Thomas Pynchon - Gegen den Tag / Against the Day

  • Das Buch beginnt mit der Landung eines Luftschiffes bei der Weltausstellung in Chicago 1893, dessen Besatzung auch später immer wieder auftaucht. Im weiteren Verlauf geht es um Bergwerksbesitzer im Wilden Westen, um Gewerkschafter und Anarchisten, Dynamit und Elektrizität, um Revolverhelden, Mord und Vergeltung, um Spionage, Zeitreisen und Seancen, um Personen, die durch Wände gehen oder sich an zwei Orten gleichzeitig aufhalten können, um perverse Sexualpraktiken ebenso wie um die hohe Mathematik. Der geographische Bogen spannt sich von Amerika bis nach Europa, wenige Jahre nach dem Ende des 1. Weltkriegs. Hauptpersonen im eigentlichen Sinne gibt es nicht; doch fehlt es dem Roman nicht an Figuren, denen der Leser auf den 1596 Seiten immer wieder begegnet, wie etwa den Brüdern Traverse, die ausziehen, um den Mord an ihrem Vater zu rächen.


    Mehr kann ich über den Inhalt leider nicht angeben, weil mir bis zum Ende nicht klar geworden ist, worum es in dem Roman überhaupt ging. Für mich taumeln die Figuren mehr oder minder sinn- und ziellos dahin, führen Gespräche und setzen Handlungen, die ich, kaum gelesen, auch schon wieder vergessen hatte, weil sie sich nach meinem Verständnis jeder Logik entziehen. Der Stil konnte mich ebenfalls nicht begeistern. Die Dialoge sind einerseits recht banal, andererseits ziehen sich manche Sätze ellenlang dahin, sodaß ich sie oft ein zweites Mal lesen mußte. Ich weiß zwar, daß man an Romane der Postmoderne nicht die gleichen Erwartungen stellen darf, wie an zeitgenössische Unterhaltungsliteratur, aber mir war dieses Werk völlig unverständlich. Wenn Sprache und Inhalt gleichermaßen versagen, dann sehe ich leider keinen Rettungsanker für das Buch.

  • Hallo Ariliana!


    Der Klappentext behauptet folgendes: "Gegen den Tag" umspannt den Zeitraum zwischen der Weltausstellung in Chicago 1893 und den Jahren kurz nach dem Ersten Weltkrieg und führt von den Arbeiterunruhen in Colorado über das New York der Jahrhundertwende, London und Göttingen, Venedig und Wien, den Balkan, Zentralasien, Sibirien zur Zeit des Tunguska-Ereignisses und Mexiko während der Revolution, ins Paris der Nachkriegszeit, nach Hollywood während der Stummfilmära und an ein, zwei Orte, die auf keiner Landkarte zu finden sind. Während sich die weltweite Katastrophe schon am Horizont abzeichnet, beherrschen hemmungslose kapitalistische Gier, falsche Religiosität, tiefe Geistlosigkeit und böse Absichten an hohen Stellen das Bild. Derweil treibt Thomas Pynchon sein Spiel. Figuren unterbrechen ihr Tun, um größtenteils alberne Liedchen zu singen. Seltsame und abseitige Sexualpraktiken werden ausgeübt, obskure Sprachen gesprochen, und das nicht immer idiomatisch richtig. Kontrafaktische Ereignisse finden statt. Vielleicht ist dies nicht die Welt, aber mit ein, zwei kleinen Änderungen könnte sie es sein.


    Ich hoffe, ich habe Dir mit meiner Rezi die Lust auf das Buch nicht verdorben. Ich habe ja auch begeisterte Kritiken gelesen, aber mir ist das ganze Werk zu rätselhaft und undurchsichtig. So viel Interpretationsarbeit kann und mag ich als Durchschnittsleser nicht leisten. Auf jeden Fall braucht man einen langen Atem, wenn man es zu Ende lesen will. Ich habe mir auch viel Zeit gelassen und es nicht nur überflogen, aber ich war öfter als einmal nahe daran abzubrechen. Das Lesen nahm 7 Wochen in Anspruch, und ich habe dazwischen nichts anderes gelesen, weil ich sonst den Faden völlig verloren hätte.


    Mich würde Deine Meinung dazu natürlich sehr interessieren, falls Du es demnächst in Angriff nehmen solltest.