Der Klappentext:
Wellendingen, ein idyllisches Dorf im Südschwarzwald: Hans Seger ist beruflich in Schweden unterwegs, seine Frau Eva hat Frühdienst im Donaueschinger Krankenhaus. Ihre Tochter, die siebenjährige Lea, ist bei Nachbarn. Eigentlich scheint alles in bester Ordnung ... bis am Morgen des 23. Mai plötzlich der Strom ausfällt. Der Verkehr bricht zusammen, Telefone und Computer stehen still, Kühlschränke verweigern ihren Dienst, Supermarkttüren öffnen sich nicht mehr. Der wirksamste Computervirus, der je ersonnen wurde, schleudert die Welt zurück ins tiefste Mittelalter. Als der erste Jumbojet vom Himmel fällt, dämmert der Dorfgemeinschaft, dass nichts mehr so sein wird wie es einmal war ...
Innerhalb weniger Stunden zerbricht das so stabil erschienene Gerüst unserer modernen Gesellschaft. Jeder ist sich plötzlich selbst der Nächste. Eine Schlacht bahnt sich an, in der alle bisherigen Werte nicht mehr zählen. Für Eva und Hans Seger beginnt ein Überlebenskampf, auf den sie niemand vorbereitet hatte. Alles andere wird unwichtig, tritt hinter dem einen Ziel zurück: Heimkehr nach Wellendingen, zu ihrer Tochter Lea. Der Weg nach Hause entpuppt sich sowohl für Eva als auch für Hans als Trip durch die Hölle ...
Der Autor:
Michael Tietz ist gelernter Krankenpfleger und lebt mit Frau, Sohn und Hund im Südschwarzwald.
Meine Meinung:
Was passiert, wenn weltweit der Strom ausfällt, es kein Telefon und kein fließend Wasser mehr gibt? Alle staatliche Ordnung nicht mehr existent ist? Diese Frage hat Michael Tietz aus der Sicht der Bewohner eines kleines Dorfes im Südschwarzwald eindrucksvoll beantwortet.
Eines morgens um Punkt 7:00 Uhr fällt weltweit der Strom aus, die Telekommunikation bricht zusammen, die Flugzeuge fallen vom Himmel. Ein Computervirus hat global alle Computer befallen und zeitgleich irreparabel lahm gelegt. Was nun folgt, ist ebenso unfassbar wie doch logisch nachvollziehbar: Die selbstverständlichsten Dinge des alltäglichen Lebens funktionieren nicht mehr: Alle bislang bekannte Ordnung geht binnen kürzester Zeit verloren, die Angst umschleicht die Menschen und der Kampf ums nackte Überleben beginnt.
Michael Tietz beschreibt die endzeitlichen Geschehnisse an Hand der Schicksale eine kleinen Dorfes in der Schwäbischen Alp zwischen Donaueschingen und der Schweizer Grenze. Eine große Vielzahl an Charakteren zeigt die gesamte Vielfalt an Reaktionen, mit denen die Menschen mit den schlagartigen Veränderungen ihres Lebens umgehen müssen. Wie ihr bisheriges Lebenmittelpunkte nicht mehr vorhanden sind und sie in einem Existenzkampf ihren Platz in einer radikal veränderten Gesellschaft finden müssen. Manche resignieren und hoffen auf Hilfe eines nicht mehr bestehenden Staatsapparates. Andere versuchen brutal und hemmungslos die Macht an sich zu reißen oder intrigieren gegen den Rest. Doch ein kleiner Teil behält sich ihre Menschlichkeit und versucht ein neues kleines Gemeinwesen zu bilden. Und gerade weil der eigene Horizont sich nur mehr bis zu den direkten Nachbarsorten erstreckt, müssen früher alltägliche Dinge wie Nahrungsbeschaffung und Energieversorgung wieder selbst gelöst werden. Doch der verzweifelte Versuch eines Familienvaters, zu Fuß aus Schweden zurück nach Hause in den Schwarzwald zu gelangen, zeigt auf, dass ein globaler Zusammenbruch überall zu den selben Erscheinungen und Problemen führt – Chaos, Gewalt und Tod!
Auch wenn in diesem Buch sehr viele Personen ihre Geschichten erzählen dürfen, der Autor beleuchtet selbst seine Randfiguren sehr detailliert und gibt dem Buch so ein allumfassendes und menschliches Gesicht. Sehr sympathisch ist, dass Michael Tietz nicht einige "Helden" in dieses Buch einbaut, sondern es bei handfesten Charakteren belässt, die allesamt ihre Stärken und Schwächen eines normalen Menschen ausweisen. Und halten sich ihr Siege und ihr Scheitern auf nachvollziehbare Art stets die Waage. Gerade die schmerzhaften Rückschläge und die oft aussichtslosen Situationen geben der Geschichte einen sehr realen Anstrich.
Leider erfährt man nicht von allen Personen ihr letztliches Schicksal und in manchen Fällen ist die eigene Fantasie wohl grausamer als es der Autor jemals sein könnte. Wirklich schade ist allerdings, dass man nicht erfährt, wie die Erschaffer des Virus ihre selbst ausgelöste Katastrophe erleben und damit umgehen müssen.
Trotz der gehörigen Länge dieses Buches und der teilweise sehr umfangreichen Beschreibungen und Charakterisierungen legt Michael Tietz einen sehr flüssig zu lesenden Erstling vor, der sowohl von der Thematik, der Umsetzung als auch der Schreibe sehr zu überzeugen weiß. Der dramaturgische Aufbau zieht den Leser sofort mitten in die Geschichte und lässt ihn bis zum Ende nicht mehr los, einen Spannungsabfall gibt es nicht. Und obwohl das Thema so vielschichtig ist, Tietz bleibt in seinen Schilderungen schlicht und überschaubar und schafft es so spielend, logische Fehler zu vermeiden. Das Thema einer endzeitlichen Dystopie schreit förmlich nach Vergleichen zu anderen Büchern, doch hat Michael Tietz etwas komplett eigenständiges erschaffen. Ein bemerkenswerter und spannender Erstling, eine absolute Empfehlung.