Jean-Louis Fournier - Wo fahren wir hin, Papa? / Où on va, papa?

  • Kurzbeschreibung


    Wie gerne hätte der Vater seinen Söhnen ›Tim und Struppi‹ geschenkt – aber leider können sie nicht lesen. Wie gerne wäre er mit ihnen auf Berge gestiegen, hätte mit ihnen Musik gemacht, hätte mit ihnen Volleyball gespielt – aber leider können sie immer nur mit Holzklötzchen spielen. Thomas und Mathieu sind behindert und waren nie das, was sich der Vater gewünscht hätte: normale Kinder. Pointiert und mit überraschendem Witz schildert Fournier das Leben mit seinen Söhnen, die zu lieben nicht leicht war. Für die beiden wäre eine Engelsgeduld nötig gewesen, doch Fournier, so bekennt er offen, war kein Engel.


    Der französische Bestseller des Jahres 2008!


    »Man sollte dieses Buch nicht nacherzählen. Das würde ihm nicht gerecht werden. Der Einzige, der die richtigen Worte für diese Geschichte finden kann, ist Jean-Louis Fournier.« Le Monde


    Über den Autor


    Jean-Louis Fournier, am 19. Dezember 1938 in Arras geboren, ist Schriftsteller und Humorist und arbeitet zudem als Regisseur für das Fernsehen. Er hat eine Vielzahl von Büchern veröffentlicht. Sein Buch 'Wo fahren wir hin, Papa?' wurde 2008 zum Nr. 1-Bestseller in Frankreich, mit dem renommierten Prix Femina ausgezeichnet und für den Prix Goncourt nominiert.


    Meine Rezension


    Der in Frankreich sehr bekannte Autor Jean-Louis Fournier schreibt in seinem Buch "Wo fahren wir hin, Papa?" aus der Ich-Perspektive eines Vaters von zwei schwerbehinderten Söhnen. Dabei handelt es sich um keine zusammenhängende Geschichte, vielmehr um immer wenige Zeilen umfassende Ausschnitte (daher ist das Buch auch vergleichsweise sehr kurz). Doch gerade diese kurzen, scheinbar nebenbei hingekritzelten Aussagen stecken voller Gefühl und Gedanken: Manchmal lustig, manchmal traurig, oft voller schwarzem Humor, schier brutal, aber immer offen und ehrlich.


    Der Autor erzählt uns die schonungslose Wahrheit, wie er sie erlebt hat, ohne Rücksicht auf Verluste und auf die Gefahr hin, grob zu wirken. "Wenn ein Kind sich mit Schokopudding beschmiert, lachen alle; wenn das Kind behindert ist, lacht keiner." Und genau diese Kluft aus Betretenheit versucht Jean-Louis Fournier zu durchbrechen - mit Erfolg, wie ich finde. Sicher sind seine Äußerungen oftmals grob und hinterlassen ein flaues Gefühl im Magen, "wie kann der nur so gemein sein?". Doch wenn man ehrlich ist, gibt es wohl keinen Menschen, der sich nicht manchmal das schlimmste ausmalt und einfach nur genervt - auch von seinen eigenen Kindern - ist. Es ist schwer das zuzugeben, umso bewundernswerter finde ich die Offenheit, mit der der Autor mit dem Thema umgeht.


    Viel mehr gibt es über das Buch auch nicht zu sagen - man muss es selbst erleben, selbst die kurzen Gedankenstücke weiterspinnen, selbst zwischen Bewunderung und Verachtung, Humor und Trauer stehen. Auf jeden Fall ein ehrliches, selbstkritisches Buch, nicht für Zartbesaitete, das zum Nachdenken anregt.


    Von mir gibt es :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Nae quin! Nae king! Nae laird! Nae master! We willna' be fooled again!

  • Ich habe das Buch auf Französisch geesen und stehe ihm zwiespältig gegenüber. Wenn ein "Betroffener" so von sich und seinen behinderten Kindern schreibt bleibt einem ja aus lauter Respekt anscheinend nichts anderes übrig, als das einfach mal so hinzunehmen. Da ich selber mit Behinderten zu tun habe kann ich vieles nachvollziehen, auch jenen schwarzen Humor oder die Unverständlichkeit angesichts der Unmöglichkeiten.


    Dennoch kam mir der Grundton nicht nur "witzig" vor, sondern zu anklagend, unversöhnlich. Ich kann keinen überreden, in einem Behinderten ein Geschenk des Himmels zu sehen, doch nur - oder fast - die Seite "Belastung und Zumutung" zu betonen, noch und noch, erschien mir selber etwas arm(selig). Wir bleiben sicherlich sehr arm angesichts der Behinderungen von uns lieben Menschen (ich spreche aus Erfahrung), doch vielleicht sollten wir auch unsere eigenen Gefühle und Erlebnisse nicht IN jene hineinproizieren, als ob der Mangel an Sinn für uns also schon einer Abwertung des andern gleichkommt.

  • Zitat

    Ich kann keinen überreden, in einem Behinderten ein Geschenk des Himmels zu sehen, doch nur - oder fast - die Seite "Belastung und Zumutung" zu betonen, noch und noch, erschien mir selber etwas arm(selig). Wir bleiben sicherlich sehr arm angesichts der Behinderungen von uns lieben Menschen (ich spreche aus Erfahrung), doch vielleicht sollten wir auch unsere eigenen Gefühle und Erlebnisse nicht IN jene hineinproizieren, als ob der Mangel an Sinn für uns also schon einer Abwertung des andern gleichkommt.

    Gerade an diesem Punkt finde ich, kann niemandem vorgeschrieben werden, was er zu fühlen hat. Wenn er seine Kinder nunmal fast nur als Belastung sieht, kann er an diesen Gefühlen nichts ändern - ich finde es im Gegenzug eher mutig, sie auszusprechen und nicht alles schön zu färben. Das ist wenigstens ehrlich, auch wenn ich verstehe, dass es für viele Menschen verletzend sein kann, die selbst betroffen sind und das anderes sehen...

    Nae quin! Nae king! Nae laird! Nae master! We willna' be fooled again!

  • ...kann niemandem vorgeschrieben werden, was er zu fühlen hat. Wenn er seine Kinder nunmal fast nur als Belastung sieht, kann er an diesen Gefühlen nichts ändern - ich finde es im Gegenzug eher mutig, sie auszusprechen und nicht alles schön zu färben. Das ist wenigstens ehrlich, auch wenn ich verstehe, dass es für viele Menschen verletzend sein kann, die selbst betroffen sind und das anderes sehen...


    Ich bin damit einverstanden, snuuuke. Gefühle lassen sich nicht "vorschreiben", und es ist mutig, ja wichtig, sich die vielleicht verborgenen oder geächteten inneren Reaktionen einzugestehen. Das ist ehrlich und notwendig. Man kann Behinderungen nicht einfach schönreden. (Ich frage mich wohl, ob das denn heute die Gefahr ist, oder nicht eher umgekehrt: wir suchen ja den "perfekten und makellosen" Menschen. Wir verbannen den "anderen", den Kranken oft in ein Ghetto und der Unvollkommene ist schon die reinste Katastrophe.)


    Es geht mir weniger darum, dass Fournier damit "verletzend" wäre (für mich), sondern dass ich denke, dass es sehr schwer ist, auf diesem Stadium stehenzubleiben und nicht noch einen, oder ein paar, Schritt(e) weiterzugehen. Insofern reicht mir selber das Buch nicht aus... Aber das ist natürlich eine persönliche Meinung.

  • Zitat

    sondern dass ich denke, dass es sehr schwer ist, auf diesem Stadium stehenzubleiben und nicht noch einen, oder ein paar, Schritt(e) weiterzugehen. Insofern reicht mir selber das Buch nicht aus...

    Ja, da hast du recht... das Gefühl hatte ich nach Ende des Buchs auch - als ob Fournier nirgends ankommt, sondern einfach bei einer Sache stehen bleibt... ist aber wohl auch eine eher ausweglose Situation, stelle ich mir vor...


    Und eins steht fest: Das Buch ich viel zu kurz!

    Nae quin! Nae king! Nae laird! Nae master! We willna' be fooled again!

  • Noch vor dem lesen bin ich über den Klappentext gestolpert. Dort steht: "Jean-Louis Fournier erzählt von einem Vater, der sich andere Söhne gewünscht hätte [...]" Heißt das, dass es gar nicht seine eigene Geschichte ist, sondern irgendeine (fikitive)??? Im Netz konnte ich dazu leider nichts genaueres finden... aber im laufe des Lesens hat sich die Geschichte dann doch als anscheinend authentisch entpuppt.


    Die Textpassagen sind recht kurz gehalten, erscheinen schon fast als "Spots" (mir fällt kein besseres Wort ein). Mich hat es wahnsinnig betroffen gemacht, mit wieviel Bitterkeit Fournier über seine Kinder geschrieben hat. zum einen, weil gerade er das Pech hatte, gleich 2 körperlich und geistig schwer behinderte Kinder bekommen zu müssen. Und zum anderen, hört es sich so an, als seien seine Kinder nur unglücklich gewesen. Ich finde das sehr befremdlich - es kann ja auch sein, dass die Kinder in ihrer kleinen Welt mit ihren Möglichkeiten doch recht zufrieden waren. Aber darüber will ich mir kein Urteil erlauben. Ich bewundere die Ehrlichkeit Fourniers, die Bitterkeit stößt mich jedoch sehr ab!


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Das Missliche an neuen Büchern ist, dass sie uns hindern, die alten zu lesen.
    J.Joubert

  • Ich fand gerade hier eine Buchbesprechung, die mir dann wieder ein Gegengewicht zu meinen ersten Eindrücken vermittelt...:
    http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/1072185/

  • Meine Rezension:


    Bei einer Schwangerschaft denken sicher die wenigsten Eltern daran, dass das eigene Kind auch behindert zur Welt kommen könnte. Soetwas passiert schließlich immer nur den anderen. Doch genau diese "anderen" dachten vermutlich einmal ganz ähnlich.


    Das ist es auch, was Jean-Louis Fournier, dem Autor von "Wo fahren wir hin, Papa?", passiert ist. Nur "traf" es ihn und seine Frau gleich zwei mal. Ihre ersten beiden Söhne sowohl geistig als auch körperlich behindert.


    In seinem Buch beschreibt er den Schock darüber, dass die eigenen Kinder nicht gesund sind und niemals ein selbstständiges Leben führen werden. Dies tut er mit einem wirklich bösen schwarzen Humor. Er öffnet damit dem Leser die Augen, denn häufig verhält sich jeder von uns - oft auch unbewusst - unangebracht gegenüber behinderten Mitmenschen.


    Jean-Louis Fournier nimmt sich und seine ganze Familie auf die Schippe, und gerade seine extreme Ehrlichkeit hat mich so überzeugt. Er nimmt kein Blatt vor den Mund, spricht aus, was andere kaum zu denken wagen, und doch merkt man, dass er seine Kinder über alles liebt. Vermutlich ist es genau sein Humor, der ihn über die Traurigkeit darüber, dass seine zwei Söhne krank sind und einer sogar ziemlich früh verstirbt, hinwegträgt.


    Wie soll man es ertragen, dass die eigenen Söhne niemals werden lesen können, niemals zur Schule gehen werden, niemals selbstständig werden leben können...? Sich jetzt aber im Selbstmitleid zu vergraben und seine kompletten Gedanken auf die Krankheit der Kinder zu konzentrieren, das kann einen Menschen auf Dauer nur kaputt machen.


    So ist Fourniers Prinzip, alles mit Humor zu nehmen und sei er auch noch so rabenschwarz, eine gute Möglichkeit - zumindest für ihn.


    Mathieu und Thomas, Jean-Louis Fourniers Söhne, können stolz auf ihren starken Vater, aber auch auf sich selbst sein. Trotz ihrer Behinderung geben sie ihren Eltern so viel Liebe, dass sie all die Schwierigkeiten in ihrem Leben mehr als nur aufwiegt. Und obwohl die Wortwahl des Autors zunächst schockiert, merkt man zunehmend, wie viel Liebe aus seinen Worten spricht.


    Durch die extrem kurzen Kapitel, wird der ganz besondere Sog der Geschichte noch verstärkt. Außerdem trifft der Wortwitz den Leser wirklich tief - manchmal unerbittlich tief. Oft ist es nämlich so, dass man liest, weiterliest, ein paar Sekunden überlegt und plötzlich erreicht der Witz das Gehirn mit voller Wucht. Er muss sich nur erst entwickeln.


    "Wo fahren wir hin, Papa?" ist ein herrlich ironisches Buch voll Wortgewalt.

  • Wie fühlt man sich, wenn man erfährt, dass das eigene Kind körperlich und geistig behindert ist?
    Einige - nicht betroffene - Menschen sind der Meinung, dass es nicht schlimm ist. Dass man diese Kinder genauso lieben kann wie normale Kinder. Und dass diese Kinder einem genauso viel Liebe zurückgeben. Bis auf einige Schwierigkeiten macht es keinen Unterschied, ob das Kind normal oder behindert ist. Doch ist das wirklich so?
    Jean-Louis Fournier ist Vater von zwei geistig und körperlich behinderten Kindern und erzählt in diesem Buch offen und ehrlich, wie es wirklich ist, wie man sich fühlt und welche Probleme auftauchen. Alle Eltern wollen das Beste für ihre eigenen Kinder - doch was ist, wenn man den Kinder nicht das Beste geben kann? Wenn die Zukunftsaussichten von Anfang an trostlos aussehen? Wenn es keine Aussicht auf (geistige) Entwicklung gibt? Fournier beschreibt diesen Zustand der Machtlosigkeit mit folgenden Worten sehr treffend: "Wir brauchten uns nicht den Kopf zu zerbrechen, was einmal aus euch werden würde, denn daran gab es schon bald keinen Zweifel: nichts."
    Gern wäre er ein ganz normaler Vater, der seinen Kindern vorliest und mit ihnen Fußball spielt. Doch was soll man tun, wenn die Kinder fast nichts von dem behalten, was man ihnen erzählt? Oder noch schlimmer: Was ist, wenn man ihnen gar nichts erzählen kann, weil sie taub sind? Wie soll man ihnen Aufmerksamkeit schenken, wenn man sich unfähig fühlt, diese Kinder so zu behandeln, wie sie es verdient hätten? Fournier schreibt in dem Buch, dass man für diese beiden Kinder eine Engeldgeduld braucht, er aber kein Engel ist und mit der Situation nicht so umgehen kann, wie er es gerne möchte, da er überfordert und verzweifelt ist. Er bezeichnet seine eigenen Kinder als Weltuntergänge und vergleicht sie nach dem Aussehen her mit E.T. Das ist verdammt hart, zeigt aber, dass Fournier seine Verzweiflung mit Sarkasmus zu überspielen versucht. Im Laufe des Buches schreibt er auch: "Ich will mich gar nicht über dich lustig machen, sondern im Grunde nur über mich selbst und mir beweisen, dass ich über mein Unglück lachen kann."
    Obwohl Fournier es abzustreiten versucht, merkt man doch, dass er sich auch selbst bemitleidet. Er schafft es einfach nicht, diese schwierige Situation zu meistern, und doch fällt auf, dass er seine Kinder liebt. Besonders schön finde ich folgenden Satz: "Nicht sein wie die andern, heißt nicht zwangsläufig schlechter sein als die andern, es heißt, anders sein als die anderen." Das zeigt immerhin, dass er seine Kinder langsam so akzeptiert hat, wie sie sind. Fournier beschreibt kleine Alltagssituationen, um den Lesern zu zeigen, dass man mit einem behinderten Kind nicht normal umgehen kann. Obwohl er seine Gedanken und Gefühle humorvoll verpackt, fällt doch auf, dass er überfordert ist und sich hilfslos fühlt. Das merkt man zum Beispiel in der Situation, in der sein Sohn Thomas ihn im Auto immer wieder fragt, wohin sie fahren. Erst antwortet Fournier noch wahrheitsgemäß, doch irgendwann gibt er es auf. Er malt sich aus, wie es wäre, das alles zu beenden, sich nicht mehr mit den Problemen auseinandersetzen zu müssen. Auf Thomas Frage, wohin sie fahren, fallen ihm nämlich folgende Möglichkeiten ein:


    "Wir fahren auf die Autobahn, wir spielen Geisterfahrer.
    Wir fahren nach Alaska. Wir streicheln die Bären. Und lassen uns fressen.
    Wir fahren Pilze suchen. Wir sammeln Schleierlinge und machen daraus ein leckeres Omelett.
    Wir fahren ins Schwimmbad, wir springen vom höchsten Turm in ein Becken ohne Wasser.
    Wir fahren ans Meer. Zum Mont-Saint-Michel. Wir gehen im Treibsand spazieren. Und versinken.
    Wir fahren in die Hölle."


    Beim Lesen hat man allerdings das Gefühl, dass Fournier sich bereits in seiner persönlichen Hölle auf Erden befindet.
    Ich finde es sehr positiv, dass er ehrlich und offen ist und nichts verharmlost oder beschönigt. Klar ist es hart, seine eigenen Kinder als Weltuntergang zu bezeichnen, aber zumindest in dem Moment hat er es so empfunden und steht auch dazu. Das Buch macht traurig und nachdenklich und lässt leider einige Fragen offen. Es wird beispielsweise nicht weiter auf das dritte, nicht behinderte Kind von Fournier eingegangen. Allerdings wird angedeutet, dass die Tochter früh verstorben ist.


    Meiner Meinung nach ist das Buch lesenswert, da der Autor es mit wenigen Worten schafft, seinen Zustand so zu beschreiben, dass man seine Gedanken und Gefühle auch dann nachvollziehen kann, wenn man selbst keine (behinderten) Kinder hat. Respekt für diese Ehrlichkeit!

  • Ein Vater erzählt von seinen drei Kinder; Thomas und Mathieu, seinen behinderten Söhnen und der später normal geborenen Tochter. Die Söhne können nichts alleine, werden nie Lesen und Schreiben lernen, nie ein selbständiges Leben führen können. Damit das auch ja kein Leser vergisst, wird es alle paar Seiten wiederholt.
    Mit fünfzehn stirbt dann Mathieu, aber mit dem anderen Sohn geht es genauso weiter.


    So viel zur Handlung, so man das Handlung nennen kann. Dieses Buch hat 155 Seiten, von denen keine einzige komplett bedruckt ist, die meisten haben nur zwei, drei Sätze, manche auch nur einen. Man liest es in weniger als einer halben Stunde durch. Obwohl der Stil wirklich gut zu lesen ist, habe ich mich nach der Lektüre gefragt, was der Autor damit eigentlich sagen will. Es ist das Gejammer eines Vaters zweier behinderter Söhne.
    Die gesunde Tochter bleibt dabei völlig außen vor, lediglich in einem Satz wird angedeutet, dass wohl irgendwann auch mit ihr etwas passiert ist, so dass sie kein normales Kind mehr war. Was da geschehen ist, wird allerdings nicht verraten.
    Auf mich wirkt das Buch wie eine Aneinanderreihung ewig gleicher Geschehnisse, Spannung kommt keine auf, aufgrund der Kürze allerdings auch keine Langeweile.
    Warum das Buch in seinem Heimatland – Frankreich – ein preisgekrönter Bestseller wurde, oder warum man so wenig Text auf 155 Seiten aufbläht, erschließt sich mir nicht. Ich fand es nicht gut, da mir da einfach ein roter Faden fehlt, es bleiben Fragen offen, es gibt auch gar keine richtige Handlung, da alles ja nur aus Gedankenfetzen und Erinnerungen des jammernden Erzähler besteht.


    Meine Wertung: :bewertung1von5:

  • Hallo,


    ich habe das Buch auch gelesen und muss sagen für mich war es teilweise hart und heftig. Man hat die Verzweiflung so herauslesen können und ich habe mich an vielen Stellen gefragt, wieso der Vater so mit seinen Kindern umgeht und warum er keine liebevollen Worte für sie findet. Natürlich liebt er sie, dass geht schon aus dem Buch hervor. Aber die Tragik und das schwerlastige hat einfach überwogen.
    Trotzdem beschreibt er eindrucksvoll wie das Leben mit behinderten Kindern ist und das es eben anders ist.


    Lg

    Jeder Tag in meinem Leben gibt mir die Chance etwas großes zu bewegen =)

  • Aus diesem Buch schreit nur so die Verzweiflung. Ich muss sagen, dass ich ziemlich schockiert bin, von den Empfindungen die Fournier gegenüber seinen Kindern hat. Ich selber arbiete zur Zeit mit behinderten Kindern und ich habe mir schon gedacht, dass es sehr hart für die Eltern sein muss, vor allem wenn man dann auch noch zwei behinderte Kinder hat. Aber wie Fournier mit dem Schicksal seiner Kinder umgeht, dass er ja größtenteils als sein eigenes Schicksal sieht, hat mich schon sehr nachdenklich gemacht. Ich fand es am Anfang besonders heftig, denn Fournier erwähnt immer nur, was die Kinder nicht können, nie aber erwähnt er auch nur, was die Kinder trotz ihrer Behinderung können, nie freut er sich über kleine Erfolge, weil er seine Kinder immer gesunden Kindern gegenüber setzt. Fournier versinkt teilweise im Selbstmitleid und macht sich selber Vorwürfe, diesen Kindern das Leben geschenkt zu haben. Ich finde es sehr traurig, dass Fournier so gar kein Glück empfinden kann Kinder zu haben, auch wenn sie behindert sind. Er liebt seine Kinder, das wird einem in dem Buch schon deutlich, aber selbst daran hatte ich zu beginn Zweifel. Ich glaube Fournier hatte insgesamt sehr hohe Erwartungen an seine Kinder, die vielleicht auch enttäuscht worden wären, wenn sie nicht behindert wären. Auch gesunde Kinder bringen nicht unbedingt Urkunden und Pokale nach hause und sind nicht so wie die Eltern sich es vorstellen und es gerne hätten. Ich glaube in den Erwartungen liegt Fourniers Problem, er ist nicht in der Lage, seine Kinder so anzunehmen wie sie sind. Klar ist das schwierig, aber ich denke nicht unmöglich. Über seine Scherze und seinen Humor konnte ich nicht lachen. Ich finde die meisten Witze ziemlich heftig und anstatt zum Lachen war mir eher zum Weinen, denn aus den Witzen sprühte nur so die Verzweiflung des Vaters. Er selbst gibt ja in dem Buch zu, dass er die Witze mach um mit seinem Schicksal besser klar zu kommen und genau so wirkt es auch. Ich finde das Buch auf jeden Fall sehr eindrucksvoll und es lässt mich sehr nachdenklich und schockiert zurück.

  • Kinder sind ein Geschenk des Himmels - wer es wagt diesem Satz zu widersprechen, sollte damit rechnen zumindest scheel angeblickt zu werden. Klar, so etwas kann nur aus dem Munde eines/r Kinderlosen kommen, Egoisten, Hedonisten oder dergleichen. Doch ein Elternteil das einer solchen Aussage widerspricht? Undenkbar!
    Jean-Louis Fournier riskiert es, 156 Seiten lang. Er ist Vater zweier Söhne, zweier schwerstbehinderter Söhne, die 'nichts als Stroh im Kopf haben'. Und nie käme es ihm in den Sinn zu sagen, er ist ein 'stolzer Vater'. Fournier leidet: Leidet an dem Unglück das über ihn hereinbrach, das es ihm unmöglich macht, sein Wissen und seine Erfahrungen weiterzugeben, nie Enkelkinder an der Hand zu halten, nie stolz sein zu können auf seine Nachgeborenen. Er leidet auch mit, nein, für seine Söhne: dass ihnen so viele Dinge unbekannt bleiben, so viel Schönes und Gutes. Es ist ein einziger Schmerz der aus ihm spricht und dem er offenbar nichts entgegenzusetzen hat als seinen sarkastischen Humor.
    Er liebt seine Kinder, doch es ist keine selbstlose Liebe wie sie Müttern vielleicht leichter fällt. Für ihn sollte es eine Liebe auf Gegenseitigkeit sein: Er würde ihnen das Fundament für ein eigenständiges selbstverantwortliches Leben vermitteln und im Gegenzug würde es ihn mit Stolz erfüllen. Er gibt ihnen Zärtlichkeit und Zuwendung und erhielte Gleiches zurück. Er 'opfert' ihnen einen Abschnitt seines Lebens und bekäme dafür von ihnen (oder deren Kinder) gemeinsame Zeit in der Zukunft. Doch nichts davon wird geschehen. Seine Liebe ist vertane Liebe, denn es kommt nichts (oder so gut wie nichts) zurück - so seine Sicht.
    Fournier schildert zu kurzen Momentaufnahmen aus dem Zusammenleben mit seinen Söhnen seine Gedanken und Überlegungen, die locker leicht daher kommen und durchaus ein Schmunzeln bei den Lesenden erzeugen, aber die Unzufriedenheit und das Hadern mit seinem Schicksal nicht verbergen können.


    ‚Und nun?’ fragt sich die wohlgesonnene Leserin (denn Leser wird dieser unverhüllte Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt eines Vaters wohl nur wenige finden). Soll ich dieses Buch denn nun kaufen oder nicht? Um mit Radio Eriwan zu antworten: Im Prinzip jein, denn…
    - Für 12,80 € erhält man nur wenig Geschriebenes (die 156 Seiten könnte man durchaus auf die Hälfte zusammenrücken, soviel Leerraum beinhaltet dieses Buch), aber der Inhalt wird einen wohl länger beschäftigen als manch dicker Schmöker.
    - Man amüsiert sich über die spitzen Bemerkungen des Autors um kurz darauf voller Empörung über seinen bitteren Sarkasmus das Buch zur Seite zu legen. Doch nur wenig später kann man vor lauter Tränen des Mitgefühls kaum noch den Text lesen bis man bei der nächsten amüsanten Bemerkung angelangt ist. Und so weiter…
    - Selten hat ein Mensch so unverblümt und ehrlich sein Innerstes nach Außen gekehrt, noch dazu aus einer solch persönlichen Situation heraus – doch will man das wirklich wissen?


    Ich wollte – und empfand die Lektüre als eine Bereicherung. Anteil nehmen zu dürfen an diesem Leben und die Einsicht, dass alles Hadern mit dem Schicksal nichts hilft, so unerträglich es auch sein mag. Auch wenn es kaum vorstellbar scheint, manche Dinge müssen akzeptiert werden um die Freude am Leben wiederzufinden.

    :study: Das Eis von Laline Paul

    :study: Der Zauberberg von Thomas Mann
    :musik: QUALITYLAND von Marc-Uwe Kling

  • Ich habe das Buch innerhalb einer Stunde am Stück gelesen, weil es mich sehr fasziniert hat. Trotzdem fält es mir wirklich schwer, etwas zu diesem Buch zu sagen.
    Zum Inhalt: Der Autor und seine Frau bekommen hintereinander zwei sowohl körperlich als auch geistig behinderte Söhne: Mathieu und Thomas. Mit einem behinderten Kind zu leben, ist ja schon unglaublich schwer. Aber gleich zwei? Und der Vater schreibt nun über sein Leben mit seinen beiden Kindern.


    Am Anfang habe ich gedacht, dass dieses ein sehr mutiges Buch ist, weil der Vater mit einem Tabu bricht: er gibt ganz ehrlich zu, dass er seine Söhne manchmal lieber tot gesehen hätte. Er schreibt schonungslos offen, und teilweise mit einem ganz grimmigen, bösen Humor; gleichzeitig spürt man jedoch in jeder Zeile die Liebe, die er trotz allem für sie empfindet. Er schämt sich für diese Gefühle, aber er steht dazu. Und er straft damit alle Eltern behinderter Kinder Lügen, die immer nur sagen, dass ihr Kinder trotz allem das größte Glück ihres Lebens sind. Er gibt sich auch selbst die Schuld am Zustand seiner Kinder, hat er sie doch gezeugt. Und so ist er hin- und her gerissen zwischen Liebe, Hass, Glück und Schuldgefühlen.


    Doch je weiter ich gelesen habe, desto mehr musste ich feststellen, dass der Autor doch auch etwas in Selbstmitleid versinkt. Er zählt beispielsweise immer nur auf, was seine KInder alles nicht können. aber erwähnt überhaupt nicht, wie sie sich entwickeln und was sie lernen zu tun. Man erfährt auch sehr wenig über die Beziehungen innerhalb dieser Familie. Fournier erzählt kurz, dass er auch noch eine gesunde Tochter bekommen hat. Aber der Leser erfährt nichts darüber, wie z. B. seine Frau oder seine Tochter zu den behinderten Familienmitgliedern stehen. Mathieu und Thomas werden in einem Heim untergebracht, und der Vater sieht sie nur am Wochemende. Es wird aber nicht erklärt, wie es zu dieser Entscheidung gekommen ist. Das Buch ist mir einfach zu kurz geraten, und es fehlen mir ganz wichtige Aspekte.


    Nichtsdestotrotz halte ich es für ein lesenswertes Buch, da es bisher noch nie jemand gewagt hat, in so einer Weise über behinderte Kinder zu schreiben. Und es hält einem wunderbar vor Augen, wie dankbar man dafür sein sollte, gesunde Kinder zu haben.


    Meine Bewertung: :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Danke für Deine Meinung, Scarlett.


    Am Anfang habe ich gedacht, dass dieses ein sehr mutiges Buch ist, weil der Vater mit einem Tabu bricht: er gibt ganz ehrlich zu, dass er seine Söhne manchmal lieber tot gesehen hätte.


    ... da es bisher noch nie jemand gewagt hat, in so einer Weise über behinderte Kinder zu schreiben.

    Wollte nur kurz nachfragen, ob Du das wirklich aus eigener Erfahrung schreibst? Da ich viel Umgang mit Behinderten, bzw deren Familien habe, weiß ich sehr wohl, dass viele mit ihrem Schicksal hadern und das bei einigermassen offenen Gesprächen auch rüberkommt Ob sie es nun so drastisch ausdrücken wie der Autor - vielleicht nicht. Doch ma muss seine tiefen Hassgefühle auch nicht unbedingt dauernd öffentlich machen? Das gilt doch auch bei besten Freunden und gesunden Verwandten. Es ist vielleicht unser Problem, unsere eigene Unmöglichkeit, uns selber so zu lieben, wie wir sind?


    Laufen wir aber in unseren Gesellschaften wirklich in Gefahr, die Behinderungen schönzureden? Oder verschwinden sie eben nicht in den Anstalten und werden totgeschwiegen?