Wird einem bei manchen Büchern der Geschmack des Autors einfach "aufgedrängt"?

  • Hallo! :winken:


    Ich habe nichts direkt gefunden das sich genau damit befasst, aber es geht mir im Moment immer mal wieder im Kopf rum. Falls es doch schon etwas ähnlich geben sollte, dann würde ich es sehr nett finden, wenn man die beiden Threads einfach zusammenwirft.


    Und zwar geht es um die Frage, ob einem beim Lesen nicht einfach der Geschmack des Autors oder der Autorin aufgedrängt wird. Das einem Personen, Orte und Gegenstände schmackhaft gemacht werden soll, nur weil der Autor sie toll findet, mit denen man selbst aber eigentlich garnichts anfangen kann. Und kann das nicht auch dazu führen, dass man ein Buch irgendwann einfach gefrustet in die Ecke wirft und keine Lust mehr hat?


    Ich gehe nun einmal von mir aus. Ein Beispiel das mir so ähnlich passiert ist.
    Ich lese ein Buch und es geht um einen Mann. Dieser Mann ist der schönste, den die Welt (angeblich) jemals gesehen hat. Alle Frauen lieben ihn, keine kommt an ihm vorbei, ohne Ausnahme. Nun wird dieser Mann beschrieben. Er hat blaue Augen, sehr langes, blondes Haar, majestätische Gesichtszüge, liebt lange Mäntel und Hüte ... Man merkt richtig das der Autor oder die Autorin eine Figur erschaffen hat, die er/sie selbst unwiderstehlich findet.
    Und da fangen bei mir die Alarmglocken an zu Schrillen. Da dreht sich mir der Magen um! Bei dieser Beschreibung würde ich diesem Mann nichtmal bei Nacht und mit verbundenen Augen begegnen wollen! ](*,) Jetzt will man mir während des kompletten Buches diesen Mann dermaßen übertrieben schön reden, dass mir die Lust vergeht und ich das Buch einfach abbreche.


    Kennt ihr solche Situationen? Kennt ich Bücher, wo einem bestimmte Dinge praktisch gegen seinen Willen schöngeredet werden? Und habt ihr in einem solchen Fall weitergelesen? Was haltet ihr davon?
    Erzählt doch mal.

    "Wie man's macht, ist es verkehrt, aber macht man's gleich verkehrt, ist es auch nicht richtig."

  • Wölfchen, das Beispiel, das du beschreibst, kenne ich auch.


    Ich lese manchmal auch sehr gerne kitschige Liebesromane und mir ist dabei auch schon sehr oft aufgefallen, dass die Männer, die in solchen Romanen beschrieben werden, meinem Idealbild eines Mannes nicht entsprechen. Oft liegt das daran, dass die männlichen Helden in den Romanen oft lange, zu einem Pferdeschwanz zusammengebundene Haare haben, was ich persönlich an Männern nicht mag. Natürlich reitet der Autor / die Autorin in seinem / ihrem Buch auf diesem Aussehen herum, betont es immer wieder, kommt ins Schwärmen. Ich schalte dann einfach ab, höre auf, mir den Helden bildlich vorzustellen. Aber das ich ein Buch deswegen abgebrochen hätte, ist mir noch nicht passiert. Wenn der Stil des Autors / der Autorin aber allgemein zu Ausschweifungen neigt und zu detailverliebt ist, macht mir das Lesen auch keinen Spaß. Dann breche ich Bücher auch schon mal ab, das liegt dann aber nicht allein an der Beschreibung einer Person oder eines Ortes.


    Oft kommt es auch vor, dass der Autor oder die Autorin Landschaften oder Orte beschreibt, an denen ich noch nie war. Wenn der Autor hier alles schönmalt und -redet, kommt es schon vor, dass ich mir wünsche, diesen Ort auch einmal zu besuchen. Dass der Autor dabei übertreibt, kann natürlich sein, aber ich kann es nicht überprüfen und lasse mich dann schon vom Autor beeinflussen, indem ich seine Meinung zu diesem Ort annehme.


    :flower:

    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


    http://www.lektorat-sprachgefuehl.de

  • Kennt ich Bücher, wo einem bestimmte Dinge praktisch gegen seinen Willen schöngeredet werden? Und habt ihr in einem solchen Fall weitergelesen? Was haltet ihr davon?

    Ich weiß gar nicht, wie ein Autor das sonst machen sollte! Soll er dann Figuren nach ihrem Aussehen gar nicht mehr beschreiben, nur weil das Idealbild, das er beschreibt, nicht das Idealbild aller Leser ist? Soll er Orte nicht mehr als schön oder schrecklich beschreiben, weil ein Leser einen anderen Eindruck von diesen Orten haben könnte? Dass der Autor einen anderen Geschmack hat als ich, gestehe ich ihm zu. ;) Und für mich ist ein Buch nicht schlechter, nur weil der Autor vielleicht ein anderes Schönheitsideal hat.
    Ich bin noch nie auf die Idee gekommen, ein Buch deswegen nicht zu lesen. Um ehrlich zu sein, ist mir so etwas absolut und vollkommen egal.

  • Doch, ich glaube ich weiss was ihr damit meint. Ging mir bei- Verzeihung an alle Liebhaber der Bücher- "Effi Briest" von Theodor Fontane und bei "Sofies Welt" von Jostein Gaarder so. Gerade bei Effi Birest. Un-glaub-lich. Ich hatte je weiter das Buch vorschritt teilweise ernsthaft das Gefühl, dass Fontane schlicht einfach selbst in Effi verliebt war bzw. sie toll fand und uns unbedingt davon überzeugen wollte wie toll sie doch ist. Ich kann es nicht haben, wenn ich in Büchern merke das ich zu irgendwas "gebracht" werden soll. Sei es die positive Meinung über einen Charakter, sei es eine Meinung zu irgendwas, sei es die Erkenntnis von irgendwas...grad bei Jugendbüchern die ich kenne so. Beispielsweise: "AIDS ist eine ernstzunehmende Krankheit, die Erkrankten sind aber trotzdem mit Respekt zu behandeln und nicht so, als hätten sie die Pest." Natürlich stimme ich dem zu, aber wenn ich merke das alles darauf als (grosses, tolles Fazit) hinausläuft oder besser gesagt konstruiert wird, mag ich nicht mehr. Am besten noch absolut durchschaubar.


    Das gleiche gilt auch für manche Charaktere: Gerade bei "Sofies Welt" ist mir das aufgefallen. Der Philosoph war der grosse, weise, tolle Mann der die Weisheit mit Löffeln gefressen hatte und der Sofie nun die grosse, himmlische Weisheit der Sofie nahelegte, sodass sie erleuchtet wurde und die wahre Weisheit kennenlernte. Amen.
    Sorry, aber da krieg ich nen Affen. Besonders, wenn der Author auch noch einen derart oberlehrerhaften Tonfall bzw. einen Tonfall an sich hat, wo ich mir vorkomme als würde der Author denken, dass ich immer noch 9 Jahre alt bin und keine- in meinem Falle- 20 Jahre krieg ich erst recht zu viel. Wenn es offiziel ein Kinderbuch ist versteh ich das ja noch, aber sonst...


    Verzeiht, dass ich mich so an den beiden Beispielen aufgehangen habe, aber das sind zufällig genau die beiden Bücher, bei denen mir das noch so im Kopf hängen geblieben ist.
    Mit eurem Beispiel hab ich da noch nix gesehen, aber ch könnt mir vorstellen das ich irgendwann auch zu viel kriegen würde, wenn mir wer andauernd sagt wie toll der doch aussieht.


    Strandläuferin: Ich glaub, es war auch nicht nur das Schönheitsideal gemeint, sondern ganz generell. :wink: Oder wolltest du das sagen und ich hab dich nur missverstanden?

    Things need not have happened to be true. Tales and dreams are the shadow-truths that will endure when mere facts are dust and ashes, and forgot.

    Neil Gaiman


    :study: T.R.Richmond - What she left




  • Natürlich muss der AutorIn die Personen oder Orte beschreiben und das ist ja auch wichtig für den Leser, aber das Phänomen, das ihr beschreibt, das kenne ich auch. Diese übertriebene Schönreden. Ich glaube, es liegt daran, wenn ich AutorIn alles an einer Person z.B. positiv machen will. Es werden keine Ecken und Kanten beschrieben, die eine Persönlichkeit individuell macht. Mir ging es so bei der Bis(s)-Reihe. Ich weiß, dass mir jetzt sicherlich viele wiedersprechen werden (; Aber ich kann dieses Geschwärme von Edward z.B. gar nicht verstehen. Mir wird er viel zu geleckt, zu aalglatt und zu harmonisch, fast harmoniesüchtig beschrieben. Absolut ein Mensch den ich einfach totlangweilig fände. Also ja autoren/Autorinnen können übertreiben und mit einem gewollten Schönreden einem eher das Buch/Personen vermiesen.

  • Ich melde mich hierauf mal als Autor und Leser. Als Autor muss ich sagen, dass ich Strandläuferins Meinung teile: man hat seine eigenen Vorstellungen von den Figuren, die man "erschafft", was bedeutet, dass sie natürlich in den seltensten Fällen denen des Lesers entsprechen (es sei denn, man schreibt über Personen, die wirklich gelebt haben und bei denen Aussehen und Eigenschaften verbürgt sind). Das finde ich auch ganz ok. Als Autor sehe ich meine Figuren tatsächlich vor mir wie in einem Film, höre ihre Stimmen, sehe ihr Umfeld, in dem sie sich bewegen, manchmal höre ich sogar Musik wie in einem Soundtrack, und dieses "Kopfkino" hilft mir beim Schreiben ungemein. Allerdings möchte ich meine Beschreibungen nicht so weit ausdehnen, dass überhaupt kein Raum für die Phantasie des Lesers bleibt (Beispiel: Sie sah aus wie Gwyneth Paltrow). Und ich mag keine Schönlinge und hoffe doch, dass meine Charaktere genug Ecken und Kanten haben, um interessant zu sein. :wink:


    Nervig als Leser finde ich das, was Wölfchen anspricht: wenn in jedem zweiten Satz darauf hingewiesen wird, wie toll der/die Held(in) ausschaut, was er/sie alles kann und wie superbegehrt er/sie ist. Aber solche Bücher lese ich eigentlich nicht. Ich hatte mal eines aufgeschlagen, in dem gleich auf der ersten Seite eine schlanke, rassige Rothaarige mit "einem Gardemaß von 1,83 m" in der Badewanne lag, das hat mir schon gereicht! [-(
    Auch über angeblich abstoßend hässliche Leute lese ich nicht gerne, womit ich jetzt nicht den Glöckner von Notre Dame meine, sondern übergewichtige, unscheinbare, verschüchterte, komplexbeladene Loser, wie man sie in Frauenromanen häufig antrifft.

  • Ich melde mich hierauf mal als Autor und Leser. Als Autor muss ich sagen, dass ich Strandläuferins Meinung teile: man hat seine eigenen Vorstellungen von den Figuren, die man "erschafft", was bedeutet, dass sie natürlich in den seltensten Fällen denen des Lesers entsprechen (es sei denn, man schreibt über Personen, die wirklich gelebt haben und bei denen Aussehen und Eigenschaften verbürgt sind). Das finde ich auch ganz ok. Als Autor sehe ich meine Figuren tatsächlich vor mir wie in einem Film, höre ihre Stimmen, sehe ihr Umfeld, in dem sie sich bewegen, manchmal höre ich sogar Musik wie in einem Soundtrack, und dieses "Kopfkino" hilft mir beim Schreiben ungemein.

    Genauso geht es mir auch. Meine Figuren sind beim Schreiben wie Schauspieler in meinem Kopf, ich kann die Szenen zurückspulen und wieder und wieder betrachten, aber gleichzeitig auch in ihre Haut schlüpfen und fühlen, was sie fühlen, sehen, was sie sehen. Wenn ich dann den Helden durch die Augen der in ihn verliebten Heldin sehe, lasse ich sie in der indirekten Rede natürlich von ihm schwärmen. Anders wäre es doch auch gar nicht glaubwürdig. Aber wenn ich ihn normal beschreibe, bin ich distanzierter.


    Als Leserin möchte ich auch nicht über jammernde, übergewichtige Protagonisten lesen. Dabei stört mich weniger das Übergewicht, als das Jammern. Helden mit Makeln hab ich ganz gerne und auch die Heldin darf mal ein paar Pfund zu viel auf den Rippen haben. Aber das darf nicht zum Thema werden. Dann nervt es mich nämlich.

  • Nervig als Leser finde ich das, was Wölfchen anspricht: wenn in jedem zweiten Satz darauf hingewiesen wird, wie toll der/die Held(in) ausschaut, was er/sie alles kann und wie superbegehrt er/sie ist.

    Dem möchte ich noch hinzufügen, dass es der Autor / die Autorin durch das Agieren des Helden / der Helding schaffen muss, den Leser auf seine Seite zu ziehen, so dass er selbst zu dem Entschluss kommt, dass dieser all die tollen Eigenschaften hat. Es ist ziemlich schwach, wenn ständig auf die Perfektion hingewiesen wird. Zu dieser Ansicht muss ich selbst gelangen können. Da ist doch viel spannender, als dass es mir lauwarm vorgesetzt wird.

  • Mich stört es nicht, wenn der Held nicht meinem Schönheitsideal entspricht, man kann es ja nicht allen recht machen...! :wink:
    Was ich aber absolut nicht leiden kann, sind perfekte Helden, denen niemand widerstehen kann!!! :puker: Das ist so unrealistisch. :thumbdown:


    Beispielsweise habe ich "Das Haus der Wölfe" von Donna Boyd gelesen.
    Die Werwölfe in diesem Roman sind den Menschen in allen Bereichen des
    Lebens soooooooo überlegen und sie sind sooooooo attraktiv, daß mir das
    kalte Grausen gekommen ist. =; Beinahe hätte ich abgebrochen, aber die Geschichte war doch so interessant, daß ich wissen wollte, wie sie endet. :-,


    Ich lese gerne Geschichten, bei denen ich mir vorstellen kann, daß sie wirklich geschehen könnten oder geschehen sind! Jetzt werden wohl einige sagen, aber Du liest doch auch Fantasy. Stimmt, aber auch in diesem Genre gibt es Bücher, die so stimmig sind, daß sie in meinen Gedanken wirklich werden!


    Liebe Grüße, Frauke :study:

    Ich :study: gerade:
    "Das Lied von Eis und Feuer 4 - Die Saat des goldenen Löwen" von George R.R. Martin (Kindle)




  • Ich lese gerne Geschichten, bei denen ich mir vorstellen kann, daß sie wirklich geschehen könnten oder geschehen sind! Jetzt werden wohl einige sagen, aber Du liest doch auch Fantasy. Stimmt, aber auch in diesem Genre gibt es Bücher, die so stimmig sind, daß sie in meinen Gedanken wirklich werden!


    Ich kann das voll und ganz nachvollziehen! :thumleft:

    "Wie man's macht, ist es verkehrt, aber macht man's gleich verkehrt, ist es auch nicht richtig."

  • Wenn ein Autor mir seinen Geschmack "aufdrängen" will, ist mir das egal. Er bevorzugt halt blonde Männer, ich dunkle - na und.


    Was ich aber absolut nicht leiden kann: Wenn ein Autor mir seine politische oder moralische Ansicht in manipulierender Weise aufs Auge drücken will. Z.B. Patricia Cornwell mit ihrer Meinung zu 9/11 und Bushs Reaktionen darauf (die Aussagen dazu wurden für die deutsche Übersetzung geglättet). Oder Paolo Coelho mit der Moralkeule in "Elf Minuten". Oder Jodie Picoults Darstellung der Selbstjustiz als akzeptiertes und sogar lobenswertes Verhalten in "Die Macht des Zweifels".

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Schreiben ist natürlich ein ebenso subjektiver Vorgang wie Lesen. Eine Geschichte wird immer von der jeweiligen Welt- und Menschensicht seines Autors bestimmt und von dessen individueller Fähigkeit, sie sprachlich zu gestalten. Das Spannende beim Lesen besteht für mich gerade darin, diese verschiedenen subjektiven Gefühls- und Gedankenwelten kennenzulernen und mich mit ihnen auseinanderzusetzen.
    Ich bin ein eher distanzierter Leser und bevorzuge es, wenn auch der Autor eine gewisse Distanz zu seinen Geschöpfen bewahrt. Den Wunsch, mich mit Romanfiguren zu identifizieren, verspüre ich nicht. Das wäre mir zu einseitig und zu langweilig, was natürlich nicht heißt, dass ein Buch mich nicht in seinen Bann zu ziehen vermag.


    Wie Marie kann auch ich diese tendenziösen Bücher nicht ausstehen, in denen eine Moral, politische bzw. religiöse Überzeugungen oder irgendwelche Lebenshilfen an den Mann gebracht werden sollen.
    Romane, die von schönen Menschen und makellosen Helden handeln, sind nicht aufdringlich, sondern einfach nur schlecht. Aber sie haben eine riesige Leserschaft und von daher ihre Berechtigung. :wink:


    Gruß
    mofre

    :study: Zsuzsa Bánk - Die hellen Tage

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















  • Um religiöse Bücher mache ich grundsätzlich einen Bogen. Es stört mich nicht, wenn eine Figur im Buch sehr religiös ist; gerade in historischen Romanen ist das ja auch sehr passend, aber wenn das der gesamte Tenor des Buches ist und der Autor da nicht mehr auf Distanz bleibt, mag ich das nicht lesen.