Gioconda Belli - Unendlichkeit in ihrer Hand

  • Inhalt laut Klappentext:
    Auf einmal ist er da…und weiß nicht, woher er kam: Adam beginnt sein Leben als zufriedener Mensch. Eva erst bringt Fragen mit, Neugier und die fatale Sehnsucht nach mehr. Und plötzlich ist alles anders. Wie fühlt es sich an, den Schmerz und die Schönheit der Welt völlig neu zu entdecken – und auch das Begehren zwischen Mann und Frau?
    Die biblische Geschichte von Adam und Eva gehört zu den faszinierendsten Texten der Menschheit. Doch was darf man sich zwischen den Zeilen vorstellen, über die wenigen Verse hinaus, die die Bibel den beiden widmet?
    Inspiriert von vergessenen Kodizes und apokryphen Schriften fühlt Gioconda Belli sich ins Drama des ersten Paares ein: wie es ist, wenn man des Paradieses überdrüssig wird. Welch ungeheure Verwirrung die elementarsten Dinge begleitet, wenn man sie zum ersten Mal erlebt – Hunger und Kälte, Lieben, Töten und Leben schenken. Wie man zu den tiefen Fragen des Lebens kommt und doch am Ende an der menschlichen Natur scheitern muss.


    Meine Meinung:
    Gioconda Belli thematisiert in ihrem Roman „Unendlichkeit in ihrer Hand“ die älteste aller Geschichten: die von der Entstehung der Menschheit, so wie es in der Bibel steht. Es geht aber nicht um die Schöpfungsgeschichte an sich, sondern um die Entwicklung der ersten Menschen, nachdem sie von Gott aus dem Paradies verstoßen wurden. Jeder kennt sie, die Geschichte von Adam und Eva. Eigentlich ganz simpel: Eva lässt sich von der hinterlistigen Schlange verführen, vom Baum der Erkenntnis zu essen. Schließlich überredet sie Adam dazu, ebenfalls die verbotene Frucht zu kosten, wodurch sie sich und Adam ins Verderben stürzt. Was kann also an einer so weltbekannten Geschichte noch interessant sein, sodass sich eine Autorin dazu entschließt eine Nacherzählung zu schreiben?


    Zunächst sollte ich vielleicht klarstellen, dass ich Naturwissenschaftlerin bin. Charles Darwins Evolutionstheorie ist heute keine Möglichkeit mehr, sondern eine reine Tatsache, die jeder Mensch akzeptieren sollte. Eine Schöpfungsgeschichte, wie sie im Alten Testament beschrieben ist, hat es nie gegeben. Dennoch fasziniert mich die Geschichte um Adam und Eva schon seit längerem. Zwar ist der entsprechende Bibeltext relativ kurz, die Hintergründe sind aber umso faszinierender. Genau diese Hintergründe verpackt Gioconda Belli in ihrem Roman so unglaublich gut, dass ich während dem Lesen aus dem Staunen nicht mehr rausgekommen bin. Obwohl der Stoff bekannt ist, vermag die Autorin mit ihrer Schreibkunst den Leser zu verzaubern. Es ist ungeheuer spannend, Adam und Eva nach ihrem Verstoß aus dem Garten Eden auf ihrem Lebensweg zu begleiten, zu sehen wie sie nach und nach lernen wer und was sie wirklich sind, zu welchen Taten und Gefühlen ein Mensch fähig ist.
    Was mich auch besonders im positiven Sinne erstaunt hat ist, dass die Autorin heute als Tatsachen anerkannte naturwissenschaftliche Abläufe der Erde nicht leugnet, sondern diese gekonnt mit Adam und Evas Entdeckungsreise verwebt. So zum Beispiel auch die eigentliche Abstammung des Menschen vom Affen und andere Phänomene der Natur. Gott selbst tritt in dem Roman kein einziges Mal in irgendeiner Form selbst auf, die Autorin gibt ihm also kein Gesicht, was ich ganz gut finde. Über seine Absichten erfährt man nur etwas in den Gesprächen, die Eva mit der Schlange führt. Diese nimmt im Roman keineswegs die Rolle des Bösen ein, sondern eher die einer Informations- und Hilfequelle für Adam und Eva. Was Gut und Böse wirklich bedeutet, müssen Adam und Eva auf ihrem Weg außerhalb des Paradieses nach und nach selbst erfahren…


    Ich habe dieses Buch sehr genossen! Auch wenn man kein gläubiger Mensch ist, ist dieses Buch eine spannende und poetische Reise an den Anfang der Menschheit. Ich vergebe ohne zu zögern fünf Sterne! :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    "Books line the walls like a thousand leather doorways to be opened into worlds unknown."

  • Eine Schöpfungsgeschichte, wie sie im Alten Testament beschrieben ist, hat es nie gegeben.


    Stimme Dir völlig zu. Es ist keine reale Geschichte (wie es im Laufe der Kirchengeschichte falsch gelehrt und verstanden wurde), sondern einer der vielen Schöpfungsmythen der Welt. Und nur als solcher hat sie ihre Berechtigung neben den anderen Mythen.


    Das Thema interessiert mich, und von Gioconda Belli kenne ich "Tochter des Vulkans", "Bewohnte Frau" und einige Gedichte. Das Buch ist also sofort auf der Wunschliste gelandet. Vielen Dank für die Vorstellung, @ Meli.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Vielen Dank liebe Meli und Handkuss Frau Marie!


    Deine Beschreibung Beschreibung finde ich überaus schön, Meli, und Deine Beiträge im Allgemeinen oft sehr inspierierend, Marie. Diese Mischung hat es für mich mit sich gebracht, dass ein Buch nach längerer Zeit einmal nicht den Umweg über meine Wunschliste nehmen, und dort die Prüfung bestehen muss, ob meine Sehnsucht danach die Wartezeit überdauert. Ich habe es mir umgehend bei meiner Lieblingsbuchhändlerin bestellt.


    Es ist schon lange her, dass ich etwas von G.B. gelesen habe ("damals "Die bewohnte Frau" und eines, dessen Titel mir jetzt nicht einfällt) und freue mich schon sehr auf "Unendlichkeit in ihrer Hand".

  • Vielen Dank noch einmal, liebe Meli für Deinen Beitrag zu diesem Buch: Du hast mir den Weg zu einem großen Lesegenuß gewiesen! Die Zeilen unterhab sind mein Beitrag zu Giaconda Bellis Roman, so wie ich ihn auf der Seite einer berfreundeten Buchhändlerin eingestellt habe.


    „Und mit all ihrer Wunderlichkeit und all ihrer Wirrsal ist sie die Geschichte eines jeden von uns.“


    So beendet Gioconda Belli das Vorwort zu ihrer Darstellung der Geschichte der ersten Menschen. Eine Geschichte, die sie den anonymen Opfern des Irakkrieges unter diesem Hinweis widmet: „Irgendwo zwischen Euphrat und Tigris gab es auf dieser Erde einmal ein Paradies.“


    In einem Bücherforum habe ich über „Unendlichkeit in ihrer Hand“ gelesen und eines dieser Bauchgefühle, die manchmal verblüffend treffsicher den Weg zu richtig oder weg von falsch weisen, hat meinen ungelenken Tastaturquälfinger umgehend auf der Buchhändlerin Adresse klicken lassen: bestellen. Diese Entscheidung wurde beim Lesen reich belohnt.


    Die, am Umfang der Genesis und der Bibel gemessen, lächerlich wenigen Verse, die den Schöpfungsmythos erzählen, werden bei Gioconda Belli zum dreihundert Seiten starken Roman. Der beschäftigt sich kurz mit dem Leben von Adam und Eva im Paradies und ausführlich mit der Zeit, nach dem ein Grabenbruch sie unweigerlich von dort trennt. Die eingangs erwähnten Wunderlichkeiten und Wirrsale, die das Leben jedes Einzelnen und das Leben des Menschen als Mann und Frau ausmachen, beginnen.


    Obwohl die Geschichte von zwei Menschen erzählt, die alles zum allerersten Mal erleben, weil keiner vor ihnen es noch erlebt hat, habe ich mir beim Lesen oft gedacht: genau wie bei mir. Seit der Lektüre des Buches muss ich im Umgang mit Frauen manchmal still in mich hineinschmunzeln, wenn sie gerade wieder einmal vor mir steht, dick oder dünn, ernst oder fröhlich, unglaublich neugierig oder unheimlich weise: Eva. Und sowohl im Spiegel, als auch im Gegenüber, hängeschultrig oder athletisch, überlegen oder ratlos, treffe ich ihn: Adam. Belli ist es in meinen Augen gelungen, zwei von Äußerlichkeiten und Charakteren weitgehend unabhängige Prototypen des Menschen entstehen zu lassen.


    Von geheimen Texten inspiriert, die keine Aufnahme in die Bibel fanden, bereichert die nicaraguanische Schriftstellerin das Familienleben von Adam und Eva neben dem Brüderpaar Kain und Abel mit deren Schwestern Luluwa und Aklia. Es liegt auf der Hand, dass die Möglichkeiten der Partnerwahl bei einer Erdbevölkerung von sechs Menschen gering waren, und somit stehen Tür und Tor offen, um die Tragik der geschwisterlichen Eifersucht, wie wir sie aus der biblischen Darstellung von Kain und Abel kennen, um eine Dimension zu erweitern.


    Obwohl die Geschichte tragisch endet, endet sie nicht. Denn es handelt sich um die Geschichte der Menschheit. Um jene Geschichte also, die sich ständig wiederholt, erneuert und weiterentwickelt.


    Mit einem Auge musste ich bei den letzten Zeilen des Buches weinen, die den Leser am Abschied einer Mutter von ihrer Tochter teilhaben lassen. Doch ich konnte nicht umhin, gleichzeitig aufzulachen. Denn als sich das Mädchen Aklia einer Affenhorde anschließt, erstehen Evolutionstheorie und biblischer Schöpfungsmythos vor meinem Auge als zwei verschmitzte Kerlchen, die einander mitten im Urwald zum Shakehand treffen.


    „Lauf, mein Kind“, sagt Eva unterdessen zu ihrer Tochter, „lauf und erobere das Paradies zurück!“

  • Erfreulich: dass ich "Unendlichkeit in ihrer Hand" soeben auf der Wunschliste einer Freundin hier im Forum wahrgenommen habe.


    Spektakulär im Mikrokosmos: mein glatziges Gedächtnis projeziert eineinhalb Jahre nach dem Lesen dieses Buches sofort unglaublich lebendige Bilder an die Leinwand meines Kopfkinos, wenn ich an das Buch denke.


    WICHTIG: ich wünsche diesem Buch viele, viele Leserinnen und Leser und empfehle es euch herzlich!


    Konsequenz: ich hole diesen Thread nach oben.

  • Meine Meinung:



    Wohl jeder, auch ein nicht Bibelfester Mensch, kennt die Geschichte von Adam und Eva aus dem Buche Genesis.
    Ich fand die Geschichte um Adam und Eva schon als 10 Jährige sehr interessant, auch / oder gerade weil sie nur kurz angeschnitten wird.
    Mich interessierte schon immer wie es mit Adam und Eva weiter geht.
    Das Adam und Eva aus dem Paradies verbannt worden sind, weil Eva auf die listige Schlange hineingefallen,
    weiß jedes Kind.
    Die Autorin Gioconda Belli erzählt in dem Buch Unendlichkeit in ihrer Hand die Geschichte von Adam und Eva weiter.
    Liest man die Verse über Adam und Eva in der Bibel kommen sie einem recht nüchtern vor.
    Gioconda Belli hauchte diesen Versen eine schöne, atmosphärische Geschichte ein.
    Der größte Teil des Buches beschreibt wie Adam und Eva aus dem Paradies verbannt werden,wie sie sich in ihrer Verbannung lernten zurecht zu finden, wie sie sich, ihre Körper, ihre Umgebung langsam kennen lernen.
    Sie lernen zu sähen, jagen, Kleidung anzufertigen, Tiere zu zähmen.
    Sie lernen das Leben. Was beiden aber auch manchmal sichtlich schwer fällt.
    Im Grunde ist es die Geschichte über das Selbstständigwerden, die jeder von uns,
    wenn auch im kleinerem Massstab, durchlebt hat.Verglichen mit der heutigen Entwicklung steht dies für die Pubertät, man muss zwischen gut und böse unterscheiden, eigene Entscheidungen fällen, eigenständig leben lernen.
    In dem Buch wird wie oben schon erwähnt überwiegend beschrieben wie Adam und Eva alles nach der Verbannung entdeckten, wobei der Wissendurst von Eva vieles voran treibt.
    Die beiden Zwillingspaare werden geboren, wobei man eigentlich nur die Geschichte Kain und Abels noch aus der Bibel kennt.
    Das Kain Abel tötet weiß auch jedes Kind. Und obwohl die Geschichte hier sehr tragisch endet wissen wir das dies die Geschichte der Menschheit ist. Das Buch erzählt die Geschichte zwar nicht neu oder weiter, aber sie haucht den doch teils sehr nüchtern Erzählungen aus der Bibel neues Leben und Charaktere, die sehr gut beschrieben und einem wirklich vorkommen, ein.
    Der Schreibstil ist einfach und leicht poetisch. Das Buch liest sich wunderbar in einem Rutsch. Die 281 Seiten verfliegen nur so beim lesen.


    Fazit :
    Die Geschichte um Adam und Eva und Kain und Abel kennt jeder, aber Frau Belli gab sich mit den kurzen Texten der Bibel nicht zufrieden und schmückte die Geschichte aus. Sie gab den Protagonisten Leben und Poesie, sie durften die Welt entdecken.
    Auch wenn ich kein sehr gläubiger Mensch bin hat mir diese Geschichte über den Anfang der Menschheit, wie er hätte sein können, sehr gut gefallen.
    Ich habe jede Seite des Buches beim lesen genossen. Ohne groß nach zu denken kann ich dem Buch 5 Sterne vergeben. Auch das Cover der Taschenbuchausgabe gefällt mir sehr gut.