noch gewöhnen :loool:

    "Neue Bücher rochen nach Druckerschwärze, nach Leim, nach Erwartungen. Alte Bücher dufteten nach Abenteuern, ihren eigenen und jenen, von denen sie erzählten. Und gute Bücher verströmten ein Aroma, in dem das alles steckte, und dazu noch ein Hauch von Magie."
    Kai Meyer


  • Wow, nach den beiden nächsten Kapiteln (3.+ 4.) bin ich wesentlich mehr angespannt. Hier sind so viele verschiedene Emotionen, die auf einen einfließen und es ist sehr viel Handlung in wenige Seiten gepackt, daß die Geschichte einen nicht mehr loslässt.
    Ich empfand es als traurig und empörend, daß die Dorfbewohner dem brennenden Gebäude und auch ! der völlig überfordernden fünfzehnjährigen Lore den Rücken zudrehen, um nach Hause zu schlurfen. Nur der gutmütige Stallknecht überließ Lore nicht sich selbst sondern versucht ihr in dieser schrecklichen Situation Hilfe zukommen zu lassen. Ich empfand es aber keineswegs als Trost oder Erleichterung, daß sie für die Nacht beim Pastor Zuflucht fand.Ihn empfinde ich als ein noch unerträglicher und verdrehter Mensch als Ottokar von Trittin. Allein die lieblose, arrogante Mitteilung an Wolfhard von Trittin über den Tod seiner Familie fand ich schier unglaublich.


    Zitat

    ...."Es hat Gott, dem Allmächtigen, gefallen, Ihre Tochter, Ihren Schwiegersohn und alle Enkel bis auf diese Mädchen hier zu sich zu nehmen."S.25

    Sollte die Redewendung zu dieser Zeit so üblich erscheinen,würde ich es nicht begrüßen, so von dem Ableben meiner Familie unterrichtet zu werden. 8-[

    "Neue Bücher rochen nach Druckerschwärze, nach Leim, nach Erwartungen. Alte Bücher dufteten nach Abenteuern, ihren eigenen und jenen, von denen sie erzählten. Und gute Bücher verströmten ein Aroma, in dem das alles steckte, und dazu noch ein Hauch von Magie."
    Kai Meyer


  • Etwas verwundert bin ich auch über die Umgangsformen, die ich in einem Buch zu dieser Zeit bedeutend förmlicher erwartet hätte - warum duzt Ottokar den Kutscher? Und der Großvater den Pastor?

    Ich finde dafür zwar gerade keinen Beleg, aber ich hatte angenommen, dass höhergestellte Menschen gesiezt und gesellschaftlich niedriger gestellte Menschen und Kinder geduzt werden. In der Familie duzt Lore ja zum Beispiel den Großvater auch nicht, er sie aber schon. Als Fridolin auftaucht, siezt Lore ihn zunächst auch, bis er sie auffordert, ihn (wieder) zu duzen, wie sie es als Kind getan hat.

    Aber ich hoffe darauf, dass Ottokar noch ein paar Facetten mehr erhält bzw. dass seine Sicht der Dinge erklärt wird, wie @ Strandläuferin ja meinte.

    Ich empfinde Ottokar wirklich nicht so facettenlos, wie ihr sagt. Denn mir erscheint er zum Beispiel deutlich so, als würde er unter dem Pantoffel seiner Frau stehen. Malwine, die ja nun eigentlich überhaupt kein Anrecht auf das Vermögen der Trettins hat, ist noch skrupelloser als ihr Mann. Das wird zum Beispiel in dem Gespräch deutlich, das die beiden führen, als im Dorf über den Brand des Lehrerhauses gesprochen wird (Kapitel 6):

    Zitat

    "Was soll ich mit dem Balg?", fragte Ottokar missmutig.
    Für einen Augenblick verzerrte sich das Gesicht seiner Frau zu einer entnervten Grimasse. "Du bist ja noch dümmer, als ich dachte! Nach dem Tod ihrer Mutter und ihrer Geschwister ist Lore die einzige Erbin, die der alte Wolfhard noch hat. Daher wird er ihr das unterschlagene Geld zukommen lassen wollen."
    Bei diesen Worten atmete Ottokar von Trettin erleichtert auf. "Du hast recht, meine Liebe! Dieses bedauerliche Unglück hat die Situation zu meinen Gunsten gewandelt. Jetzt müssen wir nur noch auf Lore achten." (S. 36)

    In dieser Szene ist es zum Beispiel Malwine, die einen sehr kühlen Kopf bewahrt, die alles unter Kontrolle zu haben scheint und die zum Beispiel ihren Mann darauf aufmerksam macht, was er beachten muss, um im Dorf nicht ins Gerede zu kommen. Ottokar hingegen lässt sich von ihr alles sagen - er ist sicher "böse", aber er ist auch feige. So hätte er zum Beispiel die Zahlungen an seinen Onkel nicht eingestellt, um einen Prozess zu vermeiden. Malwine hingegen denkt sofort daran, dass Wolfhard in seinem momentanen Zustand gar nicht in der Lage ist, sich zu wehren und

    Zitat

    seufzte, als verliere sie langsam die Geduld. (S. 37)

    Sie erscheint mir dadurch einfach noch skrupelloser und "böser" als er.


    Zu Lores Situation nach dem Brand:

    Ich empfand es aber keineswegs als Trost oder Erleichterung, daß sie für die Nacht beim Pastor Zuflucht fand.Ihn empfinde ich als ein noch unerträglicher und verdrehter Mensch als Ottokar von Trittin.

    So geht es mir auch. Eigentlich sollte man ja meinen, dass ein Pastor der gutmütigste und netteste Mensch in einer Gemeinde ist, gerade dadurch entsteht so ein Kontrast und macht ihn noch unsympathischer. Die Art und Weise, wie Lore dort behandelt wird, ist schrecklich. Mir ist dabei aufgefallen, dass der Pastor - ebenso wie Ottokar - nicht nur selbst ein unsympathischer Charakter des Romans ist, sondern dass die jeweiligen Ehefrauen auch beide so sind (oder eben schlimmer). Obwohl die Frau des Pastors selbst Mutter ist, hat sie kein nettes Wort für Lore übrig und man merkt deutlich, dass die beiden das Mädchen nie aufgenommen hätten, wenn dies nicht zu ihren Pflichten gehören würde. Nächstenliebe ist hier jedenfalls nicht zu finden, der Pastor und seine Frau sind die unchristlichsten Figuren, die man sich nur vorstellen kann. ;)
    Über die Art, wie die Nachricht vom Tod der Familie überbracht wird, war ich auch entsetzt:

    Sollte die Redewendung zu dieser Zeit so üblich erscheinen,würde ich es nicht begrüßen, so von dem Ableben meiner Familie unterrichtet zu werden.

    Geht mir ebenso. ;) Jedoch glaube ich nicht, dass das so üblich war, denn sonst hätte dies den Großvater nicht so aufgeregt. Der Pastor geht ja sogar noch weiter und sagt, dass Wolfhards Familie sterben musste, um für seine Sünden zu büßen. Da wurde mir aber wirklich ganz anders! :shock: Es ist dann auch wirklich kein Wunder, dass der alte Mann einen Schlaganfall erleidet. Wolfhards Konsequenz, dass er

    , fand ich sehr lustig. :thumright:


    Nun bleibt mir nur noch, etwas zu Fridolin zu sagen. ;)
    Fridolin ist eine Figur des Romans, die man wahrscheinlich automatisch mag, obwohl sie auch Anlass zu Kritik bietet. Schon im allerersten Kapitel wird er ja thematisiert, ohne dass man Näheres über ihn erfahren würde:

    Zitat

    Ottokar stieß wütend die Luft aus der Lunge. "Ich weiß, dass du Geld hast! Immerhin hast du im letzten Jahr zweitausend Taler zum Fenster hinausgeworfen, um Fridolin vor dem Schuldgefängnis zu bewahren."
    "Es war das letzte Bargeld, über das ich verfügen konnte, und ich habe es lieber für Fridolin ausgegeben, als es irgendwann einmal dir zu überlassen." [...]
    "Du hättest die Scheine besser ins Feuer gesteckt, als sie für Fridolin zu vergeuden. Der Kerl ist bis ins Mark verderbt! Trotz seiner Jugend spielt er, säuft und treibt sich mit zweifelhaften Frauenzimmern herum. Er ist eine Schande für unsere Familie, und jeder Taler, den du für ihn ausgegeben hast, müsste dir in der Seele weh tun." (S. 12 f.)

    Der Name Fridolin klingt irgendwie schon so fröhlich, dass man gleich weiß (oder ahnt), dass es sich um einen netten Menschen handeln wird. ;) Und so ist Fridolin dann auch. (Frage an die Autoren: Wie kommen Sie eigentlich zu den Namen für Ihre Romanfiguren? :-k ) Er hat sicherlich einige Fehler, aber er hat ein großes Herz, und die Szene, als er Lore seine Glücksmünze schenkt, obwohl er selbst gar nichts mehr besitzt, hat mich sehr gerührt. Schade, dass Lore und er

  • Liebe Leserunde,


    als erstes möchte ich allen Gewinern der Bücher gratulieren und wünsche ihnen viel Freude damit.


    Ihr habt ja schon fleißig gelesen und auch gepostet, so dass es mir leicht fällt, darauf zu antworten. Einer der ersten Kommentare betraf den Stil, in dem Dezembersturm geschrieben wurde, und den Unterschied zu unseren Mittelalterromanen wie der Wanderhure. Es ist sehr wichtig, für jede Zeit den dazu passenden Stil zu finden. Für das 19. Jahrhundert ist dies ziemlich leicht, da es genug Bücher aus dieser Zeit gibt. Beim Mittelalter muss man bedenken, dass diese Leute noch nicht das Deutsch Schillers und Goethes gesprochen haben, sondern muss deren Ausdrucksweise in ein verständliches Deutsch überführen, das jedoch dieser Zeit Rechnung trägt.


    Zu Sprache gehört auch die Frage, wer geduzt und gesiezt wird. In Städtischen Kreisen war es bei sich vornehm gebenden Personen durchaus üblich, auch die Dienerschaft mit Sie anzureden, allerdings entweder gleich mit dem Vornamen oder mit dem Nachnamen ohne die sonst üblichen höflichen Zusätze wie Herr oder Frau. Das gibt dann etwas so: "Marlene, bringen Sie mir meine Stola" oder "Meier, sagen Sie dem Kutscher, er soll einspannen". Dies geschah auch, um Abstand zu diesen Personen zu waren. Die Antworten der Bediensteten waren weitaus höflicher und eine Gnädige Frau oder ein Gnädiger Herr unabdingbar. Auch in den Familien selbst sprachen die Eheleute sich oft mit Sie an, und Kinder mussten dies ihren Eltern gegenüber ebenfalls tun. Auf den Gütern außerhalb der Städte wäre es jedoch keinem Gutsherrn oder dessen Frau eingefallen, einen Knecht oder eine Magd mit sie anzusprechen.


    Nun zu dem bewussten Familienbuch derer von Trettin, in dem der alte Herr so aufmerksam gelesen hat. Dieses Buch enthält die ganzen Regeln, der sich die Mitglieder der Familie bezüglich Verheiratung, Lebenswandel und Erbschaft zu verhalten haben. Trettin war Majorat, das heißt, es wurde immer in männlicher Linie weiter vererbt. Hatte ein Herr auf Trettin wie Wolfhard Nikolaus nur Töchter, so ging das Gut an einen Neffen oder auch Großneffen und die Töchter erhielten nur eine gewisse Mitgift. Da Lores Großvater seinen Neffen Ottokar (übrigens ein alter, deutscher Vorname) hasste, hat er erst einmal selbst gut gelebt und dann etwas für seine Tochter und deren Kinder beiseite gelegt. Deshalb hat Ottokar auch den Prozess angestrengt, um dem alten Herrn das Gut abzunehmen. Außerdem wollte er das Geld zurück, dass dieser seiner Meinung nach unberechtigt dem Gut entnommen hat. Die Tatsache, dass Malwine hier besonders aktiv war, kann nicht zuletzt aus der Tatsache kommen, dass der alte Herr auf Trettin sie nie als richtiges Mitglied der Familie anerkannt hat. Seine Aussage, sie sein eine geborene Lanitzki ohne jeden Adel deutet darauf hin. Er scheint auch seinen Schwiegersohn nicht so besonders beachtet, sondern sich mehr auf seine Tochter und deren Kinder konzentriert zu haben.


    Der Pastor und seine Frau kommen nicht besonders poitiv herüber. Ich will die beiden jedoch einwenig in Schutz nehmen. Pfarrstellen wie die auf Trettin wurden meistens von den entsprechenden Gutsherrn eingerichtet. Diese bezahlten auch oft den größten Teil des Gehalts für den Pastor. Damit aber war dieser voll auf den Gutsherrn angewiesen, da dieser jederzeit dafür sorgen konnte, dass er entlassen und durch einen anderen Pfarrer ersetzt wurde. Auch kann man sich vorstellen, dass der Pastor von dem Lebenswandel des alten Herrn auf Trettin nicht begeistert gewesen ist und ganz froh war, mit Ottokar einen Gutsherrn zu bekommen, der seinen etwas engstirnigen Ansichten mehr entsprach.


    Sysai alias Iny Lorentz

  • Ich habe jetzt die ersten 6 Kapitel von Teil 1gelesen.


    Mir gefällt sehr, dass ich wirklich von Anfang an in der Geschichte drin war. Keine langen Einleitungen, sondern sofort mittendrin im Geschehen.


    Ich musste ziemlich schlucken, als ich gelesen habe, dass Lore


    Ganz schön traurig, wenn man sich da mal reinversetzt. Ottokar ist für mich überhaupt nicht facettenlos. Und wie das hier schon manche angesprochen haben ist er nicht nur der "klassische Böse", sondern auch feige und meiner Meinung nach nicht ganz so helle im Kopf.


    Ich bin bis jetzt total begeistert von dem Buch und bin wirklich gespannt wie es weitergeht.


    Sysai


    ich hatte den Vergleich zur Sprache in "Die Wanderhure" gebracht. Ich finde ihr habt gut recherchiert. Beim Lesen sind das zwar "scheinbare Details", aber ich finde, sie können die ganze Stimmung eines Buches ausmachen. Um so genauer die Sprache ist, umso authentischer ist alles. Mir gefällt es sehr gut :thumleft:

    "Liebe die Kunst in dir und nicht dich in der Kunst" - Stanislawski


    :study: J.K. Rowling - Harry Potter und die Heiligtümer des Todes

  • Obwohl ich gestern Abend sehr müde war, wollte ich doch unbedingt noch das Buch beginnen und bin mittlerweile auf Seite 48.


    Mir hat gut gefallen das man gleich in die Handlung hineingenommen wird. Ich finde es immer langweilig wenn die ersten Seiten nur mit Beschreibungen der Umgebung o.ä. gefüllt sind.


    Auch finde ich die Figuren gut charakterisiert. Wobei der Opa sympathisch schrullig rüberkommt...
    Dass Ottokar von Trettin die Hütte niederbrennt kam für mich völlig unerwartet. Am Anfang war er "nur" unsympathisch durch seine Geldgier, aber nun...


    Was mich interessieren würde: War es damals üblich das höhere Familien ihre eigenen Gesetze hatten? Wer hat diese erdacht, formuliert und über deren Einhaltung gewacht? Und waren diese auch vor dem öffentlichen Gericht einklagbar?



    Bis jetzt ein klasse Buch :cheers:

  • Zitat

    Zitat von Sunny246:
    War es damals üblich das höhere Familien ihre eigenen Gesetze hatten?


    In einer Zeit, in der es kein allgemeingültiges Gesetz gab, stellte der vermögende Adel seine eigenen Regeln auf. Dazu gehörte z.B. das Erbrecht, durch das der Ahnherr, der es einst bestimmt hat, sichern wolte, dass Besitz immer auf einen männlichen Erben seines Namens übergehen muss. Dies war das sogenannte Majorat. Hatte der erste Träger einer Herrschaft oder eines Titels nur Töchter und wollte sein Erbe nicht einem Neffen überlassen, wurde ausnahmsweise auch die weibliche Erbfolge zugelassen, oft mit dem Zusatz, dass für deren Nachkommen wieder die männliche Erbfolge gilt. Diese Familiengesetze werden teilweise noch immer befolgt. Allerdings dürfen sie nicht heute geltendem Recht widersprechen.


    Zu Ottokar: Er wollte ja eigentlich nur seine Kusine ärgern, indem er deren kleine Scheune in Brand steckte. Als das Feuer sich ausbreitete, bekam er Panik, er könnte als Brandstifter gelten, und ist fort, ohne an die Folgen zu denken.

    Zitat

    ich hatte den Vergleich zur Sprache in "Die Wanderhure" gebracht.


    Da wir jedes Manuskript etliche Male durchgehen und überarbeiten, können wir auch auf die jeweilige Sprache eingehen und diese anpassen. Wichtig ist, dass die Sprache in die jeweilige Zeit passt. Menschen des Mittelalters reden anderes als solche im Barock oder oder eben im 19. Jahrhundert.


    Liebe Grüße


    Sysai