Martin Walker - Bruno. Chef de Police

  • Kurzmeinung

    Bellis-Perennis
    Ein entschleunigter Krimi aus dem Périgord
  • Kurzmeinung

    Frühlingsfee
    Kein Krimi, eher eine Einstimmung für den nächsten Urlaub in Frankreich
  • Inhalt:
    Bruno Courrèges – einziger Polizist, Gourmet, Hobbykoch,
    Rugbytrainer und begehrtester Junggeselle von Saint-Denis – wird an den
    Tatort eines Mordes gerufen. Ein Immigrant, Kriegsveteran aus dem
    Algerienkrieg, dessen Kinder in der Ortschaft wohnen, ist tot
    aufgefunden worden. Da das Verbrechen offenbar rassistische
    Hintergründe hat, werden auch nationale Polizeibehörden eingeschaltet,
    die Bruno von den Ermittlungen ausschließen wollen. Doch der nutzt
    seine Ortskenntnisse und Beziehungen, ermittelt auf eigene Faust und
    deckt die in der Résistance-Zeit wurzelnden Ursachen des Verbrechens
    auf. (Verlagsangabe)


    Autor:


    Martin Walker, geboren 1947, gebürtiger Schotte, hat in Oxford und
    Harvard Geschichte, Wirtschaft und Internationale Beziehungen studiert.
    Er hat 25 Jahre als politischer Journalist bei der Londoner
    Tageszeitung ›The Guardian‹ gearbeitet, deren Büroleiter er in Moskau
    und Washington war. 1978 wurde er mit dem britischen
    Reporter-des-Jahres-Preis ausgezeichnet. Er schrieb und schreibt für
    die ›New York Times‹, die ›Washington Post‹, den ›New Yorker‹, ›Die
    Zeit‹, ›El Mundo‹, die ›Moscow Times‹ und ›Moskowskij Novosti‹. Martin
    Walker lebt in Washington DC und im Périgord. (Verlagsangabe)
    Rezension
    Vorab:Ich war von dem Buch begeistert und habe stellenweise schallend gelacht. Bruno ist ein Klischee, die Stadt (schon der Name Saint-Denis!) ist ein Klischee, andere Figuren (Barbesitzer, Marktbetreiber usw.) ebenso, außerdem die mit kleinstädtischem Pomp veranstalteten Aufmärsche zu den "typisch" französischen Anlässen (Nationalfeiertag, Kriegsgedenktage usw.), aber Walker gelingt es, diese Klischees so liebenswürdig und menschlich rüberzubringen, dass man sich die Figuren, die Stadt usw. sehr gut vorstellen kann, man meint manchmal, man wäre in der kleinen Stadt. Bereichert wird dies durch kleine Szenen in denen die ganze Stadt zusammenhält, um etwas vor Gesundheitsamtsleuten zu warnen, die nachforschen wollen, ob auf dem Markt alles nach EU-Richtlinien vonstatten geht


    Der Fall ist grässlich, da wird ein alter Mann, Immigrant und Kämpfer für Frankreich im WK II bestialisch erstochen, seine Familie (Sohn Mathematiklehrer, Enkel Cafebetreiber) und die ganze Stadt sind entsetzt, zudem auf die Brut des Opfers ein Hakenkreuz geritzt wurde.
    Bruno lässt sich von außerhalb anreisenden Staatsanwälten,. Kommissaren und dergl nicht beirren und ermittelst mithilfe seines unerschöpfliches Netzes an Kontakten auf eigene Faust und kommt zu einem entsetzlichen Resultat....
    Alle in allem: sehr gute Unterhaltung, ein interessanter Fall, tolle Charaktere. Auf jeden Fall etwas für Frankophile. (Geschichtskenntnisse sind erwünscht, aber nicht unbedingt notwendig :P


    **** Sterne von mir

  • Habe ich mich nicht immer darüber geärgert, wenn ein als Krimi verkauftes Buch erst einmal 50 Seiten Anlauf braucht, ehe ein Verbrechen geschieht?
    Und habe ich nicht in der letzten Zeit ständig über die Brunetti-Romane gemault, weil es mehr um Venedig, das Essen, Brunettis Familie geht als um die Krimihandlung?
    Und nehme ich es nicht jedem Autor übel, wenn er mit Stereotypen statt Personen arbeitet?


    Mais alors venait Bruno ...


    Der Klischee-Franzose in der Klischee-Kleinstadt in einem Klischee-Frankreich. Ich habe es mit Wonne gelesen. So träumt man sich Frankreich.
    Bei jeder Tour, die Bruno durch den Ort macht, wird ganz genau aufgezählt, wem er die Hand gibt und wen er küsst. Man muss wirklich frankophil sein, um das zu überstehen.


    Meine rudimentären Geschichtskenntnisse über den Algerienkrieg und über Frankreich im zweiten Weltkrieg reichten ohne weiteres zum Verständnis aus.


    :kiss: @ morse :kiss:

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Hallo Marie, danke für die :kiss:


    Gell, der war gut! Ich warte schon sehnsüchtig auf den 2 Teil, gibt es bisher nur auf Englisch und heißt The Dark Vineyard, es geht also um das Blut der Franzosen, den Wein, nehme ich mal an


    Gruß


    Michael

  • @ morse,
    ob er gut war, weiß ich gar nicht. Er war so "durch und durch französisch". Und das mag man oder man mags halt nicht.
    Für mich wars auf jeden Fall ein Buch zum Hineinkriechen (trotz der Hintergründe der Mordtat).


    An einem "englischen Krimi" haben sich ja bekanntlich schon Autoren mehrerer Nationalitäten mit unterschiedlichem Erfolg versucht. Aber ein Engländer, der einen französischen Krimi schreibt, ist was ganz neues. Schön, dass es dieses Vergnügen demnächst zum zweiten Mal gibt. :cheers:

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  • Man muss wirklich frankophil sein, um das zu überstehen.


    Ich weiß nicht, entweder bin ich nicht frankophil genug oder Marie und morse waren ganz dringend urlaubsreif, als sie dieses Buch gelesen haben. Verfasst hat es ein älterer schottischer Herr, der als Zielgruppe offensichtlich schottische Pensionäre vor Augen hatte, denn der Krimi ist von der eher herzschonenden Sorte und fürchterlich betulich noch dazu. Französischen Charme und Esprit sucht man hier vergebens, allein schon die Hauptfigur Bruno ist zum Einschlafen. Der bei Jung und Alt beliebte, stets freundliche und hilfsbereite Dorfpolizist ist ein völlig fader Typ ohne Ecken und Kanten, da helfen auch die vollen Lippen unter dem gestutzten kleinen Schnurrbart nichts. Die Handlung dreht sich zum größten Teil um sein Privatleben, das vor allem im ausgiebigen Schlemmen mit diversen Damen besteht. Aber obwohl dabei typisch französische Köstlichkeiten serviert werden, kommt mit dem begeistert schmunzelnden, genießerisch schnuppernden und verzückt die Augen schließenden Bruno keine rechte Stimmung auf. Hausbacken die Liebesgeschichte zwischen ihm und seiner Kollegin, altbacken sein Frauenbild: Selbständige Frauen, die auch ohne Ehemann im Leben klar kommen, sind für unseren bräsigen Chef de Police Objekte staunender Bewunderung.


    Die Mordermittlungen laufen mehr oder weniger nebenher und finden meist am Faxgerät oder am Telefon statt. Kaum wird jedoch mehr über die Vergangenheit des Opfers bekannt, schwupps hat Bruno den Täter auch schon anhand seines Gesichtsausdrucks überführt. Obwohl der geschichtliche Hintergrund des Mordfalls, bei dem es um die französische Résistance und um die Rolle der Algerier im zweiten Weltkrieg geht, an sich sehr interessant ist, gerade weil über dieses Kapitel außerhalb Frankreichs wohl wenig bekannt sein dürfte, wird die Brisanz des Falles, zu dem auch das Problem des latenten Rassismus in Frankreich gehört, einfach zu sehr durch das langweilige Geplänkel um Bruno entschärft. Der mörderische Hass, der sich noch fünfzig Jahre nach dem Ende des Krieges in einer äußerst brutalen Tat entlädt, verpufft am Schluss folgenlos in der harmlosen Dorfidylle.


    Da der Krimi mit seinem simplen, reizlosen Stil und seinen ungelenken Dialogen auch sprachlich alles andere als berauschend ist, wird Bruno seine Schlemmerpicknicks in Zukunft ohne mich machen müssen, zumal Maries und morses Rezensionen zu Band 2 und 3 der Serie eine steil nach unten weisende Begeisterungskurve anzeigen.


    Gruß
    mofre

    :study: Zsuzsa Bánk - Die hellen Tage

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















  • Verfasst hat es ein älterer schottischer Herr, der als Zielgruppe offensichtlich schottische Pensionäre vor Augen hatte, denn der Krimi ist von der eher herzschonenden Sorte und fürchterlich betulich noch dazu.


    :totlach: Ich hätte das Buch bei meiner "Vorliebe" für Frankreich und die Sprache der Franzmänner ohnehin nicht gelesen, aber trotzdem vielen Dank für Deine lustige Rezi.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Confiteor: Nachdem ich mich durch Band 2 und 3 gequält habe, die letzten Drittel ohnehin nur mit Querlesen bewältigen konnte, habe ich mich gefragt, ob der erste Band tatsächlich um soviel besser war. Oder ob es an meiner Stimmung lag. Aber das Buch aus diesem Grund nochmal lesen?


    Tatsächlich war 2009 das einzige Jahr des Jahrzehnts, in dem ich nicht irgendwann in Frankreich war.
    @ mofre :thumleft: , ins Blaue gezielt und ins Schwarze getroffen: Es muss die Sehnsucht gewesen sein.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Hallo!


    Das Buch subbt bei mir. Noch schleiche ich immer unschlüssig um das Buch herum.
    Meine Internetfreundin ist unschlüssig ob mir das Buch gefallen könnte.
    Aber nach dieser Rezi hier, wird das Buch gelesen, bald! Sehr Bald.


    Gruß Janina

  • Ich stehe 2 Wochen vor meinem Urlaub im Périgord und dachte mir, Hintergrundlektüre sei angesagt. Und mir gefällt Bruno sehr. Ich war schon oft in der französischen Provinz und so fremd sind mir die im Buch aneinandergereihten Klischees nicht, ich fühlte mich oft richtig "zu Hause". Dass Bruno so ein "fader Typ" ist, ist mir ganz recht, denn noch viel weniger mag ich all diese "einsamer Wolf"-Ermittler, die alle eine schwerwiegende Vergangenheit mit sich rumschleppen und immer eine ganz tragische Figur abgeben.

    Ich höre :musik: gerade "Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert" von Joel Dicker.

  • Mit diesem Buch des englischen Journalisten Martin Walker legt der Diogenes Verlag die bemerkenswerteste Krimineuheit der letzten Jahre vor. Mit seiner in dem kleinen Städtchen St. Denis im Perigord lebenden Polizisten Bruno hat er eine Figur geschaffen, die die wertvollsten Eigenschaften etlicher bekannter und wichtiger Krimiprotagonisten in sich vereinigt. Man glaubt sich konfrontiert mit einer Synthese aus Camilleris Montalbano und Markaris' Kostas Charitos. Während Martin Walkers Bruno vom ersteren die Vorliebe für gutes Essen und Trinken übernommen hat, verbindet ihn mit Camilleri und mit Markaris die phänomenale Fähigkeit, einen aktuellen Kriminalfall zu verbinden mit einer historischen Aufklärung vom allerbesten.


    In diesem ersten Fall von Bruno Courreges, in den der Stadtpolizist von St. Denis eher unfreiwillig rutscht, geht es um eine in Frankreich lange verdrängte unrühmliche Vergangenheit während der deutschen Besatzung und der Resistance und ihr Verhältnis zu den pied noirs.


    Das Verbrechen, das Bruno zu ermitteln hat, nimmt im Laufe der Untersuchungen immer mehr den Charakter eines rassistischen Motivs an, und er findet mit seiner einzigartigen Form der Ermittlung, die sich seiner Ortskenntnis, seinen Beziehungen und vielen Freundschaften und seiner Bodenständigkeit verdankt, heraus, dass ein Verbrechen während der Resistance den dramatischen Hintergrund bildet für den aktuellen Mordfall.


    Anders als Kostas Charitos, der seit Jahrzehnten brav verheiratet ist und anders als Montalbano, der seit ewigen Zeiten in einer Art Fernbeziehung lebt und dabei erstaunlich treu ist, lebt Bruno als überzeugter Single. Doch er lernt eine Frau kennen. Ob etwas daraus wird, wird nicht verraten. Vielleicht klärt es sich ja auch erst im zweiten Buch. Meine Vorfreude auf dieses Buch ist groß. Hier schickt sich ein Autor an, den Grundstein zu legen für eine große Krimireihe.

  • Ich habe Bruno auf einem Hörbuch kennengelernt. Der Fall ist wirklich herzschonend, doch das perfekte Buch zum Runterkommen und Einschlafen. Das private Drumherum finde ich ganz interessant.
    Für mich gehört er in die gleiche Kategorie wie Dona Leons Brunetti (ob's am ähnlichen Namen liegt...)
    Hörbücher beim Einschlafen, die einem höchstens noch dazu verleiten könnten, aufzustehen und noch zum Kühlschrank zu gehen...


    ich habe mir übrigens auch ein paar Folgebände angehört, lesen würde ich sie nicht, die Hörbücher kaufen auch nicht, aber wenn ich noch eins in der Bücherei sehe, nehme ich es sicher mit. Wobei dieser erste Fall für mich noch der Spannendste war.


    grüße von missmarple

  • @Squirrel, also hier stimmt was nicht, denn "Revanche" erscheint erst im April 2018.
    Der erste Band "Bruno, Chef de Police" hat die ISBN 978-3257240467.
    Vielleicht kannst Du das ja ändern, danke :friends:
    Und was ich nicht verstehe: wie kann es auf amazon schon 153 Rezis geben,
    zumal das Original erst im Juni 2017 erschienen ist :-k

    ☆¸.•*¨*•☆ ☆¸.•*¨*•☆ La vie est belle ☆¸.•*¨*•☆☆¸.•*¨*•☆

  • Vielleicht kannst Du das ja ändern, danke

    Ich kann eigentlich nichts ändern, da eine Verknüpfung nicht mehr stimmte. Aber irgendwie hat sich der Knoten grad gelöst :wink:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier