• Ich schreibe gerade an einem eigenen Buch und möchte gerne einmal die Meinungen Aussenstehender hören. Es sind die ersten 2 Seiten. Im Buch geht es um ein Mädchen, welches durch einen Unfall die Fähigkeit des Hellsehens erlangt. Es wird wahrscheinlich ein Jugendroman. Ich schreibe gerade an Seite 200.


    Ich hoffe, dass ic viele Rückmeldungen erhalten werde! :D :D (Für kleine Fehler entschuldige ich mich, das Buch ist noch im unüberarbeiteten Zustand)



    Kapitel 1


    Joyce band ihre Haare mit einem blauen Haargummi zu einem Pferdeschwanz zusammen und betrachtete sich kurz im Spiegel. Sie hatte langes, schokobraunes Haar und strahlende Augen, welche sie mit einem braunen Kajal betonte. Ein violettes Shirt und schwarze Karottenhosen hoben die schlanke Statur hervor.


    Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass sie sich mit diesem Outfit in die Öffentlichkeit wagen konnte, durchquerte sie den Flur und rief ihrer Grossmutter, welche in der Küche hantierte zu, dass sie noch kurz den Hund ausführen wolle. Seit die Eltern von Joyce nach Afghanistan gereist waren, um dort für ein Hilfswerk zu arbeiten, wohnte sie zusammen mit ihrer Grossmutter in der Schweiz. Natürlich unterstützte Joyce den Wunsch ihrer Eltern, den Bedürftigen dieser Welt zu helfen, doch die Vorstellung, dass sie noch weitere zwei Jahre auf die beiden warten musste, machte sie krank. Grossmutter Edith war zwar lieb und fürsorglich, aber es war eben nicht dasselbe. Joyce wusste es jedoch zu schätzen, dass sie sich sofort bereitwillig zur Verfügung gestellt hatte, eine Sechzehnjährige für die Zeit aufzunehmen. Immer einfach war es sicherlich nicht, denn immerhin lebten beide sozusagen in einer anderen Zeit.


    Als Joyce die knarrende Holztür aufschwang, wurden ihre Haare sofort von einem sanften Windstoss erfasst und ein paar Blätter wirbelten ihr um die Ohren. In letzter Zeit hatte es mehrere Unwetter zu verzeichnen gegeben, was viele Wetterforscher der Klimaerwärmung zuschrieben. Joyce stellte fest, dass es für ihr lockeres Outfit etwas zu frostig war und machte eine elegante Drehung, um sich eine Jacke aus dem Eichenschränkchen zu holen. Dabei bemerkte sie, dass der Kalender, welcher ihrer Meinung nach etwas zu viele Blümchen und Muster enthielt, noch nicht gewendet war. So hob sie ihn sanft vom Nagel , wobei dieser nachgab und zu Boden fiel. Sie fluchte leise und blätterte den Kalender zum Monat August um, woraufhin sie den rostigen Nagel wieder in sein Loch stopfe und den Kalender dranhängte. Zu ihrer Überraschung hielt er. Zur Sicherheit packte sie noch einen Schirm ein und machte sich dann auf den Weg.


    Über dem Wald lag eine dünne Schicht Nebel, welcher immer weiter auf die Kronen der mächtigen Tannen herabsank. Ayka, die Golden Retriever- Hündin, welche schon einige Jahre zu Joyce`s Familie gehörte, trabte frischfröhlich mit erhobener Schnauze über den Kies- weg. Sie visierte den Bach, welcher rechts von ihnen verlief. Zwischen dem Bach und dem Weg ragte eine in die Jahre gekommene Steinmauer in die Höhe, das Ganze wurde von einer grossen Waldfläche umschlossen. Die Luft roch lecker nach Wasser, Tannen und Blumen. Inzwischen mischte sich auch noch der Duft von nahendem Regen darunter. Joyce genoss im Wald immer die friedliche Stimmung, fernab von Autolärm, Bauplätzen und Stadtrummel. Das einzige, was die Ohren hier zu hören bekamen, war das Gezwitscher der Vögel, das Rascheln, wenn ein Windstoss die Blätter bewegte und das Rauschen des Baches. Ayka hatte inzwischen eine Lücke in der Mauer entdeckt und huschte ans Bachbett, um kurz darauf sanft durch die Wassermassen zu gleiten. Der Kies raschelte unter den All Stars von Joyce, während sie gemächlich den Weg entlanglief. Ayka tauchte den Kopf kurz unter Wasser, um einen abgetauchten Pappbecher herauszufischen. Joyce hielt kurz an, um das Schauspiel zu beobachten. Mit hoch erhobenem Haupt und zufriedener Miene kehrte sie mit ihrem Fang zurück ans Land. Joyce lächelte und setzte ihren Spaziergang fort. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Joyce genoss die Stille in vollen Zügen.


    Kurz bevor sie ihren Lieblingsplatz, eine traumhafte, grüne Lichtung mit faszinierender Pflanzenvielfalt erreichte, klingelte ihr Handy. Sie kramte kurz in ihrer Hosentasche und holte ihr Natel zum Vorschein und stellte fest, dass am anderen Ende Michelle, eine ihrer engsten Kolleginnen war. Das war bereits ihr dritter Anruf an diesem Tag und Joyce konnte sich durchaus vorstellen, was ihr Begehren war. Also nahm sie ab und sagte: „Ja Michelle, ich werde da sein, genauso wie ich auch ohne drei Anrufe da gewesen wäre“ Michelle besuchte mit Joyce die selbe Schule, weshalb die beiden auch dicke Freundinnen waren, doch sie neigte oft etwas zur Hysterie. Vor allem wenn es darum ging, ein Treffen zu vereinbaren, in der sie alle möglichen Flirttechniken für ihr nächstes Date disputierten. Ganz anders als Joyce bestand Michelles Technik ihren wahren Traumprinzen zu finden nicht darin, die Jungs gründlich unter die Luppe zu nehmen und ihr wahres Ich herauszufinden, wie das Joyce vorzog, sondern einfach möglichst viele auszuprobieren.


    Wie Joyce es erwartet hatte, war dies auch der Grund für dieses Telefonat. Mit piepsiger Stimme replizierte Michelle, dass ihre Mutter ihr eben angeboten habe, sie zum Café zu fahren, weshalb sie wissen wollte, ob Joyce auch früher kommen könne. Diese beobachtete während Michelles Vortrag Ayka, welche den ganzen Weg nassspritzte, als sie eine Vollbremsung machte und sich schüttelte. Dafür hatte sie kurz den Becher ablegen müssen, doch als sie bemerkte, dass in der Gegenrichtung ein anderer Hund nahte, schnappte sie ihn sich sofort wieder und tänzelte weiter. Der Wanderer, dessen Hund gerade entgegengekommen war, grüsste Joyce höflich, welche ihm abwesend zunickte und kurz lächelte. Er trug wohl die schrecklichte Farbenkombination, die Joyce je gesehen hatte; eine rote Regenjacke, grüne Socken, welche fast so lang waren, dass sie das Ende der kurzen, khakifarbenen Hosen beinahe erreichten und Hinzu kam auch noch eine überdimensionale, gelb getönte Pilotenbrille und verdreckte Sandalen. Schon alleine Socken in Sandalen zu tragen war ein Modevergehen, doch das schmerzte schon bereits in den Augen. Joyce merkte, dass sie kurz in Gedanken gefallen war, da Michelle wohl inzwischen mehrere Male nachgefragt hatte, ob dies nun ok sei, wobei ihre Stimme gefährlich angeschwollen war. Als Michelle gerade wieder zu einem neuen Versuch ansetzte, ihre Kollegin endlich zum Zuhören zu bringen, würgte Joyce sie ab und erklärte mit ruhiger Stimme: „Ich bin noch mit Ayka unterwegs,gerade erreiche ich die grosse Böschung, dort wo nachher die kleine Brücke folgt, es wird wohl nicht früher gehen, ausserdem täte es deinen Nerven gut, noch ein wenig an der frischen Luft zu verweilen“ Die Reaktion liess nicht lange auf sich warten, denn sofort begann Michelle wieder zu schwatzen, dass sie von frischer Luft Pickel und vom Warten schreckliche Ausschläge bekäme und dass dann auch andere schleimige Exkremente nicht lange aus sich warten liessen. Doch Joyce hörte kaum etwas, was Michelle ihr krankhaft mitzuteilen versuchte, denn ihre blonde Hündin hatte den Becher fallen gelassen und spurtete nun mit der Nasenspitze am Boden eine Böschung hinauf, welche sich zu ihrer linken befand. Dann sah Joyce ganz auf der Spitze des Hügels, gut versteckt zwischen den mächtigen Laubbäumen ein Reh. Ayka hatte zwar seinen Geruch aufgenommen, doch ausfindig gemacht hatte sie es offenbar noch nicht. Normalerweise jagte Ayka nicht, nicht mal damals, als sie in den Alpen auf eine Gämse gestossen waren, welche zwei Meter neben ihr gegrast hatte. Joyce musste schmerzhaft an diese Zeiten zurückdenken, denn auf dieser Tour hatten sie noch ihre Eltern begleitet. Joyce rief immer wieder Aykas Namen, doch es nützte nichts, denn ihr Hund hatte im Moment überhaupt kein Gehör für ihre Meisterin, weshalb diese ihr Handy ins Gras am Wegrand schleuderte und nun ebenfalls die Höhen des Hügels hinauf spurtete.

  • Ich habe von Bücherschreiben überhaupt keine Ahnung und auch nicht ob etwas gut oder schlecht ist, ich kann nur sagen ob mir etwas gefällt.


    Ich finde das Thema interessant und auch, dass Du hast einen schönen Schreibstil hast. Vor allem bewundere ich immer, wie man Kleinigkeiten so ausschmücken kann. Das ist etwas, was meiner Meinung nach ein gutes Buch ausmacht. Die Stelle mit dem Kalender und den Blümchen ist so ein Beispiel. Man könnte das natürlich auch weglassen, aber dann wäre es nur halb so schön zu lesen. :wink:
    Ich habe auch einige kleine Fehler entdeckt, auf die hattest Du ja hingewiesen und die werden sicherlich auch noch eliminiert. :rambo: Auch würde ich an manchen Stellen andere Wörter verwenden, aber darum gehts hier ja nicht, sondern um den Gesamteindruck.
    Ich finde den Text angenehm zu lesen und ansprechend geschrieben. Bei ein paar Formulierungen und Wörtern habe ich den Eindruck, dass Du aus der Schweiz kommst, nicht nur, weil die Oma dort wohnt. ;)
    Der Text hat Struktur und ist bis jetzt schlüssig. Mir gefällts. :D

  • Kann mich meiner Vorrednerin nur anschließen.
    Auch ich finde es alles in allem sehr vielversprechend :)
    An einigen Wörtern bin ich hängengeblieben, was allerdings wohl einfach daran liegt, dass man sie bei uns nicht in diesem Zusammenhang verwendet.

    lg Schattenlady


    Bücher lesen heißt: wandern gehen in fernen Welten, aus den Stuben über die Sterne
    (Jean Paul)

  • Ich finde es soweit gut, ein schöner Schreibstil (zum Inhalt kann man ja jetzt nicht allzu viel sagen). Aber der erste Absatz gefällt mir nicht, das ist mir viel zu ausgelutscht. Ich will Spannung! Von Anfang an! Eine Personenbeschreibung, gleich zu Beginn des Buches, lässt den Leser zwar sofort wissen, wie die Person in deiner Vorstellung aussieht, nimmt ihm andererseits aber auch gleich die Möglichkeit sich die Person langsam in der eigenen Fantasie auszumalen (dazu kannst du dann mit gelegentlichen Hinweisen beitragen, zB. "sie strich sich eine braune Strähne aus dem Gesicht" o.ä.).
    Aber wie gesagt, der Stil ist soweit gut, wünsche dir viel Glück damit, vielleicht findest du ja einen Verleger ;)

    uǝʇıǝs ǝuǝsǝlǝƃ 1081 pun ɹǝɥɔüq ǝuǝsǝlǝƃ 5 :1102 ʞıʇsıʇɐʇsǝsǝl

  • Der erste Absatz ist fürchterlich :puker: aber an sonsten gefällt mir der Schreibstil! :thumleft:


    Edit: Du verwendest den Namen "Joyce" an manchen Stellen viel zu oft hintereinander. Auf den zweiten Blick, das ist meine Meinung, liest es sich stellenweise ein bisschen wie eine Geschichte, die du als Hausaufgabe für den Deutschunterricht geschrieben hast.


    Beispiel:


    "All Stars von Joyce, während sie gemächlich den Weg entlanglief. Ayka tauchte den Kopf kurz unter Wasser, um einen abgetauchten Pappbecher herauszufischen. Joyce hielt kurz an, um das Schauspiel zu beobachten. Mit hoch erhobenem Haupt und zufriedener Miene kehrte sie mit ihrem Fang zurück ans Land. Joyce lächelte und setzte ihren Spaziergang fort. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Joyce genoss die Stille in vollen Zügen."





    Ich finde dieses tausend mal Joyce, fast in jedem Satz, ein absolutes no go! (Zumal ich den Namen zum weglaufen grässlich finde, aber daran liegt es nicht...)

    "Wie man's macht, ist es verkehrt, aber macht man's gleich verkehrt, ist es auch nicht richtig."

  • Ich habe hier den ersten Teil (überarbeitet) und einige zusätzliche Abschnitte. Ich hoffe alle Kritikpunkte behandelt zu haben


    Kapitel 1


    Joyce band ihre Haare mit einem blauen Haargummi zu einem Pferdeschwanz zusammen und betrachtete sich kurz im Spiegel. Sorgfältig verstaute sie die nussbraune Haarsträhne, welche störend über ihren Augen hing hinter dem Ohr.


    Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass sie sich mit ihrem Outfit in die Öffentlichkeit wagen konnte, durchquerte sie den Flur und rief ihrer Grossmutter, welche in der Küche hantierte zu, dass sie noch kurz den Hund ausführen wolle. Seit die Eltern von Joyce nach Afghanistan gereist waren, um dort für ein Hilfswerk zu arbeiten, wohnte sie zusammen mit ihrer Grossmutter in der Schweiz. Natürlich unterstützte Joyce den Wunsch ihrer Eltern, den Bedürftigen dieser Welt zu helfen, doch die Vorstellung, dass sie noch weitere zwei Jahre auf die Beiden warten musste, machte sie krank. Grossmutter Edith war zwar lieb und fürsorglich, aber es war eben nicht dasselbe. Joyce wusste es jedoch zu schätzen, dass sie sich sofort bereitwillig zur Verfügung gestellt hatte, eine Sechzehnjährige für die Zeit aufzunehmen. Einfach war es sicherlich nicht, denn immerhin lebten beide sozusagen in einer anderen Zeit.


    Als das Mädchen die knarrende Holztür aufschwang, wurden ihre Haare sofort von einem sanften Windstoss erfasst und ein paar Blätter wirbelten ihr um die Ohren. In letzter Zeit hatte es mehrere Unwetter zu verzeichnen gegeben, was viele Wetterforscher der Klimaerwärmung zuschrieben. Instinktiv sah sie auf ihr dünnes T-Shirt und die kurzen Hosen hinab und stellte fest, dass es für ihr lockeres Outfit etwas zu frostig war. Sie machte eine elegante Drehung, um sich eine Jacke aus dem Eichenschränkchen zu holen. Dabei bemerkte Joyce, dass der Kalender, welcher ihrer Meinung nach etwas zu viele Blümchen und Muster enthielt, noch nicht gewendet war. So hob sie ihn sanft vom Nagel, wobei dieser nachgab und zu Boden fiel. Sie fluchte leise und blätterte den Kalender zum Monat August um, woraufhin sie den rostigen Nagel wieder in sein Loch stopfe und den Kalender dranhängte. Zu ihrer Überraschung hielt er. Zur Sicherheit packte sie noch einen Schirm ein und machte sich dann auf den Weg.


    Über dem Wald lag eine dünne Schicht Nebel, welche immer weiter auf die Kronen der mächtigen Tannen herabsank. Ayka, die Golden Retriever-Hündin, welche schon einige Jahre zu der Familie gehörte, trabte frischfröhlich mit erhobener Schnauze über den Kiesweg. Sie visierte den Bach, welcher rechts von ihr verlief. Zwischen dem Bach und dem Weg ragte eine in die Jahre gekommene Steinmauer in die Höhe, das Ganze wurde von einer grossen Waldfläche umschlossen. Die Luft roch lecker nach Wasser, Tannen und Blumen. Inzwischen mischte sich auch noch der Duft von nahendem Regen darunter. Joyce genoss im Wald immer die friedliche Stimmung, fernab von Autolärm, Bauplätzen und Stadtrummel. Das einzige, was die Ohren hier zu hören bekamen, war das Gezwitscher der Vögel, das Rascheln, wenn ein Windstoss die Blätter bewegte und das Rauschen des Baches.


    Ayka hatte inzwischen eine Lücke in der Mauer entdeckt und huschte ans Bachbett, um kurz darauf sanft durch die Wassermassen zu gleiten. Der Kies raschelte unter den durchgetretenen Schuhen der Hundeführerin, während sie gemächlich den Weg entlanglief. Ayka tauchte den Kopf kurz unter Wasser, um einen abgetauchten Pappbecher herauszufischen. Joyce hielt kurz an, um das Schauspiel zu beobachten. Mit hoch erhobenem Haupt und zufriedener Miene kehrte der Hund mit dem Fang zurück ans Land. Das Mädchen lächelte und setzte ihren Spaziergang fort. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Joyce genoss die Ruhe in vollen Zügen.


    Kurz bevor sie ihren Lieblingsplatz, eine traumhafte, grüne Lichtung mit faszinierender Pflanzenvielfalt erreichte, klingelte ihr Handy. Sie kramte kurz in ihrer Hosentasche, holte ihr Handy zum Vorschein und stellte fest, dass am anderen Ende Michelle, eine ihrer engsten Kolleginnen war. Das war bereits ihr dritter Anruf an diesem Tag und Joyce konnte sich durchaus vorstellen, was ihr Begehren war. Also nahm sie ab und sagte: „Ja, Michelle, ich werde da sein, genauso wie ich auch ohne drei Anrufe da gewesen wäre“


    Michelle besuchte mit Joyce dieselbe Schule, weshalb die beiden auch dicke Freundinnen waren, doch sie neigte oft etwas zur Hysterie. Vor allem wenn es darum ging, ein Treffen zu vereinbaren, in der sie alle möglichen Flirttechniken für ihr nächstes Date disputierten. Ganz anders als Joyce bestand Michelles Taktik ihren wahren Traumprinzen zu finden nicht darin, die Jungs gründlich unter die Luppe zu nehmen und ihr wahres Ich herauszufinden, wie das Joyce vorzog, sondern einfach möglichst viele auszuprobieren.


    Wie Joyce es erwartet hatte, war dies auch der Grund für dieses Telefonat. Mit piepsiger Stimme erklärte Michelle, dass ihre Mutter ihr eben angeboten habe, sie zum Café zu fahren, weshalb sie wissen wollte, ob Joyce auch früher kommen könne. Diese beobachtete während Michelles Vortrag Ayka, welche den ganzen Weg nassspritzte, als sie eine Vollbremsung machte und sich schüttelte. Dafür hatte sie kurz den Becher ablegen müssen, doch als sie bemerkte, dass in der Gegenrichtung ein anderer Hund nahte, schnappte sie ihn sich sofort wieder und tänzelte weiter. Der Wanderer, dessen Hund gerade entgegengekommen war, grüsste Joyce höflich, welche ihm abwesend zunickte und kurz lächelte. Er trug wohl die schrecklichte Farbenkombination, die Joyce je gesehen hatte; eine rote Regenjacke, grüne Socken, welche fast so lang waren, dass sie das Ende der kurzen, khakifarbenen Hosen beinahe erreichten und hinzu kam auch noch eine überdimensionale, gelb getönte Pilotenbrille und verdreckte Sandalen. Schon alleine Socken in Sandalen zu tragen war ein Modevergehen, doch dieses Outfit schmerzte schon in den Augen. Joyce merkte, dass sie kurz in Gedanken gefallen war, da Michelle wohl inzwischen mehrere Male nachgefragt hatte, wie nun die Antwort laute, wobei ihre Stimme gefährlich angeschwollen war. Als Michelle gerade wieder zu einem neuen Versuch ansetzte, ihre Kollegin endlich zum Zuhören zu bringen, würgte Joyce sie ab und erklärte mit ruhiger Stimme: „Ich bin noch mit Ayka unterwegs und gerade erreiche ich die grosse Böschung. Dort Ich kann schon die kleine Brücke sehen, welche den Fluss überquert. Danach sind es nur ein paar Meter bis dahin. Es wird wohl nicht früher gehen, ausserdem täte es deinen Nerven gut, noch ein wenig an der frischen Luft zu verweilen“


    Die Reaktion liess nicht lange auf sich warten, denn sofort begann Michelle zu erklären, dass sie von frischer Luft Pickel und vom Warten schreckliche Ausschläge bekäme und dass dann auch andere schleimige Exkremente nicht lange aus sich warten liessen.


    Doch Joyce hörte kaum etwas, was Michelle ihr krankhaft mitzuteilen versuchte, denn ihre blonde Hündin hatte den Becher fallen gelassen und spurtete nun mit der Nasenspitze am Boden eine Böschung hinauf, welche sich zu ihrer Linken befand. Dann sah Joyce ganz auf der Spitze des Hügels, gut versteckt zwischen den mächtigen Laubbäumen ein Reh. Ayka hatte zwar seinen Geruch aufgenommen, doch ausfindig gemacht hatte sie es offenbar noch nicht. Normalerweise hielt die Hündin nichts vom Jagen, nicht einmal damals, als sie in den Alpen auf eine Gämse gestossen waren, welche zwei Meter neben ihr gegrast hatte. Joyce musste schmerzhaft an diese Zeiten zurückdenken, denn auf dieser Tour hatten sie noch ihre Eltern begleitet. Joyce rief immer wieder Aykas Namen, doch es nützte nichts, denn ihr Hund hatte im Moment überhaupt kein Gehör für die Meisterin, weshalb diese ihr Handy ins Gras am Wegrand schleuderte und nun ebenfalls die Höhen des Hügels hinauf spurtete.


    Inzwischen war der Golden in der Mitte der Böschung angelangt und er beschleunigte, da der Duft nach dem Wild offenbar stärker wurde. Joyce keuchte wie eine alte Lokomotive, während sie sich den Hügel hinaufarbeitete. Die Dornbüsche kratzten ihre Arme auf und verfingen sich in den Kleidern, die wilden Gräser peitschten gegen ihre Beine und sie merkte, dass ihre Ausdauer nicht gerade für so ein energiegeladenes Rennen taugte, doch sie drang trotzdem immer weiter zu Ayka vor. Das Reh hatte offenbar das Geschehen beobachtet und lange überlegt, ob es die Energie wert war, vor so einem Tier zu flüchten, und war nun anscheinend in letzter Sekunde zum Entschloss gekommen, dass es das sicher war, denn Ayka war nur noch einige Meter von ihm entfernt, als es endlich die Flucht ergriff. Mit gekonnten Sprüngen liess es einen umgekippten Baum hinter sich, welcher wohl dem vergangenen Unwetter zum Opfer gefallen war. Ayka musste kurz das Tempo herabsetzen, um nicht in eben diesen Stamm zu knallen, doch dann übersprang auch sie ihn mit einem Satz.

  • Joyce fiel derweilen immer weiter zurück. Als sie beinahe den Stamm erreicht hatte, verschwand Ayka gerade hinter dem Hügel. Joyce keuchte wie ein alter Greis nach einem ausgiebigen Einkaufsbummel mit seiner Frau, wie es Michelle formuliert hätte, doch sie liess nicht locker, denn sie wusste, dass die gut befahrene Hauptstrasse nur einige hundert Meter hinter diesem Hügel lag. Als sie nur ganz kurz den Weg aus den Augen verlor, während sie den Baumstamm fixierte, passierte es.


    Ein moosüberwachsener Stein liess ihren linken Fuss umknicken, welcher zum Absetzten in die Tiefe gestürzt war. Joyce durchfuhr ein stechender Schmerz, doch bevor sie einen schmerzverzerrten Laut von sich geben konnte, lag sie schon kopfvoran auf dem Waldboden , welcher mit Blättern und Brenneseln übersät war. Nur den dumpfen Aufschlag vernahm sie, bevor alles vor ihren Augen schwarz wurde, obwohl sie wahrscheinlich auch sonst nicht mehr als den dreckigen Untergrund gesehen hätte. Ein paar Vögel flogen aus der Baumkrone einer nahegelegenen Tanne.