Dr. Finlay nimmt nach beendetem Studium eine Anstellung in der Ordination des alteingesessenen Landarztes, Dr. Cameron, an. Schon sein erster Fall sichert ihm die Anerkennung des älteren Kollegen, als er das Leben einer kleinen Patientin nur durch einen spontan durchgeführten Luftröhrenschnitt retten kann. Und so muss er sich in der Arztpraxis täglich aufs Neue bewähren und sich auf die unterschiedlichsten Charaktere einstellen. Liebenswerte und schrullige, ängstliche und (zumindest nach außen hin) unerschrockene, aber auch durch und durch unsympathische Zeitgenossen fordern zu jeder Stunde seinen vollen Einsatz. Vielen bringt er Genesung, für manche ist die Diagnose aber auch gleichbedeutend mit einem Todesurteil. In den kompliziertesten Fällen verläßt ihn sein Wissen nicht, doch bei einem tragisch erscheinendem, wo eigentlich nur der praktische Hausverstand gefordert wäre, muss Dr. Cameron helfend eingreifen. In seltenen Fällen wird der gute Dr. Finlay sogar gewalttätig um die richtige Diagnose erstellen und die Heilung vorantreiben zu können. Und auch vor der Kollision mit einem selbstherrlichen Kollegen schreckt der leidenschaftliche Arzt nicht zurück, für den es keine "Fälle", sondern immer nur Menschen mit einem einzigartigen Schicksal, gibt.
Ich habe mir dieses schmale Büchlein als leichte Lektüre für eine lange Lesenacht ausgesucht und damit eine sehr gute Wahl getroffen. Mit großem erzählerischem Talent, humorvoll, berührend und ergreifend zugleich, berichtet der Autor aus der Landarztpraxis des Dr. Finlay, ohne dabei jemals unglaubwürdig zu werden oder ins Klischeehafte abzugleiten. Schon am Beginn der Lektüre wird klar, dass der Autor als Mediziner Erfahrungen gesammelt haben muss, sonst wäre eine so lebensnahe Schilderung vieler Ereignisse nicht möglich. Mir gefällt außerdem der Zeitrahmen, in dem diese Geschichten spielen; das muss um das Jahr 1900 gewesen sein, als die Ärzte noch mit Pferdekutschen, oder, wie im Falle des Dr. Finlay, auch mit dem Fahrrad zu ihren Hausbesuchen aufbrachen. Obwohl im Buch über viele verschiedene Patienten berichtet wird, vermittelt das Erzählte einen in sich geschlossenen Eindruck, und man meint die Bewohner des Dorfes bereits persönlich kennengelernt zu haben. So fiebert der Leser gleichsam von einem Fall zum nächsten mit; bei manchem möchte er sogar länger verweilen oder mehr vom weiteren Schicksal des Betreffenden erfahren. Der Meinung des "Bayrischen Sonntagsblattes", dass kein Mißton den Genuß dieses köstlichen Buches störe, kann ich mich nur voll und ganz anschließen, und ich habe somit für mich einen Autor entdeckt, von dem ich gerne noch mehr lesen werde.
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Verlag: Paul Zsolnay Verlag
