Kazuo Ishiguro - Bei Anbruch der Nacht / Nocturnes: Five Stories of Music and Nightfall

  • In 5 Erzählungen entführt Kazuo Ishiguro - bisweilen bekannt für tiefgründige, gesellschaftskritische Literatur - in die Welt der Musik, der Künstler und des Kunstbetriebes. Die Musik ist zentrales Thema und zieht sich wie ein roter Faden durch die fünf Geschichten. Die Musik als verbindendes Element einer Freundschaft oder Ehe, Musik als Leidenschaft, Musik als Beruf und als Geschäft bzw. als Wirtschaftszweig, Musik eingebettet in diversen Paar- und Freundschaftsbeziehungen.
    In „Crooner“ trifft man auf den alternden Schlagersänger Tony Gardner, dessen goldene Zeiten beruflich als auch privat vorüber sind, und der in angemessen kitschigem Rahmen in Venedig noch einmal alte Zeiten aufleben lassen möchte, bei „Ob Regen oder Sonnenschein“ versucht Charlie, mithilfe seines erfolglosen Freundes Ray sein eigenes Image aufzubessern und so wieder einen „Draht“ zu seiner Frau zu bekommen. „Malvern Hills“ zeigt einen Einblick, wie der Kunstbetrieb als Geschäftszweig funktioniert, berichtet von Freunderlwirtschaft, Einfluss und Verlogenheit. „Bei Anbruch der Nacht“ führt in eine Schönheitsklinik in Beverly Hills, wo sich ein erfolgloser Künstler und eine alternde Diva (die bereits als Ehefrau aus der ersten Story dem Leser begegnet ist) durch eine Schönheits-OP Erfolg versprechen und in „Cellisten“ ist von vergeudetem Talent, nicht ergriffenen Chancen die Rede.
    Mich konnte dieser „Ausritt“ Ishiguros nicht begeistern. Der Versuch, witzig zu sein, triftet für mich ins Peinliche, Absurde ab, zudem lässt Ishiguro kein Klischee aus. Seine Figuren wirken künstlich, die Situationen aufgesetzt. Auch sprachlich ist dieser Erzählband keine Offenbarung, von Ishiguro habe ich schon (viel) Besseres gelesen.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Ich habe auch dieses Buch von Ishiguro sehr gerne gelesen (nun ja: ich bekenne mich als Ishiguro-Enthusiast!). Wieder konnte ich es auf Englisch geniessen und frage mich, wie man die leise Ironie, jenen eigenen Humor, aber auch die relative Einfachheit der Sprache gut uebersetzen kann!?


    Was mich besonders freute war, dass Ishiguro mal irgendwie andere Toene anschlug und mit den musikalischen Elementen ein bislang von ihm unbenutztes Leitmotiv einsetzte. Dabei erinnere ich mich, dass er selber ein leidenschaftlicher Musiker ist und an einem Punkt seines Lebens auch haette Musiker werden koennen. Dieses Buch IST anders als die bisherigen und der Autor geht somit ein Risiko ein...


    Doch neben diesem musischen Element kommt doch auch wieder ein altes Thema hoch: in meines Erachtens allen Erzaehlungen gibt es erneut einen Bezug zu einer Vergangenheit und teils einen melancholischen, nostalgischen Hauch. Die Figuren stehen meist in einer entscheidenden Situation ihres Lebens.


    Ich bin gespannt, was andere dazu sagen werden...

  • Lieber Tom,, auf Deinen "Einspruch" habe ich fast schon gewartet .... =P~ ;)


    Vorweg muss ich sagen, dass gesammelte Erzählungen nicht wirklich mein Ding sind.


    Ja, es ist so, dass Ishiguro "andere" Töne anschlägt (im engsten Sinne des Wortes), mir ist auch der Humor, der dieses Buch begleitet (und den ich von Ishiguro sonst nicht kenne), aufgefallen. Allerdings ist mir der Humor als sehr "plump" vorgekommen, und habe ich beim Lesen schon überlegt, ob es nicht an der Übersetzung liegen könnte. Es war so gar nicht Ishiguros Stil. Auch die kritische Abrechnung mit dem Kunstbetrieb, die er (wohl) auch mit diesem Buch transportieren wollte, erschien mir klischeehaft und plump. (Hinsichtlich dieser Thematik kann ich Daniel Kehlmanns "Ich und Kaminski" wärmstens empfehlen! Das Stilmittel, zumindest eine Person (Lindy Gardner) in einer weiteren Erzählung vorkommen zu lassen erreichte bei mir leider nicht den (vielleicht beabsichtigten) Effekt, dieses Buch als "Ganzes", als miteinander verbunden, zu sehen.



    Ich habe ja zum Glück noch das eine oder andere Ishiguro-Werk auf meinem SUB und freue mich schon sehr darauf.
    PS: Ich bin übrigens auch gespannt, was andere dazu sagen und freue mich auf die eine oder andere Meinung.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Hier noch eine Verlinkung zu einer Ausgabe auf Englisch (und bei Ishiguro kann man es, sollte man es mal auf Original versuchen!):


    5 verschiedene Geschichten, in welchen Ishiguro Menschen in ihrem Bemühen zeigt, die Romantik und die Liebe gegen alle Widrigkeiten und die Vergänglichkeit der Zeit aufrecht zu erhalten.

    'It was our third time playing the Godfather theme since lunch...'

    In a sublime short story collection, Kazuo Ishiguro explores ideas of love, music and the passing of time. From the piazzas of Italy to the Malvern Hills, a London flat to the 'hush-hush floor' of an exclusive Hollywood hotel, the characters we encounter range from young dreamers to cafe musicians to faded stars, all of them at some moment of reckoning.

    Gentle, intimate and witty, this quintet is marked by a haunting theme: the struggle to keep alive a sense of life's romance, even as one gets older, relationships flounder and youthful hopes recede.

  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Kazuo Ishiguro - Bei Anbruch der Nacht“ zu „Kazuo Ishiguro - Bei Anbruch der Nacht / Nocturnes: Five Stories of Music and Nightfall“ geändert.
  • Ich konnte mit diesem Erzählband leider auch nicht viel anfangen. Das verbindende Thema ist Musik - und ich gebe es zu, es ist nicht unbedingt meine Leidenschaft. Aber da ich "Was vom Tage übrig blieb" so toll fand, wollte ich dem Buch doch eine Chance geben.


    Aber auch ich konnte mit dem Humor nicht viel anfangen, insbesondere die für mich am wenigsten glaubhafte Erzählung wartete da mit einigen Kalauern auf (Stichwort: Kochrezept mit ausgelatschten Schuhen).


    Ein weiteres, verbindendes Element in den Erzählungen sind Männer mittleren Alters auf der Suche nach Identität, Sinn des Lebens, einem neuen Schwung in ihrer Karriere,... bspw ganz konkret mit einem neuen Gesicht durch plastische Chirurgie.

    Das Thema gibt dem Buch eine melancholische Note, finde ich. Dabei hatte ich beschwingte, humorvolle Erzählungen erwartet. Und trotzdem fand ich dieses eher ernste Thema dann seicht und langweilig umgesetzt.