Terry Pratchett - Darwin und die Götter der Scheibenwelt / Darwin´s Watch

  • Dies ist der dritte Teil der "Gelehrten der Scheibenwelt" und diesmal entführt uns die geschichte ins viktorianische England und zeigt uns, welche Grundlagen der modernen Naturwissenschaften dort gelegt wurden.


    Es ist so witzig wie ein normaler Terry Pratchett - wenn man über Mathematik lachen kann und bereit ist, sehr viel mitzudenken. Auf jeden Fall ist es ein sehr lohnendes Buch, das öfter als einmal gelesen sein will. SEHR EMPFEHLENSWERT und nicht unbedingt ein Scheibenweltroman, sondern mehr eine Mischung auch "Ein kurze Geschichte von fast allem", "Metamagicum", "Gödel, Escher und Bach", "Eine kurze Geschichte der Zeit" und einiger anderer wichtiger Titel des 19. und 20. Jahrhunderts. :study::thumleft:

  • (Zur Information: Das Folgende bezieht sich auf die englische Originalausgabe.)


    In der Reihe „The Science of the Discworld“ versuchten der geniale Erfinder der „Scheibenwelt“ Terry Pratchett und die beiden Wissenschaftler Ian Stewart (Mathematiker) und Jack Cohen (Biologe), dem Leser Wissenschaft auf unterhaltsame Weise näher zu bringen. Verbunden mit jeweils einer Rahmengeschichte, die auf der Discworld/Scheibenwelt spielt, verfolgen und erklären sie u.a. die Entstehung der Rundwelt = unsere Erde, die durch einen kleinen Unfall im Labor der UU, der Unsichtbaren Universität, entstand und nun deren Zauberern so einige Probleme bereitet. In den ersten beiden Büchern (The Science of Discworld und The Science of Discworld II: The Globe) gelang es ihnen auch recht gut, die Geschichten sind unterhaltsam und (meist) auch für den berühmten „interessierten Laien“ gut verständlich und vor allem – und gerade das finde ich bei dieser Art Bücher wichtig – sie machen Lust darauf, sich mehr und ausführlicher mit den Themen zu befassen.


    Und dann kam Science of the Discword III: Darwin’s Watch (dt. Titel: Darwin und die Gelehrten der Scheibenwelt). Diesmal müssen die Zauberer Darwin dazu bekommen, sein berühmtes Buch zu schreiben, damit die Menschheit nicht irgendwann in der Zukunft zum Eis am Stiel wird und man kann sich vorstellen, dass das nicht ohne unterhaltsame Zwischenfälle geschieht, vor allem weil eine unbekannte Macht sich dem Vorhaben entschieden entgegen stellt. Dieser Teil des Buches ist auch nicht das Problem, höchstens dass er zu kurz geraten ist.


    Problematisch ist der wissenschaftliche Teil. Erstmal ist der Titel größtenteils Etikettenschwindel. Nein, ich erwarte nicht, dass die Bücher ausschließlich auf der Scheibenwelt spielen oder eine reine Romanhandlung bieten, denn das ist nicht der Sinn des Unterfangens (und diese Reihe gehört auch nicht in das Genre Fantasy, darum ist die Einordnung der Rezension hier eigentlich falsch, sie gehört unter Sachbücher!). Aber ich hätte erwartet, dass in diesem Buch der Fokus eben auf Darwin liegt, auf Evolutionstheorie, auf der Entwicklung von uns haarlosen Affen. Was ich nicht erwartet habe – und auch nicht gebraucht hätte – waren endlose Kapitel über schwarze Löcher, Zeitmaschinen, unendliche Zahlen, Paralleluniversen, Quantenmechanik, Relativitätstheorie usw. Es liest sich teilweise, als wären diese hier abgehandelten Themen von den ersten beiden Büchern übriggeblieben, müssten noch abgearbeitet werden und das manchmal einfach viel zu ausgewalzt. Dabei geht auch die Einbindung in die Rahmengeschichte, die in den ersten Büchern deutlich besser funktionierte, streckenweise verloren. Wie schade das ist, zeigt sich gerade da, wo auf die im Grunde versprochene Thematik eingegangen wird, nämlich auf Darwin und Evolution.


    Zugegeben, ich war bei diesen Themen gelegentlich überfordert. Ich verlor den Faden und damit leider dann auch das Interesse, gerade weil mir immer im Hinterkopf rumschwebte: Was hat das jetzt bitte mit Darwin zu tun? Darwin ist „Natural Selection“ nicht „Was passiert, wenn ich drei Schwarze Löcher zusammenklebe?“, Evolutionstheorie statt Relativitätstheorie. Ich bin auch keine Mathematikerin und kann darum nicht nachvollziehen, warum man endlos darauf rumreiten muss, dass es keine größte Zahl gibt, weil man durch hinzufügen von 1 immer eine größere bekommt. Erscheint mir logisch und interessiert mich leider nicht wirklich, weil ich keinen Nährwert darin finden konnte, dafür muss man wahrscheinlich Mathematiker sein. Allerdings sehe ich den Fehler bei den Autoren, die damit die Zielgruppe - nämlich „interessierter Laie“ - aus den Augen verloren, vor allem wenn ich in einer Rezension lese, dass selbst ein Naturwissenschaftler den Ausführungen nicht immer folgen konnte. Da hilft es dann auch nichts, den Dingen witzige Namen zu geben wie Umtyplex (die, wenn man zum Zeitpunkt ihrer Einführung langsam etwas genervt von dem Ganzen ist, zudem eher albern wirken).


    Man muss sich auch fragen: Wenn es letztendlich über weite Teile des Buches vor allem um diese Themen gehen soll, warum dann Darwin? Nur um im letzten Kapitel das Viktorianische Jahrhundert zu loben? Warum nicht berühmte Mathematiker wie Newton, Leibniz oder Huygens, die bei vielen der angeschnitten Themen deutlich besser gepasst hätten? Es kann nicht daran liegen, dass vor allem die ersten beiden nicht genug Material für eine unterhaltsame Rahmenhandlung gegeben hätten. Wahrscheinlich lautet die Antwort, dass dann die Menge der kaufbereiten Leserschaft um ein umtyplex geringer gewesen wäre, weil ihnen schwant, was sie erwartet.


    Trotz dieser Kritik und der Tatsache, dass ich für ein Buch, das ich normalerweise in zwei oder drei Tagen gelesen hätte, einen Monat brauchte, gab es einiges Unterhaltsames und auch Interessantes, das zum Nachdenken oder Weiterlesen anregt. Diese Serie ist sicher nicht besonders gut für einen Einstieg in die Discworld geeignet, aber für Fans bleibt sie trotzdem empfehlenswert. Wie gut verdaulich die einzelnen Bücher sind, bleibt dem jeweiligen Interesse für Naturwissenschaften (hier insbesondere Mathematik) vorbehalten. Trotzdem kann ich mir den Hauch des Bedauerns nicht verkneifen, wenn ich bedenke, was ein Terry Pratchett aus der Thematik Darwin/Evolution in der Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern, die sich dieser tatsächlich konsequent annehmen, hätte machen können. Wir werden es leider nie erfahren.

    The most important story you'll ever write is the one you create with your daily choices.