Siegfried Lenz - Landesbühne

  • Klappentext:
    Rätselhafte Dinge geschehen im Gefängnis Isenbüttel. Während einer Theateraufführung verlassen Häftlinge ungehindert das Gelände. Und kurz darauf feiert ein idyllisches Städtchen talentierte Schauspieler - die gar keine sind. Mit dem Hereinbrechen der Kunst und angetrieben von Gefühl, Leidenschaft und Phantasie entdeckt ein ganzes Gemeinwesen seine Möglichkeiten zu Größerem.
    Und niemand scheint Verdacht zu schöpfen. Oder sind alle - der Indendant der Landesbühne, der Gefängnisdirektor, der Bürgermeister und die Bürger von Gronau - Teil einer grandiosen Inszenierung? Die Ausreißer selbst scheinen keine Ahnung zu haben. Werden sie zurückkehren in ihre Zellen?


    Der Autor:
    Siegfried Lenz, am 17. März 1926 im ostpreußischem Lyck geboren, zählt zu den bedeutendsten und meistgelesensten Schriftstellern der Gegenwartsliteratur. Für seine Bücher wurde er mit vielen wichtigen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Goethe-Preis der Stadt Frankfurt am Main, dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und 2009 mit dem Lew-Kopelew-Preis für Frieden und Menschenrechte. Neben zahlreichen Romanen, Erzählungs- und Essaybänden erschienen aus Anlaß seines 80. Geburtstags sämtliche Erzählungen in einem Band sowei die Essaysammlung "Selbstversetzung". Zuletzt veröffentlichte er 2008 die Novelle "Schweigeminute" und 2009 das Stück "Die Versuchsperson".


    Meine Meinung:
    »Manchmal kann die Wahrheit nur erfunden werden.« Siegfried Lenz
    Die beiden Hauptprotagonisten sind der Ich-Erzähler Clemens, ein Professor, der willigen Studentinnen höchstes Lob und Bestnoten im Examen gegeben haben soll und Hannes, der als vermeintlicher Polizist, Bußgelder eingesammelt hat.
    Hannes, Clemens und weitere Mithäftlinge ergreifen die Flucht aus dem Gefängnis Isenbüttel während die Theatergruppe das Stück "Das Labyrinth" von Samuel Beckett aufführt.
    Es ist schon absurd, wie ein aufgeputzter Mann auf die Bühne tritt und das Szenenbild erklärt:" Hier,liebe Theaterfreunde, sehen Sie ein Labyrinth, ein Modell für kunstvolle Verirrung,...In diesem unscheinbaren Bauwerk", sagte er, "kann man auf rätselhafte Weise abhanden kommen." (S. 23) und dann kommen einige Häftlinge abhanden.
    In dem Dorf Grünau, wo gerade das Nelkenfest gefeiert wird, bleiben sie und werden dort gefeiert. Hannes wird Leiter eines Ortsmuseums und der Professor soll Vorträge über die Sturm- und Drangzeit halten. So lassen es sich die Mithäftlinge gut gehen und denken erst nicht an Flucht.
    Gegen Ende - man ahnt, dass die Häftlinge wieder im Gefängnis landen - wird das Samuel Beckett- Stück "Warten auf Godot" aufgeführt. Wie auch den beiden Protagonisten in dem Theaterstück, fehlen auch den Gefangenen die Lebensperspektive. Man kann nicht ausbrechen aus seiner Existenz, aber man kann sie mit Phantasie gestalten.
    Die beiden Beckett-Stücke werde ich mir mal vornehmen müssen, auch sie haben in der hiesigen Novelle Bedeutung.
    Mir hat "Landesbühne" gut gefallen - sicherlich ein Buch, was man ein zweites Mal lesen kann, auch weil man dann sicher Bedeutungen entdeckt, die man vorher nicht "gesehen" hat.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Ich bedanke mich auch ganz herzlich für die Rezension und erweitere gleichfalls meinen Wunschzettel. Lenz mag ich sehr, aber dieses Buch ist bislang meiner Aufmerksamkeit entgangen.


    Gerade vorhin habe ich auf einem Elternabend einen "Vaterkollegen" kennengelernt, von Beruf Justizwachebeamte in eiem Jugendgefängnis. Er hat uns (meiner Frau und mir) erzählt, dass sehr restrektiv vorgegangen wird, seit in Österreich vor eienem Jahr Regierungswechsel war. In der Anstalt, in der er beschäftigt ist, hat man seit langer Zeit mit den Insassen an einer Theateraufführung gearbeitet, die in öffentlichen Theaterhäusern aufgeführt werden sollte. Vorstellungen waren bereits ausverkauft. Nach einer Weisung aus dem "Justizministerium neu" musste alles abgeblasen werden.

  • @ Conor


    Vielen Dank für die tolle Rezension, auf die ich auch schon gewartet habe :)
    Nun bin ich noch gespannter auf das Buch, und hoffe es bald lesen zu können. Hoffentlich schafft es unsere Bibliothek bald an :pray:

    Narkose durch Bücher - Das Richtige ist: das intensive Buch.
    Das Buch, dessen Autor dem Leser sofort ein Lasso um den Hals wirft, ihn zerrt, zerrt und nicht mehr losläßt.


    :study: Sarah J. Mass - Throne of Glass / Die Erwählte :study:

  • Ich hab das Buch heute ausgelesen und ich kann mich der positiven Rezi von Conor nur anschließen.
    Auf den ersten Blick mag es sich um eine lockere Erzählung handeln, in der man manchen Witz entdecken kann, aber auf den zweiten Blick offenbart sich lenz-typische Tiefe. Ich habe die Lektüre sehr genossen, denke aber auch, dass eine erneute Lektüre notwendig sein wird, um alles fassen zu können.


    LG,
    Bine

  • Es ist immer wieder ein Genuß, ein Buch von Lenz zu lesen. Seine klare, einfache Sprache, seine originellen Geschichten, seine Personendarstellungen. So auch diesmal.


    Dennoch bleibt ein Gefühl von Enttäuschung zurück: Diese Geschichte konnte mich nicht fesseln, nicht berühren. Ich las sie gern. Ich amüsierte mich. Aber es dauerte nur, solange ich las, und wirkte nicht fort.
    Vor allem die Szene,

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ich muss mich Maries etwas verhaltener Meinung leider anschließen.
    Dass Siegfried Lenz einfach ein begnadeter Autor ist, der unheimlich toll erzählen kann, muss man eigentlich nicht dazu schreiben. Die 120 Seiten “Landesbühne” waren unterhaltsam erzählt und vergingen im Nu. Trotzdem bleibe ich etwas unentschlossen zurück, wenn es darum geht, das Buch zu beurteilen.
    Die Idee hinter diesem Buch gefällt mir wirklich – der Drang nach Freiheit, der Wunsch, ganz neu anzufangen, der Übermut, nachdem die Flucht gelungen ist, das Erkennen, dass man nicht einfach so ein neues Leben beginnen kann, nur weil man es möchte – das alles ist wirklich wahr und “manchmal kann die Wahrheit nur erfunden werden”, so wird Lenz im Klappentext meiner Ausgabe zitiert.
    Dennoch bleibt bei “Landesbühne” bei mir ein großes “Aber” zurück. Andere Romane von Lenz haben mich einfach ganz anders angesprochen, beschäftigt und nachdenklich gemacht, ich habe mit den Figuren gelitten und gehofft und gelacht – aber bei “Landesbühne” wollte mir das einfach nicht gelingen, keiner der Protagonisten hat mich wirklich erreicht, und gerade Clemens fand ich oftmals einfach irgendwie bedauernswert, sonst nichts. Wie es zugehen soll, dass dieser Mann Studentinnen verführt haben soll, wollte mir beim Lesen nicht in den Kopf, ich habe ihn nicht als besonders charismatisch oder Ähnliches empfunden.
    Eigentlich irgendwie schade, aber “Landesbühne” wird mir von allen Werken dieses Autors vermutlich als das schwächste in Erinnerung bleiben.
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: