Angelika Overath - Flughafenfische

  • Inhalt:


    Buecher.de


    In der Ortlosigkeit eines Flughafens kreuzen sich die Lebenslinien dreier Menschen. Eine müde Magazinfotografin gerät vor dem Riffaquarium der Transithalle in den Schwindel fragmentierter Reisebilder aus Afrika und Asien. Sie findet eine seltsame Nähe zu dem Mann, der hier die stillen Tiere pflegt wie seine Kinder. Während sich zwischen den beiden eine verschwiegene Liebe entwickelt, geht nebenan im Raucherfoyer eine Ehe zu Ende. Variiert werden im Wendekreis der Fische die Muster von Sehnsucht, Einsamkeit und Paarungen.


    Es hatte keinen Anschlussflug gegeben; Elis streift durch den Transit. Sie zweifelt an ihrem Leben als Magazinfotografin. Auf einmal stockt sie vor einem riesigen Aquarium. Fische aus allen tropischen Meeren ziehen über Korallenbänke und Anemonenwiesen, während der Strom der Passanten den Glaskörper umfließt. Als sie Tobias entdeckt, der die Scheiben reinigt, beginnt sie, sich für diesen Mann zu interessieren. Auch er hat sie beobachtet, aus einem Grund, den sie nicht ahnt. Sie spricht ihn an. Er gibt Auskunft über Fischsymbiosen, Seepferdchenväter, die Fortpflanzung von Korallen; sie erzählt von Reisen, einer unglücklichen Liebe. Die beiden sprechen aneinander vorbei und geraten doch in eine vorsichtige Vertrautheit, die alles ändern kann. Im Raucherfoyer trinkt sich unterdessen ein alternder Biochemiker in einen finalen Ehemonolog.



    Meine Meinung:


    Ein Aquarium in einem Flughafen? Gibt es so etwas? – Ja.


    Schon die Vorstellung an dieses Szenario wirkt grotesk und man kann es gar nicht glauben, so wie die Photographin Elisabeth, genannt Elis, als sie bei einem Zwischenstopp ein riesiges Aquarium bemerkt, das zahlreiche Fischarten beherbergt. Während ihrer Erkundung des Flughafens lernt sie den Aquaristen Tobias Winter kennen, der für das Aquarium und dessen Bewohner zuständig ist.
    Die beiden kommen ins Gespräch und Tobias erzählt Elis von den verschiedenen Fischen, ihren Gewohnheiten und ihren Eigenschaften. Im Gegenzug dazu erzählt Elis von den einzelnen Ländern, die sie bereist hat und von ihrem Leben.
    Am anderen Ende des Flughafens befindet sich im Raucherbereich ein alternder Biochemiker, der versucht das Scheitern seiner Ehe zu begreifen.
    Angelika Overath erzählt mit solch einer Wortgewalt und so abwechslungsreich, dass der Leser in diesem Sog der Erzählung komplett gefangen genommen wird.
    Zunächst hatte ich einige Schwierigkeiten mich in der Handlung zu Recht zu finden, aber Overath schafft es mit nur wenigen Sätzen alle Zweifel zu beseitigen und sie schafft einen Tiefgang, der den Leser komplett überzeugt und zufrieden zurück lässt.
    Aus drei Perspektiven – Tobias, Elis und „Der Raucher“ – schildert Angelika Overath mit einer unglaublichen Liebe zum Detail die Probleme, Gedanken und Ängste der einzelnen Protagonisten mit einer ruhigen Art, die selbst an ein Aquarium erinnert.
    Nebenbei erfährt man einiges über Fische, was durchaus interessant ist.


    Angelika Overath hat mit „Flughafenfische“ eine bewegende, nachdenkliche und ansprechende Geschichte über drei völlig unterschiedliche mit der Einsamkeit kämpfende Charaktere geschrieben, in der man versinkt und am liebsten nicht mehr auftauchen möchte!


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: von :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :love: :thumleft:

  • hasewue:
    Danke für die Rezension :) - dieses Buch steht schon länger auf meiner Wunschliste, bzw. Suchaufträgen und ich hoffe, dass ich irgendwann mal Glück haben werde und es lesen kann.


    :winken:


    :study: Herta Müller - Atemschaukel

  • Mir hat das Buch auch gut gefallen :)


    Ort der Handlung ist ein Flughafen, Treffpunkt von Menschen aus aller Welt. Blickfang ist ein Aquarium, um das sich Tobias kümmert. Er kommt in das Gespräch mit einer Fotografin, die sich die Wartezeit vertreiben muss. Tobias erzählt von den Fischen und ihren Lebensgewohnheiten, man lernt was über Seepferdchen und über die Symbiose von Anemonen und Anemonenfischen. Elis erzählt von den Reisen, die sie unternommen hat, aber auch von ihrem Leben und ihren Erfahrungen.
    Darüber hinaus gibt es noch einen alternden Wissenschaftler, der über eine Trennung hinwegkommen muss.
    Ich zitiere mal:
    "Das Aquarium ist wie ein Auge, dachte sie,. Nein, nicht weil die Fische Augen haben und uns sehen. Das Aquarium selbst sieht uns." (S. 160)
    Es ist interessant, wie Overath den Flughafen mit dem Aquarium verbindet.


    Schön fand ich auch folgende Stelle, ich zitiere mal einen Beitrag aus einem anderen Forum, ich hoffe, dies ist erlaubt:
    "...er (Tobias) mußte aufpassen, dass ihm die Seepferdchen nicht verhungerten. Sie schwebten so träumerisch umher, senkrecht mit ihren mähnenschwingenden Rückenflossen, und steuerten nur ein wenig mit ihren Ohren. ... Sie jagten nicht, sie suchten nicht. Das gefiel ihm. Sie hielten ihre schönen Seepferdchenmünder ins Wasser und saugten an, was an Kleinem eben vorbeikam. Gut, manchmal, wenn sie sahen, wie seine Hand oben ins Wasser eintauchte und Futter streute oder eine Garnele hinhielt, näherten sie sich schon. Aber meist nur langsam, mit ihrem Seepferdchenlächeln, scheu, fast so, als ginge es nicht ums Fressen, sondern nur um eine anmutige Begrüßung."

    In dem Satz steckt eigentlich alles drin, was im Buch bisher stattfand, es ist eine Art anmutiges Trudeln gar nicht nur durch den Flughafen, sondern um das Innenleben der drei Menschen, um die es hier geht.
    (ZItat Ende)


    LIebe Grüße

  • Ein großer Flughafen als Symbol unserer beschleunigten Welt, in dem große Mengen von Menschen sich begegnen, ohne dass es zu einer wirklichen Begegnung käme, ein großes Aquarium als Ort stiller Beobachtung und als komplizierte und dennoch fein aufeinander abgestimmte Lebenswelt von unterschiedlichen Tieren und Pflanzen, ein Symbol für miteinander vernetztem Leben.
    Ein Mann, der dieses Aquarium entworfen und aufgebaut hat und von der Flughafengesellschaft dafür bezahlt wird, es zu pflegen, zur freudigen Anschauung der Transitpassagiere, die vor seinen Scheiben vielleicht etwas zu sich selbst kommen sollen.
    Eine Frau, die auf dem Transit von einem Teil der Welt in den anderen ihren Anschlussflug verpasst hat.


    Das sind die wichtigsten Daten in Angelikas Overaths zweitem Roman Flughafenfische". Elis, die Frau, die den Flug verpasst hat, arbeitet als Magazinfotografin an allen möglichen Orten auf der Welt. Sie steckt in einer veritablen Lebenskrise und zweifelt am Sinn ihres ganzen Tuns.


    Im Flughafen umherwandernd und auf ihren nächsten Flug wartend, stößt sie plötzlich auf das große Aquarium, und kommt mit Tobias Winter, dem Erbauer und Pfleger des Aquariums ins Gespräch. Bis es aber zu dieser Szene etwa in der Mitte des Buches kommt, erfahren wir von der Autorin abwechselnd viele biographische Einzelheiten der beiden - Menschen wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Und doch spüren die beiden im Laufe des Gespräches, dass da etwas ist zwischen ihnen, das zu etwas anderem werden könnte ...


    Zwischendrin kommt immer mal wieder ein alter Biochemiker, der einsam an einer Bar im Flughafen sitzt und mit Tobias und Elis nicht in Berührung kommt, zu Wort und monologisiert über das Ende seiner Ehe. So liegen knisternder und hoffnungsvoller Anfang und trauriges und bedrückendes Ende nah beieinander.


    Mich hat an diesem Roman ganz besonders fasziniert, wie es Angelika Overath gelingt, Informationen aus dem Bereich der Aquaristik als Metaphern zu verwenden für menschliches Leben und Zusammenleben.


    Ob Elis ihren Anschlussflug nimmt, die Begegnung nur eine kurze, einige Stunden währende Episode war, oder ob sich aus dem Gespräch zwischen Elis und Tobias mehr ergibt, wird hier nicht verraten.


    Lesen Sie selbst in einem Roman, dem es gelingt, mit einfachen Worten "irritierende und berührende Innenräume" zu öffnen.